N7 Staatliche Digitalkompetenz: Der Weg zu ‚Public Money, Public Code‘

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Status:
Angenommen

Heutzutage gibt es für (fast) alles eine App. Wir als Jusos begrüßen, dass die zunehmende digitale Entwicklung es begünstigt, dass öffentliche Verwaltungen, Schulen und Anstalten öffentlichen Rechts immer mehr Software verwenden und digitale Dienste und Services anbieten. Das Neuland Internet soll schließlich erobert werden und für uns alle dazu beitragen, dass Verwaltungsakte einfacher, schneller und barrierefreier werden, dass in Schulen digitale Medien richtig beigebracht und genutzt werden können und dass  die staatlichen Medien auch für junge Menschen interessant und modern präsentiert werden. Digitale staatliche Dienstleistungen sollen endlich als tatsächlicher Mehrwert wahrgenommen werden, indem sie attraktive und niederschwellige Angebote für digital souveräne Bürger*innen darstellen. Für uns ist dabei von entscheidender Bedeutung, wie diese Dienstleistungen umgesetzt werden. Unser Anspruch an die Entwicklung von Lösungen der öffentlichen Hand ist, dass diese genauso offen und zugänglich ist, wie unser demokratischer Prozess.

Deshalb ist für uns der Grundsatz, dass diese Softwareanwendungen unter eine freie- und open-source-Lizenz gestellt werden, selbstverständlich und seit 2019 beschlossene Sache, Public Money, Public Code eben.

Die Entwicklung der Corona-Warn-App hat allerdings gezeigt, dass die alte Bundesregierung mit der Umsetzung dieser Standards überfordert war. Dass der von kommerziellen Unternehmen neu entwickelte Teil der App unter die open-source-Lizenz gestellt wurde, haben digitale Aktivist*innen unter anderem von der SPD erwirkt. Dass die App vollständig und ohne proprietäre Komponenten von großen Digitalkonzernen, welche die Grundrechte der Menschen auf informationelle Selbstbestimmung regelmäßig missachten, zur Verfügung gestellt werden kann, hat dann aber erst ein Entwickler*innenteam um den Informatiker Marvin Wißfeld in ihrer Freizeit realisiert.

Dieses Beispiel zeigt vor allem, dass es bei der Softwareentwicklung für öffentliche Zwecke weniger daran hapert, dass die zu lösenden Probleme so kompliziert sind, sondern vielmehr, dass den Entscheider*innen das Wissen über solcher Prozesse fehlt und sie so auch nicht dazu in der Lage sind, unter Umständen sogar sozialdemokratische Werte auf die Entwicklung zu übertragen. Darüber hinaus fehlt es an Kompetenz, um die Auswirkungen, welche die Einführungen dieser Systeme auslösen, abzuschätzen und zu adressieren. 

Deswegen fordern wir die Reformierung des „Informations Technik Zentrum Bund“, welches die Kompetenzen in der Entwicklung von Software und anderen informationstechnischen Systeme vereinigt, um so staatliche Institutionen auf allen Ebenen bei der Umsetzung der „Public Money, Public Code“-Maxime zu unterstützen. Die Beschränkung, dass dieses hauptsächlich Bundesbehörden bedient, führt zu einem Flickenteppich von Insellösungen. Eine Zentralisierung dieser Prozesse hat den Vorteil, dass so grundlegende Systeme nicht mehrfach entwickelt werden müssen. Außerdem bietet sich die Möglichkeit ein umfassendes Ökosystem für die digitalen Dienste der öffentlichen Verwaltung aufzubauen. Zudem kann es Behörden bei der Umsetzung und Erstellung von IT-Systemen beratend zur Seite stehen. Darüber hinaus fordern wir eine Erhöhung der Mittel der Anstalt, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Behörden sollen ebenfalls dazu angehalten werden einen kooperativen Ansatz bei der Entwicklung zu verfolgen, zum Beispiel über eine Zweckgemeinschaft auf Bundesebene, die Anforderungen in gemeinschaftlichen Projekten beauftragt oder umsetzt.

Das hat den Vorteil, dass so grundlegende Software nicht doppelt und dreifach entwickelt werden muss. Zudem kann diese Institution Behörden bei der Umsetzung und Erstellung von Software beratend zur Seite stehen und eng mit den kommunalen Rechenzentren zusammenarbeiten. Essentiell für eine solche Institution ist, dass sie in ihrem Aufbau und ihrer Infrastruktur zu dem Arbeitsumfeld von Softwareentwickler*innen passen muss, welches sich stark vom klassischen Arbeitsumfeld in Behörden unterscheidet. Das ist insbesondere notwendig, um mit der hohen Nachfrage nach Informatiker*innen aus der Privatwirtschaft konkurrieren zu können. Neben den festangestellten Entwickler*innen sollte außerdem eine Einbindung bestehender Zusammenschlüsse in der Open-Source-Community angestrebt werden, um den Ideen der Community Raum zu geben und diese zu fördern. Diese Einbindung könnte vom Verfahren ähnlich ablaufen, wie es bei freien Künstler*innen und Journalist*innen im Content-Netzwerk „funk“ geschieht – staatliche Einrichtungen sollen einen Rahmen bieten, die Kreativität der Entwickler*innen aber nicht zu sehr einschränken. Darüber hinaus befürworten wir eine enge Anbindung der Institution an Universitäten, um Informatik-Studierende frühzeitig mit ihr in Kontakt zu bringen. Nur so kann sichergestellt werden, dass es auch möglich ist, Kompetenzen im Bereich der Programmierung anzusiedeln. 

Das Problem an nicht unter open-source-Lizenz entwickelten Apps ist, dass die Bereitstellung der Apps in einem kommerziellen Store erfolgt. Das entspricht zwar der Gewohnheit der Mehrheit der Nutzer*innen, erzeugt aber eine fast schon ironisch anmutende Abhängigkeit von großen Digitalkonzernen. Der Staat ist also gar nicht in der Lage, seinen Bürger*innen die Dienstleistung einer so wichtigen App wie der Corona-Warn-App zu bieten, ohne auf die Mithilfe von großen Digitalkonzernen zu hoffen. Damit übernehmen große multinationale Konzerne teilweise die Bereitstellung einer Infrastruktur, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge und deshalb in staatliche Hand gehört. Um unabhängig zu sein, ist es im allgemeinen Interesse, auf nicht kapitalistisch getriebene Alternativen zurückgreifen zu können.

Als eine konsequente Umsetzung der ‚Public Money, Public Code‘-Maxime fordern wir deshalb außerdem, dass eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden soll, dass der Quellcode, die Baupläne und die Dokumentation von öffentlich finanzierten Anwendungen unter freie und Open-Source Lizenzen gestellt und veröffentlicht werden, außer wenn strategische Interessen dem entgegenstehen. Zusätzlich soll die Veröffentlichung von digitalen Angeboten nicht auf Plattformen kommerzieller Anbieter beschränkt sein. Um den Grundsatz des Gemeineigentums zu wahren, muss der Zugang oder Bezug der Angebote auch über nicht-kommerzielle Alternativen möglich sein, zum Beispiel der F-Droid Store für Android Apps.

Text des Beschlusses:

Heutzutage gibt es für (fast) alles eine App. Wir als Jusos begrüßen, dass die zunehmende digitale Entwicklung es begünstigt, dass öffentliche Verwaltungen, Schulen und Anstalten öffentlichen Rechts immer mehr Software verwenden und digitale Dienste und Services anbieten. Das Neuland Internet soll schließlich erobert werden und für uns alle dazu beitragen, dass Verwaltungsakte einfacher, schneller und barrierefreier werden, dass in Schulen digitale Medien richtig beigebracht und genutzt werden können und dass  die staatlichen Medien auch für junge Menschen interessant und modern präsentiert werden. Digitale staatliche Dienstleistungen sollen endlich als tatsächlicher Mehrwert wahrgenommen werden, indem sie attraktive und niederschwellige Angebote für digital souveräne Bürger*innen darstellen. Für uns ist dabei von entscheidender Bedeutung, wie diese Dienstleistungen umgesetzt werden. Unser Anspruch an die Entwicklung von Lösungen der öffentlichen Hand ist, dass diese genauso offen und zugänglich ist, wie unser demokratischer Prozess.

Deshalb ist für uns der Grundsatz, dass diese Softwareanwendungen unter eine freie- und open-source-Lizenz gestellt werden, selbstverständlich und seit 2019 beschlossene Sache, Public Money, Public Code eben.

Die Entwicklung der Corona-Warn-App hat allerdings gezeigt, dass die alte Bundesregierung mit der Umsetzung dieser Standards überfordert war. Dass der von kommerziellen Unternehmen neu entwickelte Teil der App unter die open-source-Lizenz gestellt wurde, haben digitale Aktivist*innen unter anderem von der SPD erwirkt. Dass die App vollständig und ohne proprietäre Komponenten von großen Digitalkonzernen, welche die Grundrechte der Menschen auf informationelle Selbstbestimmung regelmäßig missachten, zur Verfügung gestellt werden kann, hat dann aber erst ein Entwickler*innenteam um den Informatiker Marvin Wißfeld in ihrer Freizeit realisiert.

Dieses Beispiel zeigt vor allem, dass es bei der Softwareentwicklung für öffentliche Zwecke weniger daran hapert, dass die zu lösenden Probleme so kompliziert sind, sondern vielmehr, dass den Entscheider*innen das Wissen über solcher Prozesse fehlt und sie so auch nicht dazu in der Lage sind, unter Umständen sogar sozialdemokratische Werte auf die Entwicklung zu übertragen. Darüber hinaus fehlt es an Kompetenz, um die Auswirkungen, welche die Einführungen dieser Systeme auslösen, abzuschätzen und zu adressieren. 

Deswegen fordern wir die Reformierung des „Informations Technik Zentrum Bund“, welches die Kompetenzen in der Entwicklung von Software und anderen informationstechnischen Systeme vereinigt, um so staatliche Institutionen auf allen Ebenen bei der Umsetzung der „Public Money, Public Code“-Maxime zu unterstützen. Die Beschränkung, dass dieses hauptsächlich Bundesbehörden bedient, führt zu einem Flickenteppich von Insellösungen. Eine Zentralisierung dieser Prozesse hat den Vorteil, dass so grundlegende Systeme nicht mehrfach entwickelt werden müssen. Außerdem bietet sich die Möglichkeit ein umfassendes Ökosystem für die digitalen Dienste der öffentlichen Verwaltung aufzubauen. Zudem kann es Behörden bei der Umsetzung und Erstellung von IT-Systemen beratend zur Seite stehen. Darüber hinaus fordern wir eine Erhöhung der Mittel der Anstalt, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Behörden sollen ebenfalls dazu angehalten werden einen kooperativen Ansatz bei der Entwicklung zu verfolgen, zum Beispiel über eine Zweckgemeinschaft auf Bundesebene, die Anforderungen in gemeinschaftlichen Projekten beauftragt oder umsetzt.

Das hat den Vorteil, dass so grundlegende Software nicht doppelt und dreifach entwickelt werden muss. Zudem kann diese Institution Behörden bei der Umsetzung und Erstellung von Software beratend zur Seite stehen und eng mit den kommunalen Rechenzentren zusammenarbeiten. Essentiell für eine solche Institution ist, dass sie in ihrem Aufbau und ihrer Infrastruktur zu dem Arbeitsumfeld von Softwareentwickler*innen passen muss, welches sich stark vom klassischen Arbeitsumfeld in Behörden unterscheidet. Das ist insbesondere notwendig, um mit der hohen Nachfrage nach Informatiker*innen aus der Privatwirtschaft konkurrieren zu können. Neben den festangestellten Entwickler*innen sollte außerdem eine Einbindung bestehender Zusammenschlüsse in der Open-Source-Community angestrebt werden, um den Ideen der Community Raum zu geben und diese zu fördern. Diese Einbindung könnte vom Verfahren ähnlich ablaufen, wie es bei freien Künstler*innen und Journalist*innen im Content-Netzwerk „funk“ geschieht – staatliche Einrichtungen sollen einen Rahmen bieten, die Kreativität der Entwickler*innen aber nicht zu sehr einschränken. Darüber hinaus befürworten wir eine enge Anbindung der Institution an Universitäten, um Informatik-Studierende frühzeitig mit ihr in Kontakt zu bringen. Nur so kann sichergestellt werden, dass es auch möglich ist, Kompetenzen im Bereich der Programmierung anzusiedeln. 

Das Problem an nicht unter open-source-Lizenz entwickelten Apps ist, dass die Bereitstellung der Apps in einem kommerziellen Store erfolgt. Das entspricht zwar der Gewohnheit der Mehrheit der Nutzer*innen, erzeugt aber eine fast schon ironisch anmutende Abhängigkeit von großen Digitalkonzernen. Der Staat ist also gar nicht in der Lage, seinen Bürger*innen die Dienstleistung einer so wichtigen App wie der Corona-Warn-App zu bieten, ohne auf die Mithilfe von großen Digitalkonzernen zu hoffen. Damit übernehmen große multinationale Konzerne teilweise die Bereitstellung einer Infrastruktur, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge und deshalb in staatliche Hand gehört. Um unabhängig zu sein, ist es im allgemeinen Interesse, auf nicht kapitalistisch getriebene Alternativen zurückgreifen zu können.

Als eine konsequente Umsetzung der ‚Public Money, Public Code‘-Maxime fordern wir deshalb außerdem, dass eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden soll, dass der Quellcode, die Baupläne und die Dokumentation von öffentlich finanzierten Anwendungen unter freie und Open-Source Lizenzen gestellt und veröffentlicht werden, außer wenn strategische Interessen dem entgegenstehen. Zusätzlich soll die Veröffentlichung von digitalen Angeboten nicht auf Plattformen kommerzieller Anbieter beschränkt sein. Um den Grundsatz des Gemeineigentums zu wahren, muss der Zugang oder Bezug der Angebote auch über nicht-kommerzielle Alternativen möglich sein, zum Beispiel der F-Droid Store für Android Apps.

Beschluss-PDF:

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