Ä1 zum W2

Beantragt wird die komplette Ablehnung des Antrages.

Begründung:

Die Gründe für die Probleme in der Materiallage der Bundeswehr sind einerseits vielfältiger als in der Begründung des Antrages, andererseits ist die daraus gezogene Konsequenz kein praktikabler Lösungsansatz. Denn unabhängig von der Begründung lassen sich die politischen, wirtschaftlichen und juristischen Problemfelder aber wie folgt anreißen:

Die Errichtung eines nationalen Rüstungskonzerns zur zentralisierten nationalen Beschaffung ist europapolitisch mit Hinblick auf eine Europäische Armee ein kontraproduktiver Schritt. Kein europäisches Land wird zustimmen, ausschließlich Rüstungsgüter aus deutscher Produktion zu beschaffen.

Betriebswirtschaftlich ergeben sich hauptsächlich folgende Probleme:

  1. Zur Vergesellschaftung bzw. Verstaatlichung ist der Erwerb von Gesellschaftsanteilen von mindestens 50+x %, gegebenenfalls aber auch (je nach Art der später beabsichtigten Maßnahmen) bis zu dem Punkt notwendig, an dem die Anteile des nächstgrößeren Gesellschafters die Sperrminorität unterschritten wird. Abgesehen von dem zu erwartenden Widerstand der Gesellschafter ist dazu ein erheblicher finanzieller Aufwand notwendig, der in der Höhe im voraus nicht zu beziffern und dessen Wirtschaflichkeit überaus fraglich ist.
  2. Der Umfang der Verstaatlichung wäre immens. Kaum ein produzierendes Unternehmen produziert sämtliche Bauteile selbst oder in abhängigen Unternehmen, sondern ist auf selbständige Zulieferer aus In- und Ausland angewiesen. Selbst wenn alle Zulieferer nur Bauteile für Rüstungsgüter produzieren würden, müsste jedes Unternehmen entlang der Produktionskette übernommen werden. In der Realität produzieren Zulieferer allerdings diverse Bauteile für sowohl zivile als auch militärische Endprodukte.
  3. Abgesehen von reinen Rüstungsunternehmen (z.B. Heckler&Koch) sind viele Produzenten von Rüstungsgütern auch (oder teilw. hauptsächlich) auf zivilen Märkten vertreten, so z.B KMW, MAN, Daimler, Haix, Lowa. Weiterhin gibt es diverse Unternehmen, die (Aus-)Rüstungsprodukte herstellen, aber nicht die Bundeswehr beliefern (insb. auch im Bereich persönlicher Ausstattung). Eine Abspaltung der entsprechenden Geschäftsbereiche wird auch schon aufgrund personeller und örtlicher Gegebenheiten von Produktion und Verwaltung nicht oder nur mit einem zusätzlich enormen finanziellen Aufwand möglich sein.
  4. Die Bundeswehr benötigt eine breite Produktpalette an Waren, in der zwar prominent Waffen, Munition und Großgerät vertreten sind, aber auch Möbel, Verbrauchsmaterial für Innendienst (Büromaterial etc.) und Außendienst (Klebeband, Schnur, Leuchtmittel etc.) vertreten sind. In Größe und Komplexität würde dieser Konzern die Deutsche Bahn, Post und Telekom übertreffen und die aus diesen Unternehmen bekannten Probleme mit sich bringen.

Deutlich schwerwirkender wirken sich die rechtlichen Probleme auf nationaler und europäischer Ebene aus:

  1. Die Begründung der Enteignung nach § 14 III GG für das Allgemeinwohl dürfte auch unter den bereits o.g. Aspekten überaus fraglich sein. Letztendlich müsste jegliche Enteignung als individuelle Sache betrachtet und begründet werden, neben der nicht abzusehenden Entschädigungshöhe ist bei dem zu erwartenden Widerstand der betroffenen Unternehmen jahrzehntelange Prozesse mit ungewissem Ausgang zu erwarten.
  2. Eine Vergesellschaftung nach § 15 GG wurde in der Praxis noch nie angewendet. Aber auch hier wird sich die Problematik der angemessenen Entschädigungszahlungen niederschlagen.
  3. Neben dem Eingriff in das Eigentumsrecht ist möglicherweise auch ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 I+II GG) ein verfassungsrechtliches Hindernis.
  4. Spätestens auf europäischer Ebene werden sich aus vergaberechtlicher und wettbewerbs- bzw. kartellrechtlicher Sicht unüberwindliche Hürden ergeben.
    1. Die Einrichtung eines staatlichen Konzerns nach diesem Konzept verstößt gegen § 1 i.V.m. § 18 GWB, eine Freistellung gem. § 2 GWB ist wg. § 2 I Nr. 2 GWB und § 2 II GWB nicht zu erwarten.
      Auf europarechtlicher Ebene liegt ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV vor, der insb. auch nicht durch Art. 101 III b AEUV aufgehoben wird. Bei staatlicher Abnahme der Rüstungsgüter zu Herstellkosten dürfte auch Art. 102 AEUV in den Fällen a) bis c) erfüllt werden. Nach Art. 108 AEUV wäre dieser Konzern und auch nachgeordnete Unternehmen nicht von diesern Bestimmungen ausgenommen.
    2. Die ausschließlich zulässige Beschaffung militärischer Güter vom nationalen Rüstungskonzern in enormem Umfang ohne Ausschreibung und Vergabeverfahren ist unzulässig. Eine eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung gem. Art 34. AEUV i.S. einer Maßnahme gleicher Wirkung ist zu erwarten.
    3. Die staatliche Abnahme zum Herstellungspreis, der einen marktunüblichen Preis darstellt, könnte möglicherweise eine indirekte Beihilfe darstellen und gem. Art. 107 AEUV unzulässig sein.

Unabhängig davon sind hingegen strengere Exportbestimmungen für Rüstungsgüter aus moralischer, sicherheitspolitischer und militärstrategischer Sicht unbedingt erforderlich und zu unterstützen.