A3 Schluss mit auf 600er Ibu arbeiten! – Wir fordern die Menstruationsfreistellung!

Status:
Mit Änderungen angenommen

Wir sprechen uns für einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 1-3 Tage pro Monat bei Menstruationsbeschwerden menstruierender Arbeitnehmer*innen aus. Damit leisten wir einen Beitrag zur Enttabuisierung und Entstigmatisierung der Menstruation. Voraussetzung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bei Menstruationsbeschwerden ist ein jährlich ausgestelltes ärztliches Attest, das eine Menstruation des*der Arbeitnehmer*in und Beschwerden im Zusammenhang mit der Menstruation attestiert. Darunter sind alle körperlichen und psychischen Belastungen zu verstehen, unter denen menstruierende Personen aufgrund ihrer Menstruationszyklen leiden können. Diese Belastungen können unter anderem umfassen: Bauchkrämpfe, Gelenkschmerzen, insbesondere eine Ausstrahlung der Schmerzen in Beine und Rücken, Verdauungsbeschwerden, Übelkeit, Schwindel, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, depressive Verstimmungen, Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit und Müdigkeit.Da Menstruationsbeschwerden sehr individuell sind, stellen wir nicht auf eine einheitliche Lösung ab und fordern keine automatische Verpflichtung der Inanspruchnahme der Menstruationsfreistellung durch menstruierende Arbeitnehmer*innen. Vielmehr soll der Anspruch für 1-3 Tage pro Monat durch die Arbeitnehmer*innen freiwillig durch Mitteilung gegenüber ihren Arbeitgeber*innen geltend gemacht werden können. Eine menstruierende Person, die ihr zustehende Tage nicht in Anspruch nimmt, soll keine Ausgleichszahlung beanspruchen können, da durch diese ein falscher finanzieller Anreiz auf Nichtinanspruchnahme der freien Tage gesetzt würde. Auch nicht- menstruierende Personen können keine Ausgleichszahlungen verlangen, da es sich bei der Menstruationsfreistellung nicht um eine Bevorteilung menstruierender Arbeitnehmer*innen handelt. Wir positionieren uns weiterhin dahingehend, dass wir die Frage nach einer möglichen oder geplanten Inanspruchnahme der Menstruationsfreistellung als eine im Bewerbungsgespräch unzulässige Frage ansehen, die den Bewerber*innen ein Recht zur Lüge gibt.

Begründung:

Eine erhebliche Anzahl von Personen ist von der Menstruation betroffen, im Regelfall einmal monatlich für 5-7 Tage. Es handelt sich dabei um einen natürlichen körperlichen Vorgang. Dennoch wird das Thema Menstruation und Beschwerden im Zusammenhang mit der Menstruation in der Gesellschaft weiterhin tabuisiert und klein geredet. Laut dem SCA-Matters Report des SCA aus dem Jahr 2016 stellt die Menstruation für 18 % der deutschen Frauen ein absolutes Tabu dar, weshalb sie darüber nie sprechen würden. Dabei haben laut Techniker Krankenkasse 75 % aller Frauen zeitweise mit leichten bis stärkeren Beschwerden während ihrer Menstruation zu kämpfen. Mehr als 10 % aller Frauen haben so starke Beschwerden, dass sie ihren Beruf und Alltag nicht mehr wie gewohnt meistern können.

