F4 "If it isn’t intersectional, it isn’t feminism" - Gegen antimuslimischen Rassismus im Feminismus

Status:
Mit Änderungen angenommen

Antimuslimischer Rassismus ist in unserer Gesellschaft sehr präsent. Nicht nur für muslimische Menschen, auch für die, die als muslimisch gelesen werden.

Er funktioniert durch eine grundlegende Abgrenzung: Die einen, die vermeintlich der Mehrheitsgesellschaft angehören, und die anderen. Dieses Othering meint „Strategien und Rhetoriken, die allesamt dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf Prozesse der Rassifizierung, also der Konstruktion als ‚Andere‘, aufbauen“ (Ozan Zakariya Keskinkilic). Aufgrund des Aussehens, des Namens und/oder der zugeschriebenen Herkunft werden Menschen als muslimisch eingeordnet und kollektiv mit Zuschreibungen versehen. Im Zuge der Abgrenzung bzw. des Othering entsteht so ein Rassismus ohne Rassen (Étienne Balibar), bei dem nicht die Biologie, sondern die Kultur als zentrale Differenz gesehen wird. Eine Kultur, die scheinbar integrationsunwillig, gewalttätig, aber auch sexistisch und frauenfeindlich geprägt ist. Insbesondere der Sexismus wird in diesem Narrativ als Wesenszug des Islam erklärt. So entsteht im antimuslimischen Rassismus ein klares Bild, das die einen zugleich auf- und die anderen abwertet. Auf der einen Seite steht der aufgeklärte, tolerante und fortschrittliche Westen und ihm gegenüber der Islam als rückständig, frauenfeindlich, irrational.

Auch im Feminismus existiert antimuslimischer Rassismus. Zu oft prägen (weiße) Feminist*innen das Narrativ des „muslimischen Mannes“, der rückständig und frauenverachtend ist. Oft wird der „muslimische Mann“ als Macho und Bedrohung für Frauen in westlichen Ländern dargestellt. Auf der anderen Seite sind die muslimischen Frauen, die unterdrückt werden und nicht emanzipiert sind. Feminist*innen sehen sich oft als white saviors für muslimische Frauen. Als Symbol der Unterdrückung gilt das „Kopftuch“ und wird somit zur Projektionsfläche für antimuslimischen Rassismus im Feminismus.

Besonders bei Feminist*innen der sogenannten Zweiten Welle (Frauenbewegung der 60er und 70er Jahre) ist antimuslimischer Rassismus verbreitet. Als wohl bekanntestes Beispiel gilt Alice Schwarzer. Immer wieder hetzt sie gegen das „Kopftuch“ und bezeichnet es „als Flagge des militanten Islamismus“. Frauen, die einen Hijab tragen, sind für Schwarzer per se unterdrückt. Weiter thematisiert sie immer wieder die Gefahr für Frauen in Deutschland durch muslimische Männer. Die Täter der Silvesternacht 2015 nannte sie „fanatisierte Anhänger des Scharia-Islam“, die den deutschen Staat gedemütigt hätten.

Auch wenn sich im materiellen Feminismus schon einiges bewegt hat, findet sich auch dort verbreitet antimuslimischer Rassismus. Die starke Fokussierung auf das Subjekt „Frau“ führt teilweise zu einer Ablehnung des Intersektionalen Feminismus und so werden oft queerfeministisch und/oder antirassistische Perspektiven vernachlässigt. Antimuslimischer Rassismus im Feminismus tritt oft auf durch Paternalismus gegenüber muslimisch markierten FINTA. Wie z.B. Koschka Linkerhand, Vertreterin des materiellen Feminismus, die schrieb: „da die (ex)muslimischen Feministinnen […] ihre Forderungen meist unter sehr hohem persönlichem Einsatze vertreten […] bleibt es vorderhand die Aufgabe westlicher Frauenrechtlerinnen, diesen Realuniversalismus der Moderne feministisch auszuloten.“

Immer wieder in der Kritik ist auch die Frauen-Menschenrechtsorganisation Terre des femmes. Vor allem durch transfeindliche Haltungen wird Terre des femmes häufig kritisiert, aber eben auch durch rassistische. Auch für Tdf ist die Bekämpfung des „Kopftuchs“ zentral. 2018 starteten sie zum Beispiel die Petition “Den Kopf frei haben”, für ein Kopftuchverbot für Mädchen in Schulen und Kindergärten.

Intersektionaler Feminismus darf für uns im Verband nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, er muss auch gelebt werden. Dazu gehört die Anerkennung, dass FINTA, die einer marginalisierten Gruppe angehören, nicht nur der Ungleichheit durch ihr Geschlecht ausgesetzt sind, sondern sich ihnen durch weitere diskriminierungsbehaftete Merkmale Ungleichheiten in den Weg stellen.

Wir erkennen also an, dass marginalisierte FINTA, nicht nur durch Sexismus, sondern auch durch Rassismus, Ableismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Klassismus ungleich behandelt werden.

Wir wollen patriarchale Strukturen aufbrechen und hinter uns lassen. Das Problem ist aber: Beim weißen cis Feminismus kommt es nur zu einer Verschiebung der patriarchalen Strukturen. So gibt es Ungleichheiten zwischen weißen und nicht-weißen FINTA. Unter den wenigen FINTA in Führungspositionen gibt es noch weniger FINTA of Color, was eine direkte Folge der mehrfach  Diskriminierung (oder intersektionalen Diskriminierung) ist.

Als intersektionale Feminist*innen verurteilen wir unter anderem das neue Neutralitätsgesetz, dass es ermöglicht, FINTA aufgrund des Kopftuchs die Einstellung zu verweigern.

Wer sich für die Berufsausübung als Lehrerin oder Juristin etc. qualifiziert hat, muss auch das Recht haben, den Beruf als die Person auszuüben, die sie ist. Das Argument, dass die Neutralität durch ein religiöses Symbol, wie das Kopftuch (Hijab), nicht mehr geboten ist, ist außerdem unhaltbar.

Es ist ein Skandal, dass für die Geltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 GG sowie der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG für kopftuchtragende FINTA gekämpft werden muss.

Die Geltung ihrer Grundrechte muss selbstverständlich sein.

Berufsverbote bewirken gesellschaftliche Ausgrenzung und Unterdrückung. Es schiebt kopftuchtragenden FINTA einen Riegel vor die Tür zur Entscheidungsfreiheit. Wenn sie davor stehen einen Berufsweg zu wählen, darf die Entscheidung nicht zwischen Glauben und Beruf gefällt werden. Das eine darf das andere nicht verhindern.

Wir stehen gegen Berufsverbote und für gesellschaftliche Inklusion.

Wir Jusos sind ein antirassistischer Verband. Jegliche Formen von Rassismus, dazu zählt auch antimuslimischer Rassismus, werden abgelehnt und bekämpft. Genau das, sollte stets in der Arbeit unseres Verbands widergespiegelt werden. Dementsprechend verpflichtet sich der Landesverband dazu sich mit Referent*innen, die er zu seinen Veranstaltungen einladen möchten kritisch auseinanderzusetzen. Sollten antimuslimisch rassistische Aussagen von Referent*innen bekannt sein oder bekannt werden, so werden diese nicht eingeladen oder sie werden ausgeladen und ihnen wird keine Bühne geboten.

Bekanntermaßen gibt es einige wichtige Feminist*innen, wie bspw. Koschka Linkerhand, die eine grundlegende Arbeit für unseren Feminismus geleistet haben, sich aber antimuslimisch rassistisch äußern. In solchen Fällen sollten keine Feminist*innen und all ihre Arbeit aufgrund von antimuslimisch rassistischen Aussagen komplett abgelehnt werden. Da Teile ihrer Arbeit eine große und wichtige Rolle für unseren Feminismus spielen, müssen wir uns auch weiterhin mit diesen beschäftigen. Das bedeutet aber, dass immer auf antimuslimisch rassistische Aussagen in Texten und Aussagen aufmerksam gemacht werden muss und ein kritisches Bewusstsein geschaffen werden muss.

Für uns ist klar: Als Verband dürfen wir uns nicht nur intersektionalen Feminismus auf die Fahne schreiben, wir müssen ihn auch leben!

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Angenommen Ä1 zum F4 28 UB Bielefeld Streiche Z. 28-30 ab „Die“ bis „vernachlässigt“.
Text des Beschlusses:

Antimuslimischer Rassismus ist in unserer Gesellschaft sehr präsent. Nicht nur für muslimische Menschen, auch für die, die als muslimisch gelesen werden.

Er funktioniert durch eine grundlegende Abgrenzung: Die einen, die vermeintlich der Mehrheitsgesellschaft angehören, und die anderen. Dieses Othering meint „Strategien und Rhetoriken, die allesamt dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf Prozesse der Rassifizierung, also der Konstruktion als ‚Andere‘, aufbauen“ (Ozan Zakariya Keskinkilic). Aufgrund des Aussehens, des Namens und/oder der zugeschriebenen Herkunft werden Menschen als muslimisch eingeordnet und kollektiv mit Zuschreibungen versehen. Im Zuge der Abgrenzung bzw. des Othering entsteht so ein Rassismus ohne Rassen (Étienne Balibar), bei dem nicht die Biologie, sondern die Kultur als zentrale Differenz gesehen wird. Eine Kultur, die scheinbar integrationsunwillig, gewalttätig, aber auch sexistisch und frauenfeindlich geprägt ist. Insbesondere der Sexismus wird in diesem Narrativ als Wesenszug des Islam erklärt. So entsteht im antimuslimischen Rassismus ein klares Bild, das die einen zugleich auf- und die anderen abwertet. Auf der einen Seite steht der aufgeklärte, tolerante und fortschrittliche Westen und ihm gegenüber der Islam als rückständig, frauenfeindlich, irrational.

Auch im Feminismus existiert antimuslimischer Rassismus. Zu oft prägen (weiße) Feminist*innen das Narrativ des „muslimischen Mannes“, der rückständig und frauenverachtend ist. Oft wird der „muslimische Mann“ als Macho und Bedrohung für Frauen in westlichen Ländern dargestellt. Auf der anderen Seite sind die muslimischen Frauen, die unterdrückt werden und nicht emanzipiert sind. Feminist*innen sehen sich oft als white saviors für muslimische Frauen. Als Symbol der Unterdrückung gilt das „Kopftuch“ und wird somit zur Projektionsfläche für antimuslimischen Rassismus im Feminismus.

Besonders bei Feminist*innen der sogenannten Zweiten Welle (Frauenbewegung der 60er und 70er Jahre) ist antimuslimischer Rassismus verbreitet. Als wohl bekanntestes Beispiel gilt Alice Schwarzer. Immer wieder hetzt sie gegen das „Kopftuch“ und bezeichnet es „als Flagge des militanten Islamismus“. Frauen, die einen Hijab tragen, sind für Schwarzer per se unterdrückt. Weiter thematisiert sie immer wieder die Gefahr für Frauen in Deutschland durch muslimische Männer. Die Täter der Silvesternacht 2015 nannte sie „fanatisierte Anhänger des Scharia-Islam“, die den deutschen Staat gedemütigt hätten.

Auch wenn sich im materiellen Feminismus schon einiges bewegt hat, findet sich auch dort verbreitet antimuslimischer Rassismus. Antimuslimischer Rassismus im Feminismus tritt oft auf durch Paternalismus gegenüber muslimisch markierten FINTA. Wie z.B. Koschka Linkerhand, Vertreterin des materiellen Feminismus, die schrieb: „da die (ex)muslimischen Feministinnen […] ihre Forderungen meist unter sehr hohem persönlichem Einsatze vertreten […] bleibt es vorderhand die Aufgabe westlicher Frauenrechtlerinnen, diesen Realuniversalismus der Moderne feministisch auszuloten.“

Immer wieder in der Kritik ist auch die Frauen-Menschenrechtsorganisation Terre des femmes. Vor allem durch transfeindliche Haltungen wird Terre des femmes häufig kritisiert, aber eben auch durch rassistische. Auch für Tdf ist die Bekämpfung des „Kopftuchs“ zentral. 2018 starteten sie zum Beispiel die Petition “Den Kopf frei haben”, für ein Kopftuchverbot für Mädchen in Schulen und Kindergärten.

Intersektionaler Feminismus darf für uns im Verband nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, er muss auch gelebt werden. Dazu gehört die Anerkennung, dass FINTA, die einer marginalisierten Gruppe angehören, nicht nur der Ungleichheit durch ihr Geschlecht ausgesetzt sind, sondern sich ihnen durch weitere diskriminierungsbehaftete Merkmale Ungleichheiten in den Weg stellen.

Wir erkennen also an, dass marginalisierte FINTA, nicht nur durch Sexismus, sondern auch durch Rassismus, Ableismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Klassismus ungleich behandelt werden.

Wir wollen patriarchale Strukturen aufbrechen und hinter uns lassen. Das Problem ist aber: Beim weißen cis Feminismus kommt es nur zu einer Verschiebung der patriarchalen Strukturen. So gibt es Ungleichheiten zwischen weißen und nicht-weißen FINTA. Unter den wenigen FINTA in Führungspositionen gibt es noch weniger FINTA of Color, was eine direkte Folge der mehrfach  Diskriminierung (oder intersektionalen Diskriminierung) ist.

Als intersektionale Feminist*innen verurteilen wir unter anderem das neue Neutralitätsgesetz, dass es ermöglicht, FINTA aufgrund des Kopftuchs die Einstellung zu verweigern.

Wer sich für die Berufsausübung als Lehrerin oder Juristin etc. qualifiziert hat, muss auch das Recht haben, den Beruf als die Person auszuüben, die sie ist. Das Argument, dass die Neutralität durch ein religiöses Symbol, wie das Kopftuch (Hijab), nicht mehr geboten ist, ist außerdem unhaltbar.

Es ist ein Skandal, dass für die Geltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 GG sowie der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG für kopftuchtragende FINTA gekämpft werden muss.

Die Geltung ihrer Grundrechte muss selbstverständlich sein.

Berufsverbote bewirken gesellschaftliche Ausgrenzung und Unterdrückung. Es schiebt kopftuchtragenden FINTA einen Riegel vor die Tür zur Entscheidungsfreiheit. Wenn sie davor stehen einen Berufsweg zu wählen, darf die Entscheidung nicht zwischen Glauben und Beruf gefällt werden. Das eine darf das andere nicht verhindern.

Wir stehen gegen Berufsverbote und für gesellschaftliche Inklusion.

Wir Jusos sind ein antirassistischer Verband. Jegliche Formen von Rassismus, dazu zählt auch antimuslimischer Rassismus, werden abgelehnt und bekämpft. Genau das, sollte stets in der Arbeit unseres Verbands widergespiegelt werden. Dementsprechend verpflichtet sich der Landesverband dazu sich mit Referent*innen, die er zu seinen Veranstaltungen einladen möchten kritisch auseinanderzusetzen. Sollten antimuslimisch rassistische Aussagen von Referent*innen bekannt sein oder bekannt werden, so werden diese nicht eingeladen oder sie werden ausgeladen und ihnen wird keine Bühne geboten.

Bekanntermaßen gibt es einige wichtige Feminist*innen, wie bspw. Koschka Linkerhand, die eine grundlegende Arbeit für unseren Feminismus geleistet haben, sich aber antimuslimisch rassistisch äußern. In solchen Fällen sollten keine Feminist*innen und all ihre Arbeit aufgrund von antimuslimisch rassistischen Aussagen komplett abgelehnt werden. Da Teile ihrer Arbeit eine große und wichtige Rolle für unseren Feminismus spielen, müssen wir uns auch weiterhin mit diesen beschäftigen. Das bedeutet aber, dass immer auf antimuslimisch rassistische Aussagen in Texten und Aussagen aufmerksam gemacht werden muss und ein kritisches Bewusstsein geschaffen werden muss.

Für uns ist klar: Als Verband dürfen wir uns nicht nur intersektionalen Feminismus auf die Fahne schreiben, wir müssen ihn auch leben!

Beschluss-PDF: