Archive

U1 1,5 Grad sind unser Ziel: Ein sozialverträglicher Kohleausstieg bis 2030!

2.11.2022

Wir fordern, dass sich alle demokratischen Parteien in Deutschland um einen Kohleausstieg bemühen, der mit dem 1,5-Grad-Ziel und damit mit dem unterzeichneten Pariser Klimaschutzabkommen kompatibel ist. Als NRW Jusos stellen wir dabei nicht nur Ausstiegsforderungen, sondern haben 2019 mit dem Beschluss „Mensch, Struktur, Wandel: Unser Weg zum sozialistischen und ökologischen Umbau der Wirtschaft“ auch Vorschläge unterbreitet, wie ein guter Transformationsprozess aussehen kann:

Die Energieversorgung der Zukunft ist weder fossil noch atomar. Wir wollen den Ausstieg aus Kohle und Atom. Die Frage nach dem Datum des Kohleausstiegs ist dabei sowohl in der Gesellschaft als auch in unserem Verband hoch umstritten. Der Kompromiss der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (Kohle-Kommission), der schrittweise Ausstieg aus der Förderung von Braunkohle und Verstromung von Braun- und Steinkohle bis zum Zeitkorridor 2035 bis 2038 ist mutlos, ideenlos und das Ergebnis eines mangelnden Investitionswillens und kapitalistischer Unternehmensinteressen. Auf Seiten der Beschäftigten vor Ort und anderer lokaler Akteur*innen herrscht große Unsicherheit, denn am Ruhrgebiet wird deutlich, welche Folgen ein gescheiterter Strukturwandel hat. Doch aufgrund der breiten Beteiligung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteur*innen in der Kommission – Arbeitgeber*innen, Industrie, Gewerkschaften, Politik, die Kirchen, Umweltverbände und Bürger*innen aus den betroffenen Revieren – kann der Kompromiss nicht einfach beiseite gewischt werden. Wir müssen alles dafür tun, dass die Energiewende sozial und schnell geschieht. Dazu müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden:

  • Ein wirklich tragfähiges Konzept für die betroffenen Regionen zur Umstrukturierung der Wirtschaft. Wir können uns keinen weiteren gescheiterten Strukturwandel leisten. Eine Deindustrialisierung muss dabei verhindert werden.
  • Die Demokratisierung der Wirtschaft: Solange kapitalistische Interessen Vorrang vor dem Gemeinwohl haben, kann es keine nachhaltige, soziale und ökologische Transformation geben.
  • Massive Investitionen in den Umbau der Energieversorgung und Infrastruktur. Die Kosten müssen von denen getragen werden, die viel haben und geben können. Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen und ohne nennenswerte Vermögen müssen entlastet werden.

Wenn diese Bedingungen nicht nur politische Lippenbekenntnisse sind, sondern mit konkreten Plänen und Maßnahmen unterlegt werden, dann unterstützen wir einen schnelleren Kohleausstieg bis 2030.

Deutschland ist der größte Kohlenstoffdioxidemittent in Europa, weltweit der sechstgrößte. Im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft – und darüber hinaus – sollte die Bundesrepublik daher als Vorreiter in Sachen Klimaschutz agieren. Der diskutierte “European Green Deal” ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung, bedarf aber weiterer Überarbeitung und des Drucks der Öffentlichkeit.

In vielen Bereichen, nicht nur im Energiesektor, müssen deutlich höhere Anstrengungen unternommen werden, um den Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel leisten zu können, der zu Recht von Deutschland verlangt werden darf. Ein wichtiger Baustein ist dabei ein früherer Kohleausstieg.

Das Kohleausstiegsgesetz hingegen ist das Ergebnis einer zu wenig ehrgeizigen Energiewende. Es legt den Kohleausstieg auf allerfrühestens 2035, möglicherweise sogar erst 2038 fest. Dies hätte neben Millionen Tonnen zusätzlichen CO2-Ausstoßes zur Folge, dass in den Abbaugebieten noch sieben weitere Dörfer umgesiedelt und abgebaggert werden.

Dabei muss erwähnt werden, dass im letzten Jahr ohne staatliche Subventionen schon 90% der Kohlekraftwerke Verlust gemacht hätten, da Kohlekraft in Deutschland insgesamt nicht mehr profitabel ist. Im Hinblick darauf erscheint es umso unverständlicher, dass Konzerne mit Milliardensummen für unrentable Kraftwerke abgefunden werden. Hier wird eine Branche und eine Energieform gesponsert, die die Energiewende bremst und heute und in Zukunft weltweit für Umwelt- und Klimaschäden verantwortlich ist.

Für uns ist klar, dass wir nicht die Großkonzerne unterstützen müssen. Das Augenmerk muss vielmehr auf den Arbeitnehmer*innen und den vom Strukturwandel betroffenen Regionen liegen, die zur Erhaltung ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zurecht Solidarität und massive Investitionen von Seiten des deutschen Staates verlangen dürfen. Zudem ist klar, dass die Energiekonzerne sich in den Bergbauregionen nicht aus der Verantwortung ziehen dürfen. Auf Jahrzehnte hinaus werden Investitionen etwa in Fragen der Renaturierung der Tagebaue nötig sein.

Die Bewirtschaftung der Kohlekraftwerke bis 2038 ist nicht mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar, sozial ungerecht und belastet insbesondere den globalen Süden – während Energiekonzerne in Deutschland Steuergelder in Milliardenhöhe erhalten.

Die Kohlekommission darf nicht die Argumentationsgrundlage liefern, dass wir uns vom 1,5-Grad-Ziel verabschieden. Auch wenn mit ihr der Versuch unternommen wurde, einen gesamtgesellschaftlichen Kompromiss zu erzielen und unterschiedliche Gruppen an einen Tisch zu holen, ist hervorzuheben, dass insbesondere die Interesseren der jungen Menschen nicht vertreten wurden. Auch die Perspektiven, Bedürfnisse und Meinungen derjenigen, die mittelbar und unmittelbar von den Schäden an Umwelt und Klima betroffen sind, wurden nicht ausreichend gehört. Diese Position sollte nicht gegen heimische Arbeitsplätze (in der Kohleverstromung – von denen im Bereich der Erneuerbaren Energien ist in dieser Diskussion leider selten die Rede) ausgespielt werden.

Viele Klimawissenschaftler*innen positionieren sich gegen das Kohleausstiegsgesetz und legen Studien vor, nach der auch ein früherer und ehrgeiziger Kohleausstieg möglich und nötig ist. Dabei wird Deutschland mit einem früheren Ausstieg der Verantwortung gerecht und überschreitet nicht sein CO2-Budget von 6,7 Gigatonnen CO2. Eine Erwärmung von 2°C können und dürfen wir uns nicht leisten. Wir dürfen nicht eine Kettenreaktion von Kippelementen im Klimasystem in Kauf nehmen! Für eine volkswirtschaftlich verträgliche und mit den internationalen Klimaschutzzielen kompatible Minderung der Treibhausgasemissionen können wir uns keinen verspäteten Kohleausstieg leisten.

Ein ökologischer Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2030 ist möglich und kann in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen, Klimaaktivist*innen, betroffenen Regionen und Arbeitnehmer*innen sozialverträglich gestaltet werden.

Glück auf!

Quellen:
https://www.scientists4future.org/defizite-kohleausstiegsgesetz-kvbg-e/
http://publica.fraunhofer.de/dokumente/N-518419.html
https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/wie-viele-arbeitsplaetze-kostet-der-ausstieg/

S8 Jedem Kind seinen Raum!

2.11.2022

Im Rahmen der Bedarfsprüfung für Unterkunft bei Familien und Alleinerziehenden mit ALG II Bezug soll jedem Kind ab dem 7. Lebensjahr ein Anspruch auf ein eigens Zimmer gewährt werden. Dieser Anspruch ist im zweiten Sozialgesetzbuch in der Form zu verankern, dass er auch im Rahmen der Einzelfallbedarfsprüfung nicht ausgehebelt werden kann. Besonders darf der Altersunterschied zwischen Geschwistern nicht mehr als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden.

Zudem sind die Erfordernisse für Elternteile, die ihr Besuchsrecht wahrnehmen wollen, entsprechend anzupassen.

S5 Kostenloser Internetzugang unterhalb der Armutsgrenze – für mehr Teilhabe in Bildung, Beruf und Sozialleben!

2.11.2022

Das Internet ist schon längst kein purer Luxus mehr. Ob in der schulischen oder studentischen Bildung, dem Berufsleben oder der Pflege der sozialen Kontakte: Ohne einen Zugang zum Internet geht in vielen Bereich nichts mehr.

Nicht erst durch Corona hat sich dieser Vorgang rasant beschleunigt. Um Teilhabe am Leben zu ermöglichen, braucht man im Jahr 2020 das Internet. Viele Jobs werden mittlerweile hauptsächlich durch Jobbörsen oder Kleinanzeigen vergeben und Vernetzungsplattformen wie LinkedIn oder XING suchen dort gezielt nach möglichen Bewerber*innen.  Ende 2016 wurden 21 Prozent der Neueinstellungen über diese Plattformen vermittelt, im Jahr 2019 lag dieser Anteil schon bei 31,3 Prozent – Tendenz steigend.

Im Bereich der sozialen Vernetzung wird von vielen Unternehmen mittlerweile auch ein ordentlicher Auftritt in den sozialen Medien vorausgesetzt. Viele Headhunter*innen suchen dort nach möglichen Arbeitnehmer*innen, vor Vorstellungsgesprächen wird die digitale Präsenz überprüft. Wer dort nicht vertreten ist, hat eher geringe Aussichten auf lukrative Jobs. Über soziale Medien entstehen außerdem Kontakte, die zu Einstellungen führen können.

Corona hat uns außerdem gezeigt, wie groß die Schere auseinander geht, wenn es um den Bereich der Digitalisierung geht. Wer in der Schule oder in der Universität/Hochschule vernünftig mitarbeiten möchte, braucht einen schnellen Internetzugang. Wer diesen nicht hat, gerät schnell ins Hintertreffen.

Laut einer Studie von Statista beträgt der Anteil derer, die Zugang zum Internet und ein Haushaltsnettoeinkommen von 2.000 bis 2.999 haben, 90 Prozent. In der Einkommensklasse darüber (von 3.000 Euro und mehr) sind es sogar schon 98 Prozent. Bei einem Haushaltsnettoeinkommen von nur bis zu 1.999 Euro besitzen allerdings nur rund 66 Prozent einen Internetzugang. Hier wird klar: Wer mehr verdient, hat automatisch bessere Voraussetzungen, um im sozialen und beruflichen Leben und in der Bildung voranzukommen.

Als Jusos muss es daher unsere Aufgabe sein, dieser Spaltung mit den nötigen Mitteln entgegen zu wirken und für eine notwendige Teilhabe der finanziell Schwächer gestellten zu sorgen. Wir fordern für alle Haushalte, die unterhalb der Armutsgrenze von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens liegen, einen kostenlosen Internetzugang. Dieser soll ohne Drosselung der Leitung und deutlich schneller als der bisher im Rahmen des Universaldienst garantierte funktionale Internetzugang (56 kbit/s) sein.

S3 Gleichberechtigte Elternschaft fördern

2.11.2022

Von wirklicher Gleichstellung sind wir in Deutschland immer noch weit entfernt. Dazu trägt auch unsere aktuelle Familienpolitik bei. Das 2007 eingeführte Elterngeld hat weniger für eine paritätische Aufteilung der Erziehungszeiten gesorgt, als vielmehr das Stichwort der „Vätermonate“ geprägt. Weitere Faktoren wie das abzulehnende Ehegatt*innensplitting verstärken diesen Effekt.

Kurz und knapp – Situation 2020

Gerade in Partner*innenschaften mit Kind(ern) fallen auch vermeintlich progressive Eltern in konservative Rollenbilder zurück. Frauen* nehmen öfter und länger Elternzeit und/oder arbeiten länger in Teilzeit. Zusätzlich übernehmen sie einen Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Männer* arbeiten nach der Geburt des ersten Kindes dagegen oft noch mehr als vorher (ca. 94 % der Väter arbeiten Vollzeit, unter kinderlosen Männern* sind es ca. 88 %). Zwar nehmen inzwischen rund 37 % der Väter eine Elternzeit (Stand Jahr 2016), jedoch beziehen sie deutlich weniger lange Elterngeld (ca. 3,7 Monate im Vergleich zu 13,8 bei Frauen* für ab 2015 geborene Kinder) und betreuen das/die Kind(er) seltener allein Zuhause. Diese Ausgangssituation wird von vielen Faktoren beeinflusst, seien es der Gender Pay Gap, die mangelnde Kinderbetreuung oder die oft mit der Geburt von Kindern einhergehenden Einkommenseinbußen (größere Wohnung, Ausstattung etc.). Viele Eltern entscheiden sich daher – oft aus finanziellen, aber auch karrieretechnischen Gründen – dafür, dass der Mann* in Vollzeit weiterarbeitet und die Frau* in Teilzeit geht bzw. in den Monaten nach der Geburt gar keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.

Unser Ziel: Parität!

Diese Ausgangssituation ist für uns nicht haltbar. Unser langfristiges Ziel ist es, dass Eltern sich die Erziehungsarbeit gleichberechtigt aufteilen. Finanzielle und karrieretechnische Gründe sollen für die Entscheidung wer wann und wie lange Erziehungsarbeit übernimmt, nicht mehr oder wenigstens kaum noch ins Gewicht fallen. Dazu wollen wir durch eine aktive Familienpolitik, insbesondere durch eine Reform des Elterngelds, entsprechende Anreize setzen.

Wir setzen uns für eine Neuregelung der Elternschutzzeit ein. Die Regelungen für den sogenannten Mutterschutz von Schwangeren sollen dazu für die Zeit nach der Geburt auf den*die Partner*in übertragen werden. Schwangere dürfen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt nicht arbeiten. Der Elternschutz soll bis acht Wochen nach der Geburt des Kindes gelten. Dies beugt nicht nur geschlechterbezogener Diskriminierung am Arbeitsmarkt vor, es gibt den Eltern auch die Möglichkeit, sich gemeinsam auf die neue Familiensituation einzustellen.

Reform des Elterngelds

Wir wollen auch das Elterngeld reformieren. Es beträgt derzeit zwischen 300 und 1800 Euro gemessen am vor der Elternzeit erwirtschafteten Einkommen des*der beziehenden Partner*in. Wer soll aber von 300 Euro in Zeiten steigender Mieten und anderer Kosten leben können? Wertschätzung für die geleistete Arbeit, die Kinderbetreuung zuhause, sieht anders aus. Es gilt die Mindesthöhe des Elterngeldes sachgerecht zu ermitteln. Denkbar ist eine Orientierung am derzeitigen Bezugsdurchschnitt von rund 740 Euro.

Um einen Anreiz für die paritätische Aufteilung der Elternzeit zu setzen und finanzielle Rechenspiele zu vermeiden, soll das jeweils zu beziehende Elterngeld 100 % des vorherigen Nettoeinkommens (Durchschnitt der letzten 12 Monate vor der Elternzeit) der Bezugsperson betragen, jedoch die Mindesthöhe nicht unterschreiten (s.o.). Übersteigt das Nettoeinkommen der Bezugsperson das durchschnittliche Nettoeinkommen der in Vollzeit tätigen Arbeitnehmer*innen (2019: ca. 2079 Euro, statista), reduziert sich der Satz von 100 % ab Erreichen des durchschnittlichen Nettoeinkommens auf bis zu 0%. Die maximale Höhe des Elterngelds soll sachgerecht ermittelt werden. Elterngeld muss bis zu 24 Monate gezahlt werden, im Falle, dass die Elternteile jeweils mindestens 9 Monate genutzt haben. Letzteres darf nicht für Alleinerziehende gelten.

Die gleichmäßige Aufteilung der Elternzeit soll besonders gefördert werden. Nehmen Eltern zu gleichen Teilen Elternzeit, soll dies mit einem Bonus in Form von Geld honoriert werden. Dieser Bonus soll sich weiter abschwächen, je weniger die Elternzeit zu gleichen Teilen genommen wird. So erhalten beispielsweise Eltern, die beide sieben Monate Elternzeit nehmen, 100 % vom Bonus, Eltern, die neun und fünf Monate Elternzeit nehmen entsprechend weniger und Eltern, die sich die Elternzeit gar nicht aufteilen, keinen Bonus.

Der sogenannte Partnerschafts-Bonus soll weiter ausgebaut werden. Dazu gehört eine Verlängerung des Partnerschaftsbonus von derzeit vier Monaten auf sechs Monate, wenn beide Eltern ihre Arbeitszeit über mindestens sechs Monate reduzieren.

Für Alleinerziehende soll die wöchentliche Arbeitszeit für den Bezug des Partnerschafts-Bonus von bisher 25 Stunden auf 20 Stunden abgesenkt werden.

Bezugsberechtigt müssen alle in Deutschland wohnhaften Personen sein, unabhängig von der Art des vor der Geburt bezogenen regelmäßigen Einkommens und der Größe des Betriebes in dem ggf. gearbeitet wurde. So müssen beispielsweise auch Empfänger*innen von Arbeitslosengeld oder Rente Elterngeld beziehen, ohne dass dies in Zukunft auf die jeweilige Sozial- bzw. Versicherungsleistung angerechnet wird.

Reform der Elternzeit

Die Elternzeit bietet Eltern eine Freistellung von der Arbeit für bis zu 3 Jahre pro Elternteil, mit einem Rückkehrrecht an den gleichen oder einen ähnlichen Arbeitsplatz im selben Unternehmen. Auch hier sehen wir Reformbedarf. Wir fordern: Ein Rückkehrrecht auf eine gleichwertige Arbeitsstelle nach der Entnahme der Elternzeiten muss während des gesamten Entnahmezeitraums gewährleistet werden. Es dürfen keine Einschränkungen durch vorherige Elternzeiten entstehen. Für jedes Kind muss dieselbe Elternzeit zur Verfügung stehen. Für Adoptivkinder und Pflegekinder in Dauerpflege muss das Modell analog gelten. Bei Mehrlingen erhalten die Elternteile die Möglichkeit, die Elternzeit um zusätzliche Monate zu verlängern. Des weiteren gilt im Falle einer Frühgeburt die Versorgung im Krankenhaus als exklusiv anzusehen und muss zusätzlich zu den 18 Monaten geleistet werden. In Fällen von Elternteilen mit Besuchsrecht kann das paritätische Modell angewendet werden. Eine Einzelfallanalyse wird hier nötig sein, die vom jeweiligen Fachamt ausgeführt werden muss.

Abschaffung des Ehegatt*innensplittings

Wir bleiben dabei: Das Ehegatt*innensplitting muss weg. Stattdessen müssen insbesondere Familien steuerlich entlastet werden.

S1 Adblocker für Alkoholwerbung

2.11.2022

Bei der Bekämpfung von Corona ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wissenschaftliche Expertise für das Finden von Maßnahmen und Lösungen hinzugezogen wird und Grundlage für staatliches Handeln ist, um Gesundheit und Menschenleben zu schützen. Solches Wissen war auch Grundlage dafür, dass in den vergangenen Jahrzehnten das Märchen vom ungefährlichen Zigarettenkonsum entzaubert werden konnte und daraufhin neben Aufklärung und steuerlichen Maßnahmen auch und besonders Möglichkeiten der Tabakwerbung immer weiter eingeschränkt wurde. Im Hinblick darauf scheint es geradezu absurd, dass für eine weitere legale Droge, den Alkohol, kaum bis keine solche Einschränkungen getroffen wurden, obwohl dies aus gesundheitlicher Sicht ebenso angebracht wäre.

Zum Vergleich: Tabakwerbung ist in Deutschland im Internet, Radio & TV (beides seit 1975), Printmedien und an weiteren Stellen untersagt – durch die Möglichkeit der Kino- oder Plakatwerbung gilt Deutschland im europäischen Vergleich aber trotzdem als Schlusslicht bei der Einschränkung. Diese Lücke wird allerdings 2021 bzw. 2022 geschlossen. Begründet werden Werbeverbote mit der erheblichen Schädigung der eigenen Gesundheit und der von dritten, welche zu über 80.000 Krebsfällen und 120.000 Toten pro Jahr führt. Alkoholische Getränke hingegen können im Internet, Fernsehen, Radio, TV, durch Sponsoring von Fußballstadien und vieles weitere mehr einigermaßen uneingeschränkt beworben werden. Angesichts von über 70.000 jährlichen Todesfällen, 1-2 Millionen Alkoholsüchtiger, über 10.000 Neugeborenen mit fetalem Alkoholsyndrom im Jahr, etwa 10 Millionen Menschen mit gesundheitsgefährdendem Konsumverhalten und einer Belastung des Gesundheitssystems von circa 40 Milliarden Euro fällt es schwer, hier weder einen Widerspruch, noch den massiven Einfluss von unterschiedlichen Lobbygruppen oder einen dringenden Handlungsbedarf zu erkennen.

Mit dem zukünftigen Inkrafttreten des Tabakwerbeverbots wurde ein Meilenstein für den Gesundheitsschutz der Jugend und allgemeinen Bevölkerung erreicht, nun ist es an der Zeit, gegen die allgegenwärtige Präsenz von Alkoholwerbung vorzugehen. Der deutliche Rückgang des Anteils regelmäßiger Raucher*innen an der Bevölkerung, der im Wesentlichen durch Aufklärung, Preiserhöhungen und das Werbeverbot erkämpft wurde, kann hier für eine Strategie der schrittweisen Einschränkung von Alkoholwerbung als Vorbild dienen.

Denkbar wäre ein Werbeverbot für Alkoholhaltige Getränke in Kinos bei Filmen mit einer Altersfreigabe für Minderjährige sowie ein Verbot im öffentlichen Fernsehen vor 22:00 Uhr als eine erste Stufe. Zusätzlich erscheint es sinnvoll, analog zum Tabak innerhalb der Werbung Warnhinweise auf mögliche gesundheitliche Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum und Möglichkeiten der Suchtprävention oder -behandlung hinzuweisen. Eine konsequente Fortführung dieser Strategie beinhaltet zusätzlich die Einführung von Warn-Etiketten in Text und Bildform auf Flaschen mit Alkoholgehalt. Hierzu kam eine kanadische Studie im Mai 2020 zu dem vielversprechenden Ergebnis, dass diese Maßnahme den Verkauf spürbar um 7% absenken und zusätzlich für besser informierte Verbraucher*innen sorgen kann.

Nachfolgend soll ein Jahr später eine Ausweitung des Verbotes auf alle digitalen Medien, bei welchen nicht gewährleistet werden kann, dass sie ausschließlich von volljährigen Personen frequentiert werden, folgen, sowie eine Ausweitung von Werbung für Suchtpräventionen und mehr Bildung für die Konsequenzen des Alkoholkonsums. Letztendlich fordern wir ein Komplettes Verbot von Alkoholwerbung im öffentlichen Bereich.

Diese Maßnahmen sollten eingebettet werden in eine neue Strategie im staatlichen Umgang mit Alkohol, die auf zusätzliche Aufklärungs- und Therapieangebote setzt und zu besseren Informationen über verantwortungsvollen Konsum und weniger Stigmatisierung Suchtkranker führt.

K3 Alt genug zum Saufen, zu jung für Politik? Wahlrechtsreform für mehr junge Menschen in der Lokalpolitik.

2.11.2022

„Junge Menschen sind politikverdrossen!“, einen solchen Satz kann man im Jahr 2020 glücklicherweise nicht mehr ohne immensen Gegenwind sagen. Nicht zuletzt Fridays for Future hat gezeigt, dass Jugendliche die Instrumente der Demokratie nutzen, um ihre politischen Themen auf die Agenda zu setzen und eine politische Debatte entscheidend zu beeinflussen.  Wir müssen auf solche gesellschaftlichen Veränderungen reagieren und beweisen, dass die Demokratie anpassungsfähig ist. Junge Menschen in ganz NRW wurden dazu angehalten bei den Kommunalwahlen im Alter von 16 Jahren darüber zu entscheiden, wem sie die Verantwortung für ihre Stadt, ihren Kreis, für ihre engste Umgebung übergeben möchten. Bei der nächsten Kommunalwahl muss es ihnen möglich sein, selbst diese Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es nicht nur darum einer heranwachsenden Generation das Vertrauen auszusprechen, sondern auch sie herauszufordern. Wir brauchen junge Gestalter*innen, wir wollen ihre Ideen, ihre Kritik und ihre Hilfe. Die aktuelle gesetzliche Lage verkennt die praktische Situation in vielen Gemeinden, in denen viele Jugendliche sich mit Begeisterung politisch engagieren, sei das in Jugendparteien oder in den vielen Kinder- und Jugend-gremien, -foren, -parlamenten und -räten. Diese Jugendlichen werden daran gehindert, auch nur ein beratendes Mitglied in Ausschüssen zu sein, da sie die Volljährigkeit noch nicht erreicht haben. Eine Partizipationskultur, bei denen Jugendliche zwar Ihre Meinung sagen dürfen, aber nicht an den wichtigen Stellen, hat ihren Sinn weit verfehlt.

Wir fordern deshalb:

  • Eine Herabsetzung des passiven Wahlrechts auf 16 Jahre.

C7 Psychotherapeutischem Nachwuchs in Nordrhein-Westfalen eine Stimme geben!

2.11.2022

Die Psychotherapeutenkammern der Länder sind das höchste Gremium der psychotherapeutischen Selbstverwaltung in Deutschland. Die Aufgaben der Psychotherapeutenkammer NRW sind dabei durch das HeilBergG §6 Absatz 1 definiert.

Insbesondere die Fragen der Berufsgerichtsbarkeit, die Fragen der beruflichen Aus- und Weiterbildung, sowie die Fragen der berufspolitischen Positionierung und Außenvertretung betreffen alle Mitglieder des Berufsstandes. Sie betreffen aber auch die Interessen des psychotherapeutischen Nachwuchses, der auf Grund seiner prekären Arbeits- und Ausbildungsbedingungen dringenden Vertretungsbedarf durch den eigenen Berufsstand benötigt. Hierbei zeigt sich jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Kammern der Bundesrepublik. Die Mehrheit der Kammern ermöglicht bereits die Vollmitgliedschaft der PiA (Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein). Zwei Kammern ermöglichen zumindest die freiwillige Mitgliedschaft, jedoch ohne Wahlrecht (Berlin und Saarland). Nur drei Kammern erlauben keine Mitgliedschaft (Bayern, Ostdeutschland und NRW).

Durch das „Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz“ (PsychThGAusbRefG) wurde der neue Beruf des/der Psychotherapeut*in geschaffen. Dieser löst die beiden bisherigen Berufsgruppen des/der psychologischen Psychotherapeut*in und des/der Kinder- und Jugendpsychotherapeut*in ab. Gleichzeitig wurde die bisherige Ausbildung zum/zur psychologischen Psychotherapeut*in und zum/zur Kinder- und Jugendpsychotherapeut*in durch die Weiterbildung zum/zur Psychotherapeut*in abgelöst. Die dadurch neu entstehenden Psychotherapeut*innen in Weiterbildung (PiW) sollen dann bis spätestens 2035 die bisherige PiA ablösen. Bedingt dadurch, dass die PiW ihre Approbation, in Folge des PsychThGAusbRefG  bereits im Anschluss an ihr Studium erhalten werden und dadurch bereits Mitglieder der Kammern sein werden, ergibt sich die merkwürdige Situation, das der psychotherapeutische Nachwuchs künftig teilweise im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung vertreten sein wird und teilweise ohne jegliche stimmberechtigte Vertretung ist.

Es ist daher notwendig, dass auch in NRW den PiA die Möglichkeit einer Vollmitgliedschaft ermöglicht wird.

Bezüglich der Art der Mitgliedschaft sprechen wir uns für die kostenfreie Pflichtmitgliedschaft wie in Hessen und Niedersachsen aus. Zum einen kostenlose Mitgliedschaft, da es die prekäre finanzielle Situation der PiA nicht anders zulässt. Zum anderen eine Pflichtmitgliedschaft, da nur so die Repräsentation der Gesamtheit der PiA möglich ist.

Wir fordern daher, dass sich die SPD in Nordrhein-Westfalen dafür einsetzt, dass bei der Reform des Heilberufsgesetzes (HeilBerG) in Nordrhein-Westfalen die Psychotherapeut*innen in Ausbildung (PiA) als kostenfreie Pflichtmitglieder in die zukünftige Psychotherapeutenkammer NRW aufzunehmen sind.

C3 Ist Homeoffice die Zukunft?

26.10.2022

Im Zuge der Corona-Pandemie kam es, zumindest zwischenzeitlich, zu einer enormen Ausweitung des sog. „Homeoffice“. Nun wurde – wie schon im Koalitionsvertrag angekündigt – ein Homeoffice-Gesetz für Herbst dieses Jahres angekündigt. Diesen Gesetzesentwurf begrüßen wir, müssen ihn aber auch als Jusos kritisch begleiten.

Umfragen zeigen, dass immer mehr Menschen im Homeoffice arbeiten wollen. Gleichzeitig ist uns auch aus historisch-sozialdemokratischer Sicht wichtig, dass die Arbeit Zuhause nicht die Norm wird. Es war und ist eine Errungenschaft der Sozialdemokratie Anfang des 20. Jahrhunderts, dass viele Heimarbeiter*innen nicht mehr von zuhause arbeiten mussten, sondern klar geregelte Arbeitsstrukturen erhielten, bei denen der Arbeiternehmer*innenschutz deutlich ausgeweitet werden konnte. Eine gesetzliche Regelung muss also der Herausforderung gerecht werden, einen mindestens genauso hohen Arbeitnehmer*innenschutz zu garantieren. Insbesondere darf eine Ausweitung des Homeoffices nicht zu einer vertieften Flexibilisierung der Arbeitszeiten führen.

1. Recht auf Homeoffice

Es kann durchaus begrüßenswert sein, dass Arbeitnehmer*innen ein Recht auf Prüfung ihres Wunsches auf vollständiges oder teilweises Homeoffice erhalten. Ausgestaltet sollte dieses Recht durch eine Beweislastumkehr werden. Die*der Arbeitgeber*in muss also begründen, warum er*sie dem Wunsche der*des Arbeitnehmer*in nicht nachkommt. Orientation hierfür könnte die Regelung in den Niederlanden sein.

Gleichzeitig darf ein „Recht auf Homeoffice“ nicht in eine „Pflicht auf Homeoffice“ umgewandelt werden. Der*die Arbeitgeber*in darf nicht die Möglichkeit erhalten, Kosten durch die Nicht-Bereitstellung eines Präsenzarbeitsplatzes sparen zu können. Auch bei einem „Recht auf Homeoffice“ muss weiterhin der Mehrwert von sozialer Interaktion und menschlicher Zusammenarbeit für die Produktivität, kreative Prozesse, Absprachen und das psychische Wohlergehen der Arbeitnehmer*innen geschätzt und gefördert werden. Zur Vorbeugung eines möglichen Drucks seitens der*des Arbeitgeber*in soll es im Gegenzug zum Recht auf Homeoffice auch ein Recht zum „Nicht-Homeoffice“ geben, also darauf, 100% der Zeit präsenzmäßig zu arbeiten. Dieses Recht muss auch gesetzlich festgeschrieben werden.

Auch soll eine Kinderbetreuung an allen Betrieben mit mindestens 1.000 Angestellten vorhanden sein, sodass aus der Möglichkeit des Homeoffices insbesondere keine Pflicht für Eltern von kleinen Kindern wird. Auch sollte das Recht auf Homeoffice nur ab einem Richtwert von 500 Angestellten pflichtmäßig zugesprochen werden.

2. Arbeitszeit

Die Etablierung von Homeoffice darf nicht dazu führen, dass der Arbeitsschutz zu kurz kommt. Ganz im Gegenteil muss insbesondere die Einhaltung der Arbeitszeit auch im Homeoffice absolut gewährleistet sein. Hierfür muss auf eine digitale Zeiterfassung der Arbeitszeit zurückgegriffen werden. Bei der Zeiterfassung muss der Datenschutz der Arbeitnehmer*innen jedoch geachtet werden – sie darf nicht durch eine ständige Überwachung des Gesichts oder der Computeraktivität geschehen. Eine genaue Erfassung ist insbesondere im Homeoffice wichtig, um auch hier effektiven Arbeitnehmer*innenschutz zu sichern. Eine Erhöhung der Arbeitszeit auf über 8 Stunden pro Tag darf es nicht geben.

Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass begleitende Schutzmaßnahmen zur Einhaltung der Arbeitszeit, wie etwa die Einhaltung von Ruhezeiten, nicht umgangen werden können. Zu oft wird unter dem vermeintlichen „Flexibilierungsversprechen“ versucht, die Arbeitszeiten immer weiter aufzuweichen. Es darf nicht die Normalität sein, dass Arbeitnehmer*innen um 22 Uhr noch Mails für die Arbeit schreiben. Deshalb bedarf es einer Nichterreichbarkeitsklausel, nach der Arbeitgeber*innen ihre Arbeitnehmer*innen nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters, in das die Arbeitszeit fällt, kontaktieren dürfen. Außerdem müssen dem Betriebsrat Übertretungen der Arbeitszeit angezeigt werden, damit dieser sich für die Belange der Arbeitnehmer*innen einsetzen kann.

3. Kosten für die Ausstattung des Arbeitsplatzes

Mit dem Homeoffice gehen auch erhöhte Mehrkosten für die Ausstattung des Arbeitsplatzes einher, die die Arbeitnehmer*innen haben, um auch tatsächlich aus dem Homeoffice arbeiten zu können. Diese Kosten müssen – wie auch die technische Ausstattung am Arbeitsplatz im Unternehmen – vollumfänglich vom*von der Arbeitgeber*in getragen werden. Das umfasst auch eine Pauschale für Kosten, die auf die Arbeitnehmer*innen aufgrund erhöhter Stromrechnungen und schnellerer Internetverbindungen zukommt. Die öffentliche Hand muss bei der Einführung eines Rechts auf Homeoffice auch den Ausbau sicherer und schneller Internetverbindungen bis auf das Land fördern – und zwar bis an jede Milchkanne.

Neben einer hinreichenden Ausstattung müssen auch genügend technische Fortbildungsangebote geschaffen werden, damit auch Menschen, die nicht technisch versiert sind, mit dem technischen Equipment umgehen können. Es kann nicht einfach vorausgesetzt werden, dass alle Menschen die technischen Kenntnisse haben, um vom Homeoffice aus problemfrei zu arbeiten. Es darf kein Diskriminierungsfaktor sein, dass Menschen, die das technische Know-How haben, Homeofficemöglichkeiten einfacher wahrnehmen können. Die Fortbildungen finden selbstverständlich während der Arbeitszeit statt.

4. Datenschutz

Die Arbeitgeber*innen müssen auch sicherstellen, dass die Daten der Arbeitnehmer*innen hinreichend geschützt werden. Dabei gelten die höchsten europäischen Datenschutzmaßstäbe. Die Arbeitgeber*innen müssen dabei insgesamt sicherstellen, dass die genutzten Softwares nicht auf Servern außerhalb der EU gespeichert werden, sofern in diesem Land nicht die gleichen Datenschutzstandards gelten. Auch dürfen Wohnadressen und weitere persönliche nicht an Außenstehende weitergegeben werden. Für Präsenztreffen mit Außenstehenden muss ausreichend Platz in den Unternehmen selbst geschaffen werden. Technisches Equipment, dass die*der Arbeitgeber*in zur Verfügung stellt, darf keine Standortfunktion haben, durch die der Standort der*des Arbeitnehmer*in der*dem Arbeitgeber*in angezeigt werden kann. Zugriff auf sensible Daten muss über ein gesichertes Identifikationsverfahren hergestellt werden.

5. Betriebsräte

Betriebsräte sind ein essentieller Bestandteil der Organisation der Arbeitnehmer*innen. Diese wichtige Arbeit darf nicht für Betriebe im Homeoffice ausfallen. Die Organisation in Betriebsräte funktioniert zu einem großen Teil v.a. durch persönliches Kennenlernen und Vernetzung. Dies ist im digitalen Raum deutlich erschwert. Daher müssen genügend Räumlichkeiten und Räume geschaffen werden, in denen sich die Mitarbeiter*innen treffen können.

Gleichzeitig muss mindestens einmal im Jahr ein Präsenztreffen aller Mitarbeiter*innen stattfinden. In dieser Zeit darf keine Arbeit anfallen. Vielmehr soll dies als ausdrückliches Vernetzungstreffen einen festen Bestandteil im Terminkalender aller Arbeitnehmer*innen haben. Auf diesen Treffen sollen strategische Ausrichtungen entschieden und ein Vorstand gewählt werden.

Zudem muss auch ein digitaler Raum geschaffen werden, in dem sich die Mitarbeiter*innen vernetzen können. Auf diesen digitalen Raum dürfen die Arbeitgeber*innen auf keinen Fall Zugriff haben, noch dürfen sie Informationen über die besprochenen Themen erhalten.

6. Versicherung

Die arbeitsrechtliche Versicherung muss anhand der digitalen Arbeitszeiterfassung gemessen werden. Somit kann der Nachweis für die Versicherungsleistung gewährleistet sein. Gesetzlich muss es zu der Beweislastumkehr kommen, dass die*der Arbeitnehmer*in den Schaden nicht während der Arbeitszeit erlitten hat. Insbesondere Tätigkeiten, die auch am Arbeitsplatz stattfinden würden, müssen einen gleichwertigen Versicherungsschutz wie beim Präsenzarbeiten haben.

7. Psychische Folgen

Für uns Jungsozialist*innen ist klar: Arbeit ist eines der sinnstiftenden Elemente des menschlichen Lebens. Dieses sinnstiftende Element setzt jedoch voraus, dass bei der Verrichtung auch der elementare menschliche Austausch gewährleistet wird. Insbesondere bei Arbeitsformen, die ohne großen menschlichen Kontakt (wie z.B. Sachbearbeiter*innentätigkeiten) auskommen können, muss die*der Arbeitgeber*in Kosten für die Ermöglichung sozialer Kontakte tragen. So müssen Vereinsmitgliedschaften anteilig mitgetragen werden oder im Unternehmen selbst genügend soziale Aktivitäten bereitgestellt werden.

Auch bedarf es mehr Beratungsstellen für Menschen, die an den sozialen Folgen von einer vermehrten Isolation leiden.

8. Steuerliche Geltendmachung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes

Aktuell kann ein Arbeitszimmer im Homeoffice steuerlich mit bis zu 1.250€ jährlich geltend gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein separates Arbeitszimmer, welches nicht als Wohn- oder Schlafzimmer genutzt wird. Damit die Arbeit im Homeoffice besonders für Geringverdiener*innen und junge Familien gefördert wird, muss auch ein Arbeitsplatz in einem Wohn- und Schlafzimmer steuerlich anrechenbar werden.

B4 Gegen Rassismus - weder auf dem Pausenhof noch in der Lehrkräfteausbildung!

26.10.2022

Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, spielen Ungleichheitsstrukturen eine Rolle. Die Schule ist eine wichtige gesellschaftliche Institution für Kinder und Jugendliche. Hierbei trägt die Schule einen erheblichen Anteil für die Identitätsentwicklung von Schüler*innen bei und fördert die Bildung durch die Vermittlung von Fachwissen. Dennoch werden Menschen, die nicht den klassisch-konservativen Verhaltens und Rollenzuweisungen entsprechen diskriminiert. Kinder und Jugendliche mit einer Zuwanderungsgeschichte sind besonders betroffen von Diskriminierung und Rassismus. Trotz gleicher Leistung bekommen Schüler*innen of Color schlechtere Noten. Für die Lehrer*innen erfordert dies jedoch ein hohes Maß an Wissen über soziale Ungleichheit und Selbstreflexion, sodass diese häufig nicht genügend sensibilisiert wurden für den Umgang mit den Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung.

Institutionellen Rassismus überwinden

Institutioneller Rassismus ist in den Strukturen öffentlicher und privater Institutionen verankert. Dieser hat sich durch historische und gesellschaftliche Macht- und Gewaltverhältnisse entwickelt und institutionalisiert. Unabhängig davon, wie die Akteur*innen der Institutionen handeln oder nicht, diese Institutionen beeinflussen die Sicht- und Denkweisen der Individuen. Deutlich wird dies bei der Polizei und dem Bildungssystem. So werden schwarze Menschen und Menschen of Color ständig von der Polizei kontrolliert, ob sie eventuell illegale Migrant*innen sein könnten. Die Black-lives-Matter-Bewegung hat hierbei verdeutlicht, dass BIPOCs häufiger Opfer von Polizeigewalt sind.

Rassismus an Schulen und Hochschulen

Wie auch in der deutschen Gesellschaft, sitzt Rassismus tief im System. Kindern und Jugendlichen mit einem „Migrationshintergrund“ wird vermehrt der Besuch einer Real- oder Hauptschule empfohlen, sie werden häufiger in ihrer Leistung unterschätzt und mit rassistischen Wörtern beleidigt. Darüber hinaus wird zum Beispiel der Ursprung von dem Fehlverhalten eines Kindes in der ethnischen und kulturellen Zugehörigkeit gesucht.

Auch in Schulbüchern finden sich rassistische Perspektiven wieder. Rassistische Sprache, rassistische Wörter wie das N-Wort werden ausformuliert und genutzt, ohne dass eine geschichtliche oder soziale Kontextualisierung stattfindet. Schwarze Kinder und Kinder of Color werden oft im Kontext von Armut und Kriminalität dargestellt, während „weiße“ Kinder vielmehr die Normalität visualisieren. Dem IDA zufolge orientieren sich Schulen sogar an Normalitätsvorstellungen, die nicht der Realität entsprechen. Hierzu gehören Indikatoren wie die „weiße“ Hautfarbe, Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche oder die Annahme einer körperlichen und psychischen Gesundheit.

Oft fehlt Lehrer*innen das Wissen, um historische Einordnungen rassistischer Sprache im Allgemeinen leisten zu können. Es gibt an den Hochschulen kaum oder keine Lehrangebote für angehende Lehrer*innen, die sich schwerpunktmäßig mit diesen Themen beschäftigen. Die Bekämpfung von Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und weiteren Diskriminierungsformen muss in Bildungsprozessen und der Lehrkräfteausbildung mehr in den Vordergrund gerückt werden. Auch in der Wissenschaft wird das Wissen zwar als neutral präsentiert, zu oft werden jedoch nicht-weiße Perspektiven nicht beachtet.

Eine intensive Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung könnte der erste Schritt zu einer wirklich wertschätzenden Umgebung für alle Schüler*innen sein. Hierfür müssen wir uns selbst und unser System rassismuskritisch hinterfragen!

Gegen Rassismus gemeinsam angehen!

Hierbei ist es das wichtigste darüber zu sprechen, dass Rassismus existiert und dies zum Unterrichtsthema zu machen. Zudem müssen Lehrmaterialien rassismuskritisch hinterfragt werden und gegebenenfalls ersetzt werden. Die deutsche Kolonialgeschichte sollte im Geschichtsunterricht thematisiert werden, anstatt diese mit einem Nebensatz abzuwinken. Lehrer*innen sollten darüber hinaus sensibilisiert wer den und angemessen auf diskriminierendes Verhalten von Mitschüler*innen und anderen Lehrer*innen reagieren. Rassismuskritische Pflichtlektüren und kritische Auseinandersetzung mit eurozentrischen Perspektiven sind zwei von vielen Möglichkeiten.

Es müssen Lehrveranstaltungen zur Sensibilisierung für Diversity in allen Lehramtsstudiengängen integriert sein. Zudem müssen Lehrer*innen ein Umfeld schaffen, in dem sich alle Schüler*innen sicher und verstanden fühlen.

Deswegen fordern wir von Bund und Land:

  • Eine rassismuskritische Auseinandersetzung mit den Lehrmaterialien
  • Praxismethoden für eine nicht-diskriminierende Unterrichtsgestaltung
  • an den Hochschulen ein diverses Angebot von Lehrveranstaltungen zu schaffen, das Lehramts-Studierende für Rassismus und weitere Formen von Diskriminierung sensibilisiert
  • Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte in dem Geschichtsunterricht
  • Die deutsche Kolonialgeschichte in der Lehramtsausbildung kritisch hinterfragen
  • Ein verpflichtendes Seminar zum Thema Awareness, sowie ein verpflichtendes Seminar, das einen rassismuskritischen Schwerpunkt beinhaltet, in der Lehramtsausbildung, sowie eine Fortbildungsmöglichkeit für alle Lehrkräfte, die bereits im Schuldienst sind.

LA1 Für ein starkes und freiheitliches Versammlungsfreiheitsgesetz – Schwarz-gelbes Versammlungsgesetz ablehnen

28.02.2021

Die SPD-Landtagsfraktion wird aufgefordert, den aktuell vorliegenden Entwurf der Landesregierung zur Einführung eines Versammlungsgesetzes aus den im Folgenden genannten Gründen abzulehnen.

Die SPD-Landtagsfraktion wird aufgefordert, sich in etwaigen Verhandlungen mit den demokratischen und progressiven Fraktionen im Landtag für ein freiheitliches, verfassungskonformes Versammlungsgesetz einzusetzen, welches die Versammlungsfreiheit vollumfänglich schützt und bewahrt. Mit dem vorgelegten Entwurf unserer Fraktion von November 2020 wurde gezeigt, dass das auch möglich sein kann. In dem Verhandlungsprozess mit der Landesregierung wird die SPD-Landtagsfraktion daher beauftragt, Kompromisse, die die Versammlungsfreiheit einschränken, abzulehnen. Die folgenden genannten Absätze zeigen auf, welche Punkte für uns nicht verhandelbar sind.

Sollte ein verfassungswidriges Gesetz, das offensichtlich im Konflikt mit dem Grundgesetz bzw. der Landesverfassung steht, beschlossen werden, wird die SPD-Landtagsfraktion beauftragt, vor dem Verfassungsgericht NRW zu klagen.

Notwendigkeit für ein gutes Versammlungsfreiheitsgesetz

Unter der Begründung, die Zivilgesellschaft vor rechten Versammlungen zu schützen, hat sich die Mitte-Rechts Regierung in NRW dazu entschieden, alle verbleibenden Spielräume zu nutzen, das Recht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken. Dabei gibt sie vor, sich am liberalen Musterentwurf des Arbeitskreises Versammlungsrecht zu orientieren[1], verkehrt dessen liberale Stoßrichtung aber teilweise ins Gegenteil. Der Entwurf wird vielmehr die progressive, linke und klimaaktivistische Zivilgesellschaft in ihrer verfassungsrechtlich garantierten Versammlungsfreiheit weitreichend einschränken. Die SPD als Partei, die sich für Bürger*innenrechte einsetzt, muss nun alles mit der Zivilgesellschaft Nötige tun, damit das Gesetz der Mitte-Rechts-Regierung in der Form nicht verabschiedet wird. Ebenfalls ist die Fraktion angehalten, bei etwaigen Verhandlungen mit der Landesregierung keine faulen Kompromisse einzugehen, die in ihrer tatsächlichen Wirkung den Vorstellungen der Mitte-Rechts-Regierung entspricht, so wie es damals ebenfalls mit dem Polizeigesetz NRW geschehen ist.

Störungsverbot

In dem Entwurf ist neben dem schon bekannten Störungsverbotes weitere – nicht abschließende – Fallgruppen vorgesehen, § 7 VersGeEinfG NRW. Verboten sind schon einfache „Störungen“, während der Musterentwurf und der SPD-Entwurf nur Störungen mit dem Ziel verbieten, die Durchführung der Versammlung erheblich zu behindern oder zu vereiteln. Dies gibt der Polizei weitreichende Befugnisse bei der Feststellung, welches Verhalten einer*s Teilnehmer*in nun als Störung zu qualifizieren ist und welches nicht. Rein nach dem Wortlaut könnten auch schon friedliche Blockaden oder Lärm unter dem Begriff Störungen subsumiert werden. Dies birgt die Gefahr, dass Bürger*innen, die sich zum Beispiel bei Gegendemonstrationen gegen rechte Gruppierungen beteiligen, nicht sicher sein können, in welcher Art und Weise sie sich innerhalb der Versammlung verhalten dürfen.

Weiterhin sollen § 7 Abs. 2 Nr. 2 VersGeEinfG NRW auch friedliche Blockadetrainings verboten werden. Dies ist ausweislich der Gesetzesbegründung eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster, welches in Blockadetrainings wie auch in friedlichen Blockaden keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sieht. Somit wird von der Mitte-Rechts-Koalition verkannt, dass friedliche Blockaden und ihre Vorbereitung ebenfalls unter den Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Versammlungsfreiheit fallen.

Wenn Gegendemonstrant*innen durch ihre bloße Präsenz auf friedliche Weise verhindern wollen, dass rechtsextreme Demonstrationen an bestimmten Orten durchgeführt werden und dort ihr Gedankengut verbreiten, dann ist dies im Interesse einer offenen kommunikativen Auseinandersetzung als Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzunehmen. Soweit Beeinträchtigungen von einer Gegendemonstration ausgehen, stehen einander gleichgewichtige Grundrechtspositionen gegenüber. Diese Kollision von Grundrechten kann nicht einseitig zu Gunsten des Erstanmelders einer Versammlung aufgelöst werden.[2]

Die Mitte-Rechts-Regierung weitet die Strafbarkeit auf grobe Störungen aus. Unterhalb der Schwelle der Gewaltandrohung sind grobe Störungen jedoch kein Kriminalunrecht, das – theoretisch – die Verhängung einer Freiheitsstrafe rechtfertigen kann.

Erschwerung der Anmeldung und Offenlegung von persönlichen Daten

Ebenfalls ist in dem Entwurf der Mitte-Rechts Regierung vorgesehen, dass bei der Annahme einer Gefahr die Namen und Adressen der Ordner*innen offenzulegen sind. Dadurch wird in die Ausführung der Versammlung eingegriffen und vermutlich im Einzelfall in einem Umfang, dass die eigentliche Versammlung aus Schutz der eigenen Daten letztendlich nicht stattfinden kann.

Ebenfalls ist nach § 4 VersGeEinfG NRW vorgesehen, den Namen des Veranstalters oder der Veranstalterin bei Einladungen zur Versammlung anzugeben sind. Das hat besonders schwerwiegende Konsequenzen für progressive Gruppen und für die Zivilgesellschaft, die Versammlungen gegen neo-faschistische und rechtsradikale Umtriebe und Versammlungen durchführen. Sie werden der Gefahr ausgesetzt, Opfer von Gewalt, Hass oder Hetze zu werden.

Kooperationsgebot

Das Kooperationsgebot ist das Herzstück der „Brokdorf-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts, in der es die Verwaltung in die Pflicht nimmt, sich nicht über die sich versammelnden Bürger*innen zu stellen, sondern ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Die Zusammenarbeit von Versammlungsbehörde und Versammlung kann die Gewähr dafür bieten, dass keine unnötigen Beschränkungen erlassen und aufwendige Gerichtsprozesse vermieden werden.

Die Landesregierung ist aber daran zu erinnern, dass die Kooperation, wie sie sich das Bundesverfassungsgericht vorgestellt hat, zunächst vor allem Aufgabe der Behörde ist. Sie muss auf die Bürger*innen zukommen und Wege suchen, beschränkende Verfügungen zu vermeiden.

Der Gesetzgeber sollte vor allem Sorge dafür tragen, dass die Kooperationswilligkeit auf Seiten der Versammlungsbehörden auch tatsächlich besteht und es nicht die Bürger*innen sind, die in die „Kooperationsunwilligkeit“ gedrängt werden.

Unbestimmte Rechtsbegriffe und Militanzverbot

Gesetzliche Grundlagen für staatliches Eingreifen müssen bestimmt oder bestimmbar sein. Anstatt das in dem Entwurf zu verwirklichen, finden sich dennoch viel zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe, besonders im Rahmen des Militanzverbotes nach § 18 VersGeEinfG NRW.

Demnach ist es verboten an Versammlungen teilzunehmen, wenn das äußere Erscheinungsbild durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken, durch ein paramilitärisches Auftreten oder in vergleichbarer Weise Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt. Was nun ein „Auftreten in vergleichbarer Weise“ ist und welches Erscheinungsbild „einschüchternd wirkt“, ist nicht bestimmt oder bestimmbar. Richtigerweise sollte dieser Tatbestand enger gefasst werden und sich vor allem auf das Verbot von paramilitärischen Formationen beschränken. Bereits jetzt sind rechte Symbole und Uniformierung verboten, dieses Verbot muss allerdings konsequenter durchgesetzt werden. Unbestimmte Begriffe wie ein allgemeines Militanzverbot haben lediglich zur Folge, dass die Versammlungsfreiheit aller eingeschränkt wird.

Keineswegs hinnehmbar ist die Tatsache, dass ein Verstoß gegen diese Regelung nach dem Entwurf der Mitte-Rechts-Regierung unter Strafe gestellt wird. Der Verstoß gegen ein bloßes Bekleidungsverbot ist kein strafbares Unrecht, dessen Verwirklichung theoretisch auch die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach sich ziehen darf.

Übersichtsaufnahmen

Der Entwurf sieht in § 16 VersGEinfG NRW ebenfalls eine umfassende Übersichtsaufnahme vor, wenn es im Einzelfall aufgrund der Unübersichtlichkeit erforderlich ist. Dies kann regelmäßig schon bei mehr als 100 Teilnehmer*innen angenommen werden.[3] Auch wenn die Rechtsprechung in der Vergangenheit Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen und generell das Filmen von Versammlungen gebilligt hat, ist die Landesregierung zu fragen, warum sie diese Praxis um jeden Preis aufrechterhalten will. Denn diese Sichtweise verkennt, dass Bürger*innen das Recht haben, anonym an Versammlungen teilzunehmen und grundsätzlich auch nicht mit Aufnahmen rechnen müssen. Weiterhin werden durch die etwaige Speicherung von Videoaufnahmen Datenschutz und Anonymität gefährdet. Alleine das Wissen um Aufnahmen oder die Sichtbarkeit von Kameras kann geeignet sein, Menschen von der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abzuschrecken, weil sie – ob berechtigt oder unberechtigt – negative Folgen für sich befürchten, wenn ihre Teilnahme an der Versammlung filmisch festgehalten wird.

Strafbarkeit

Wie oben bereits anhand einiger Beispiele gezeigt, sieht der Entwurf der Landesregierung einen weitreichenden Strafkatalog vor, der das Unternehmen der politischen Beteiligung unter die Gefahr der Kriminalisierung stellt und von der Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abschrecken kann Es ist eine Sache, Verstöße mit Mitteln der Gefahrenabwehr zu begegnen und z.B. verbotene Versammlungen aufzulösen. Strafrecht ist aber das allerletzte Mittel, das der Staat nur bei besonders schwerwiegendem Unrecht (Kriminalunrecht) anwenden darf.

Fazit

Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzesentwurf verfolgt das Ziel, die rechtsstaatlich garantierte Versammlungsfreiheit massiv einzuschränken. Es ist abzulehnen, dass unter dem Deckmantel rechtspopulistische und rechtsextreme Versammlungen unterbinden zu wollen, besonders der linken und klimaaktivistischen Zivilgesellschaft die Durchführung von Versammlungen erschwert wird. Ebenso ist die Gleichsetzung jener abzulehnen!

Die SPD-Landtagsfraktion hat vor der Landesregierung ein Entwurf vorgelegt. Im Verhandlungsprozess darf die Fraktion daher nicht erneut den gleichen Fehler wie beim Polizeigesetz begehen, den Entwurf der Landesregierung zwar zu verbessern und gleichzeitig aber fragwürdige Kompromisse einzugehen.

Die SPD muss die Partei sein, die sich für Bürger*innenrechte einsetzt und diese schützt. Daher muss sie enger Arbeit mit der Zivilgesellschaft und Bündnissen zusammen den Entwurf der Mitte-Rechts Regierung NRW kritisch begleiten, auch über die genannten Gründe hinaus, und darf keine schlechten Kompromisse eingehen!

[1] AK Versammlungsrecht, Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes. Vorgelegt von Christoph Enders, Wolfgang Hoffmann-Riem, Ralf Poscher, Michael Kniesel und Helmuth Schulze-Fielitz, https://www.law-school.de/fileadmin/content/law-school.de/de/units/unit_affil_riem/pdf/32_Arbeitskreis_Versammlungsrecht_MEVersG.pdf, abgerufen am 19.02.2021

[2] Vgl aaO.

[3] https://www.prigge-recht.de/nrw-landesregierung-will-versammlungsfreiheit-massiv-beschraenken/