Der medizinische Begriff für Regelschmerzen während der Menstruation lautet Dysmenorrhoe. Dabei beruhen nicht alle Schmerzen ausschließlich auf der Menstruation selbst. Mediziner unterscheiden zwischen primärer und sekundärer Dysmenorrhoe. Während die primäre Dysmenorrhoe Beschwerden beschreibt, die durch die Menstruation selbst ausgelöst werden, v.a. verstärkte Gebärmutterkontraktionen, umfasst die sekundäre Dysmenorrhoe Folgebeschwerden oder Erkrankungen, wie Myome, Zysten oder Endometriose, die ebenfalls besonders starke Schmerzen während der Periode auslösen können. Jüngere Personen sind häufiger von Dysmenorrhoe betroffen, während Personen über 35 Jahren öfter unter dem prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden. PMS beschreibt die Beschwerden in den Tagen bis zu zwei Wochen vor der Regelblutung aufgrund eines hormonellen Ungleichgewichts im Körper. Wie auch die Menstruation selbst ist der Umgang mit den damit zusammenhängenden Beschwerden noch nicht in der Normalität der Gesellschaft angelangt. Bei Regelschmerzen wird Betroffenen gerne erklärt, sie sollten einfach die Zähne zusammenbeißen und eine Schmerztablette nehmen. Dass es sich bei Menstruationsbeschwerden nicht um eine faule Ausrede oder Hysterie handelt, zeigt die Studie von John Guillebaud, Professor am University College London. Die Studie trifft eine klare Aussage zur möglichen Intensität von Menstruationsschmerzen: Krämpfe während der Periode können schmerzhafter sein als ein Herzinfarkt. Eine Linderung können sich Betroffene des Öfteren durch Wärme mittels Wärmflaschen, Wärmepads oder Decken, Schlaf, Schmerzmittel, Ruhe und kontrollierte Atmung oder leichten Sport und Spaziergänge verschaffen. Stress trägt zu einer Verschlimmerung der Beschwerden bei. Am Arbeitsplatz lässt sich Stress meistens nicht vermeiden und die benannten Linderungsmöglichkeiten sind nicht oder nur sehr eingeschränkt zugänglich. Als Lösung verbleibt somit aktuell nur die Krankmeldung oder ein Arbeiten unter dem Einfluss von Schmerzen oder starker Schmerzmittel. Die Krankmeldung stellt jedoch keine adäquate Alternative zur Menstruationsfreistellung dar. Die Beschwerden äußern sich zwar in körperlichen Symptomen. Dennoch stellen nicht alle mit der Menstruation verbundenen Beschwerden eine Krankheit dar. Vielmehr handelt es sich um normale Funktionen des Körpers menstruierender Arbeitnehmer*innen, mit der Besonderheit, dass der zyklisch bedingte Normalzustand Schmerzen auslösen kann. Außerdem kann eine häufige Krankmeldung weitere Nachteile nach sich ziehen. So gibt es arbeitgeberseitige Regelungen, die Sonderzahlungen für einen besonders niedrigen Krankenstand der jeweiligen Mitarbeiter*innen vorsehen. Auch im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung könnte eine monatliche Krankmeldung relevant werden. Es gibt zahlreiche Länder in Asien, die genau einen solchen Anspruch auf Menstruationsfreistellung vorsehen. In Japan und Indien gibt es bereits seit 1947 eine gesetzliche Menstruationsfreistellung. Südkorea hat eine solche Regelung seit dem Jahr 2001. In Taiwan können sich Menstruierende seit 2013 bis zu 3 Tage pro Monat frei nehmen, in Indonesien bis zu 2 Tage. Auch in Europa wird die Thematik in den letzten Jahren häufiger diskutiert. In Russland scheiterte ein Gesetzesvorschlag jedoch im Jahr 2013. 2014 sorgte der britische Professor und Gynäkologe Gedis Grudzinskas mit dem Vorschlag auf dem Festival of Ideas für Aufsehen. In Italien wurde 2017 ein diesem Antrag im Wesentlichen entsprechender Vorschlag unterbreitet, jedoch abgelehnt. Die Jusos Bern waren vor zwei Jahren mit einem Antrag auf bezahlten Menstruationsurlaub in der Schweiz in aller Munde. Bislang scheint die Lobby für gesetzliche Änderungen in Europa jedoch nicht groß genug zu sein. Es bleibt daher aktuell noch einzelnen Unternehmen überlassen, selbst Vorreiter zu sein und den Anspruch auf „paid menstrual leave“ in ihren Richtlinien festzusetzen. Bei Nike gibt es die Menstruationsfreistellung bereits seit 2007. Die Eventfirma Coexist in Bristol hat in den letzten Jahren als erste Firma mit Menstruationsfreistellung im Vereinten Königreich auf sich aufmerksam gemacht. Als Hauptkritikpunkt eines Anspruchs auf Menstruationsfreistellung, der weitläufig als „Menstruationsurlaub“ diskutiert wird, wird eine drohende Benachteiligung und Sexismus am Arbeitsplatz angeführt. Frauen würden damit zu unattraktiveren Arbeitnehmerinnen gemacht, da sich der*die Chef*in überlegen müsse, ob er*sie eine Frau mit einem möglichen Anspruch auf Menstruationsfreistellung oder nicht doch lieber einen Mann anstelle. Dieses Argument könnte auch für die Regelungen zu Mutterschutz, Elternzeit und Pflegezeit angeführt werden. Frauen im gebärfähigen Alter sind bereits jetzt die unattraktivste Zielgruppe für Arbeitgeber*innen, sofern diese ihr Personal ausschließlich nach möglichen Ausfallzeiten auswählen. Und dennoch werden junge Frauen eingestellt, sie gelten in der Arbeitswelt als besonders fleißig und engagiert. Bex Baxter der Firma CoExist in Bristol hat die Erfahrungen gemacht, dass sich die Mitarbeiter*innen durch das entgegengebrachte Verständnis mehr für ihren Job motivieren könnten und nach den Ausfallzeiten ausgeruhter und konzentrierter arbeiteten. Der Anspruch auf Menstruationsfreistellung stärkt auch keine weiblichen Stereotype und erklärt Frauen zum schwachen Geschlecht. Im Gegenteil: Er schafft einen Weg, Nachteile im Beruf aufgrund von natürlichen Beschwerden des Körpers aufzufangen, lässt aber auch die Möglichkeit offen, davon keinen Gebrauch zu machen. Wie bei jedem Anspruch, besteht natürlich auch bei einem Anspruch auf Menstruationsfreistellung die Möglichkeit eines unberechtigten Ausnutzens der gesetzlichen Grundlage. Diese Kritik entbehrt bislang aber jeder Grundlage. Zum einen wird der Kritik durch die Notwendigkeit eines jährlichen ärztlichen Attests Rechnung getragen. Im Übrigen müsste mit einer solchen Argumentation auch eine Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Falle einer Krankmeldung am ersten Tag gefordert werden. Die Menstruation ist nichts Ekliges, Schmutziges oder etwas, für das sich Betroffene schämen sollten. In einigen Fällen und an einigen Tagen ist es einfach nur schmerzhaft. Dieser Antrag kann einen Beitrag dazu leisten, dies anzuerkennen und mit bestehenden Tabus zu brechen.

Änderungsanträge
Status Kürzel Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Angenommen Ä2 zum A3 1 UB Münster Streiche Z.1-2 ab "bei Menstruationsbeschwerden" bis "Arbeitnehmer*innen aus."
Angenommen Ä3 zum A3 2 UB Münster Ergänze nach "leisten wir" in Z.2 "vor allem"
Angenommen Ä4 zum A3 2 UB Münster Streiche Z.2-5 ab "Voraussetzung" bis "attestiert."
Angenommen Ä1 zum A3 10 UB Essen Z. 10 ersetze: "Da Menstruationsbeschwerden..." bis Z. 19 "handelt." durch "Auch Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen stehen vor den gleichen Problemen und erleben in der Arbeitswelt immer wieder Nachteile, weil sie sich öfter krank melden müssen oder unter Schmerzen zur Arbeit gehen. Deswegen sollen allen Arbeitnehmer*innen 1-3 Tage im Monat zur Verfügung stehen, wo sie aufgrund von Menstruationsbeschwerden oder anderen Schmerzen von der Arbeit befreit werden. Dadurch müssen sich Menstruierende auch nicht outen und Menstruierenden und chronisch kranke Menschen werden nicht mehr in diesem Ausmaß stigmatisiert.”  
Erledigt Ä5 zum A3 22 UB Münster Streiche Z.22
Angenommen Ä9 zum A3 22 UB Dortmund Streiche: Begründung
Angenommen Ä6 zum A3 80 UB Münster Streiche Z.80-83 ab "Bei Baxter" bis "konzentrierter arbeiten."
Angenommen Ä7 zum A3 88 UB Münster Streiche Z.88-89 ab "Zum einen" bis "Rechnung getragen."
Text des Beschlusses:

Wir sprechen uns für einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 1-3 Tage pro Monat. Damit leisten wir vor allem einen Beitrag zur Enttabuisierung und Entstigmatisierung der Menstruation. Darunter sind alle körperlichen und psychischen Belastungen zu verstehen, unter denen menstruierende Personen aufgrund ihrer Menstruationszyklen leiden können. Diese Belastungen können unter anderem umfassen: Bauchkrämpfe, Gelenkschmerzen, insbesondere eine Ausstrahlung der Schmerzen in Beine und Rücken, Verdauungsbeschwerden, Übelkeit, Schwindel, Kreislaufprobleme, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, depressive Verstimmungen, Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit und Müdigkeit. Auch Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen stehen vor den gleichen Problemen und erleben in der Arbeitswelt immer wieder Nachteile, weil sie sich öfter krank melden müssen oder unter Schmerzen zur Arbeit gehen. Deswegen sollen allen Arbeitnehmer*innen 1-3 Tage im Monat zur Verfügung stehen, wo sie aufgrund von Menstruationsbeschwerden oder anderen Schmerzen von der Arbeit befreit werden. Dadurch müssen sich Menstruierende auch nicht outen und Menstruierenden und chronisch kranke Menschen werden nicht mehr in diesem Ausmaß stigmatisiert.  Wir positionieren uns weiterhin dahingehend, dass wir die Frage nach einer möglichen oder geplanten Inanspruchnahme der Menstruationsfreistellung als eine im Bewerbungsgespräch unzulässige Frage ansehen, die den Bewerber*innen ein Recht zur Lüge gibt.

Eine erhebliche Anzahl von Personen ist von der Menstruation betroffen, im Regelfall einmal monatlich für 5-7 Tage. Es handelt sich dabei um einen natürlichen körperlichen Vorgang. Dennoch wird das Thema Menstruation und Beschwerden im Zusammenhang mit der Menstruation in der Gesellschaft weiterhin tabuisiert und klein geredet. Laut dem SCA-Matters Report des SCA aus dem Jahr 2016 stellt die Menstruation für 18 % der deutschen Frauen ein absolutes Tabu dar, weshalb sie darüber nie sprechen würden. Dabei haben laut Techniker Krankenkasse 75 % aller Frauen zeitweise mit leichten bis stärkeren Beschwerden während ihrer Menstruation zu kämpfen. Mehr als 10 % aller Frauen haben so starke Beschwerden, dass sie ihren Beruf und Alltag nicht mehr wie gewohnt meistern können.

Der medizinische Begriff für Regelschmerzen während der Menstruation lautet Dysmenorrhoe. Dabei beruhen nicht alle Schmerzen ausschließlich auf der Menstruation selbst. Mediziner unterscheiden zwischen primärer und sekundärer Dysmenorrhoe. Während die primäre Dysmenorrhoe Beschwerden beschreibt, die durch die Menstruation selbst ausgelöst werden, v.a. verstärkte Gebärmutterkontraktionen, umfasst die sekundäre Dysmenorrhoe Folgebeschwerden oder Erkrankungen, wie Myome, Zysten oder Endometriose, die ebenfalls besonders starke Schmerzen während der Periode auslösen können. Jüngere Personen sind häufiger von Dysmenorrhoe betroffen, während Personen über 35 Jahren öfter unter dem prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden. PMS beschreibt die Beschwerden in den Tagen bis zu zwei Wochen vor der Regelblutung aufgrund eines hormonellen Ungleichgewichts im Körper. Wie auch die Menstruation selbst ist der Umgang mit den damit zusammenhängenden Beschwerden noch nicht in der Normalität der Gesellschaft angelangt. Bei Regelschmerzen wird Betroffenen gerne erklärt, sie sollten einfach die Zähne zusammenbeißen und eine Schmerztablette nehmen. Dass es sich bei Menstruationsbeschwerden nicht um eine faule Ausrede oder Hysterie handelt, zeigt die Studie von John Guillebaud, Professor am University College London. Die Studie trifft eine klare Aussage zur möglichen Intensität von Menstruationsschmerzen: Krämpfe während der Periode können schmerzhafter sein als ein Herzinfarkt. Eine Linderung können sich Betroffene des Öfteren durch Wärme mittels Wärmflaschen, Wärmepads oder Decken, Schlaf, Schmerzmittel, Ruhe und kontrollierte Atmung oder leichten Sport und Spaziergänge verschaffen. Stress trägt zu einer Verschlimmerung der Beschwerden bei. Am Arbeitsplatz lässt sich Stress meistens nicht vermeiden und die benannten Linderungsmöglichkeiten sind nicht oder nur sehr eingeschränkt zugänglich. Als Lösung verbleibt somit aktuell nur die Krankmeldung oder ein Arbeiten unter dem Einfluss von Schmerzen oder starker Schmerzmittel. Die Krankmeldung stellt jedoch keine adäquate Alternative zur Menstruationsfreistellung dar. Die Beschwerden äußern sich zwar in körperlichen Symptomen. Dennoch stellen nicht alle mit der Menstruation verbundenen Beschwerden eine Krankheit dar. Vielmehr handelt es sich um normale Funktionen des Körpers menstruierender Arbeitnehmer*innen, mit der Besonderheit, dass der zyklisch bedingte Normalzustand Schmerzen auslösen kann. Außerdem kann eine häufige Krankmeldung weitere Nachteile nach sich ziehen. So gibt es arbeitgeberseitige Regelungen, die Sonderzahlungen für einen besonders niedrigen Krankenstand der jeweiligen Mitarbeiter*innen vorsehen. Auch im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung könnte eine monatliche Krankmeldung relevant werden. Es gibt zahlreiche Länder in Asien, die genau einen solchen Anspruch auf Menstruationsfreistellung vorsehen. In Japan und Indien gibt es bereits seit 1947 eine gesetzliche Menstruationsfreistellung. Südkorea hat eine solche Regelung seit dem Jahr 2001. In Taiwan können sich Menstruierende seit 2013 bis zu 3 Tage pro Monat frei nehmen, in Indonesien bis zu 2 Tage. Auch in Europa wird die Thematik in den letzten Jahren häufiger diskutiert. In Russland scheiterte ein Gesetzesvorschlag jedoch im Jahr 2013. 2014 sorgte der britische Professor und Gynäkologe Gedis Grudzinskas mit dem Vorschlag auf dem Festival of Ideas für Aufsehen. In Italien wurde 2017 ein diesem Antrag im Wesentlichen entsprechender Vorschlag unterbreitet, jedoch abgelehnt. Die Jusos Bern waren vor zwei Jahren mit einem Antrag auf bezahlten Menstruationsurlaub in der Schweiz in aller Munde. Bislang scheint die Lobby für gesetzliche Änderungen in Europa jedoch nicht groß genug zu sein. Es bleibt daher aktuell noch einzelnen Unternehmen überlassen, selbst Vorreiter zu sein und den Anspruch auf „paid menstrual leave“ in ihren Richtlinien festzusetzen. Bei Nike gibt es die Menstruationsfreistellung bereits seit 2007. Die Eventfirma Coexist in Bristol hat in den letzten Jahren als erste Firma mit Menstruationsfreistellung im Vereinten Königreich auf sich aufmerksam gemacht. Als Hauptkritikpunkt eines Anspruchs auf Menstruationsfreistellung, der weitläufig als „Menstruationsurlaub“ diskutiert wird, wird eine drohende Benachteiligung und Sexismus am Arbeitsplatz angeführt. Frauen würden damit zu unattraktiveren Arbeitnehmerinnen gemacht, da sich der*die Chef*in überlegen müsse, ob er*sie eine Frau mit einem möglichen Anspruch auf Menstruationsfreistellung oder nicht doch lieber einen Mann anstelle. Dieses Argument könnte auch für die Regelungen zu Mutterschutz, Elternzeit und Pflegezeit angeführt werden. Frauen im gebärfähigen Alter sind bereits jetzt die unattraktivste Zielgruppe für Arbeitgeber*innen, sofern diese ihr Personal ausschließlich nach möglichen Ausfallzeiten auswählen. Und dennoch werden junge Frauen eingestellt, sie gelten in der Arbeitswelt als besonders fleißig und engagiert. Der Anspruch auf Menstruationsfreistellung würde einen Beitrag zur Schwächung von Stereotypen leisten, mit denen menstruierende Personen konfrontiert sind und würde menstruierende Personen auch nicht als schwach darstellen. Im Gegenteil: Er schafft einen Weg, Nachteile im Beruf aufgrund von natürlichen Beschwerden des Körpers aufzufangen, lässt aber auch die Möglichkeit offen, davon keinen Gebrauch zu machen. Wie bei jedem Anspruch, besteht natürlich auch bei einem Anspruch auf Menstruationsfreistellung die Möglichkeit eines unberechtigten Ausnutzens der gesetzlichen Grundlage. Diese Kritik entbehrt bislang aber jeder Grundlage. Im Übrigen müsste mit einer solchen Argumentation auch eine Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Falle einer Krankmeldung am ersten Tag gefordert werden. Die Menstruation ist nichts Ekliges, Schmutziges oder etwas, für das sich Betroffene schämen sollten. In einigen Fällen und an einigen Tagen ist es einfach nur schmerzhaft. Dieser Antrag kann einen Beitrag dazu leisten, dies anzuerkennen und mit bestehenden Tabus zu brechen.

Beschluss-PDF: