W2 Die Industrie ist tot? Lang lebe die Industriepolitik! – Grundlagen jungsozialistischer Wirtschaftspolitik in Zeiten des Klimawandels

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Angenommen

Wir sehen durch linke Industriepolitik die Chance, in NRW soziale und ökologische Aspekte gemeinsam zu diskutieren und dabei eine proaktive Rolle Nordrhein-Westfalens für die Energiewende herauszustellen. Kaum ein Thema hat im letzten Jahr für solch eine Medienaufmerksamkeit gesorgt wie der Klimawandel. Auch die Bundesregierung hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt und verschiedene Konzepte vorgebracht. Der Koalitionsvertrag sieht noch in diesem Jahr eine politische Entscheidung über Lösungskonzepte durch ein neues Klimagesetz vor.

Wir brauchen eine sozial-ökologische Industriepolitik 

Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich gezeigt, dass die Abgesänge auf den industriellen Sektor verfrüht und falsch waren. Diskussionen über die Relevanz von Industrie und Industriepolitik sind wieder in den Fokus gerückt. Die Krise hat deutlich gezeigt, dass Länder mit einem starken industriellen Sektor weniger von Folgen der Krise betroffen waren, als diejenigen die ihre Zukunft in Dienstleistungen und Finanzwirtschaft sahen. Der industrielle Sektor verursacht aber auch einen beträchtlichen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen und trägt damit im erheblichen Maße zum Klimawandel bei. Angesichts weltweiter Verfehlung der Ziele des Pariser Klimaabkommens, endlicher Ressourcen und begrenzter ökologischer Tragfähigkeit unseres Planeten führen die globalen Umweltveränderungen zur Verschärfung von Verteilungskonflikten. Die ökologische Frage müssen wir vor Allem als Verteilungsfrage begreifen, da gerade Menschen in den wirtschaftlich schwachen Regionen dieser Erde am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden.

Unter diesen Gesichtspunkten muss also zuallererst definiert werden, wie eine gute linke Industriepolitik ausgerichtet werden soll. Festhalten lässt sich zunächst einmal, dass unsere Industriepolitik keine Lobbypolitik für Unternehmen oder deren Eigentümer*Innen sein darf, sondern sich nach den Interessen der Beschäftigten und den Bedürfnissen der Gesellschaft zu richten hat. Unsere Industriepolitik muss strategisch in wirtschaftliche Prozesse eingreifen und sich von der Einstellung verabschieden, dass der Staat keine wirtschaftliche Kompetenz besitzt. Der freie Markt wird die geringste Lösungskompetenz für die Frage besitzen, wie wir z.B. die Interessen der abhängig Beschäftigten absichern, Klimagerechtigkeit im globalen Süden herstellen und ganz grundsätzlich die Grundlagen menschlichen Lebens jetzt und in Zukunft sichern. Wir wollen eine Industriepolitik, die diese Probleme im Ganzen mitdenkt, angeht und löst.

Unsere Vorstellungen zur Frage welche Herausforderungen unsere Vision einer linken Industriepolitik lösen kann, deckt sich auch mit aktuellen Diskussionsthemen der SPD: Digitalisierung, gute Arbeit, sozialer Zusammenhalt, Innovationspolitik und Wirtschaftsförderung. Die Umsetzung einer linken, nachhaltigen Industriepolitik hat des Weiteren auch für die Zukunft der Partei selbst eine hohe Relevanz, denn entgegen vieler anderslautender Vorurteile ist die Kernwähler*innenschaft der SPD auch an Umweltthemen interessiert!

Unsere Industriepolitik muss soziale und ökologische Politik zu einer gemeinsamen Fortschrittserzählung verknüpfen und gemeinsam mit vielen Bündnispartner*innen Alternativen zum aktuellen System aufzeigen. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen: Diese linke Industriepolitik ist ein Kampf gegen die bestehenden Machtverhältnisse.

Der Staat als Steuerungsakteur 

Bis dato herrscht eine große Skepsis zu industriepolitischen Eingriffen. Das ordnungspolitische Ideal im ökonomischen Mainstream besitzt eine scheinbar unerschütterliche Vertrauensbasis. Aufgrund der industriepolitischen und ökologischen Herausforderungen stellt sich die rhetorische Frage, ob das ordnungspolitische „Vertrauen“ in die „kreativen Kräfte des Wettbewerbs“ noch berechtigt ist. Viele wegweisende Technologien, wie das Internet, GPS, Nanotechnologie oder einflussreiche Unternehmen wie z.B. IBM hätte es ohne die massive und langfristig angelegte amerikanische staatliche Forschungsförderung nicht in der Form gegeben. Die freie und allein marktwirtschaftliche Entwicklung von privaten Innovationsleistungen ist folglich eher ein Mythos und entspricht nicht der Realität. In Zeiten von großen Herausforderungen brauchen wir ein neues Staatsverständnis, denn in den letzten Jahren hat sich die Politik als wahrnehmbarer industriepolitischer Akteur zu einer Moderatorenrolle zurückgezogen. Wir fordern, dass der Staat wieder eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung von nachhaltiger Industriepolitik einnimmt. Es ist unwahrscheinlich, dass Transformationsprozesse allein durch den Markt zu nachhaltiger Industrie führen. Anstatt frühzeitig und intensiv in Alternativen für ein auslaufendes Wertschöpfungsmodell zu investieren, setzen die Mechanismen eines freien Marktes eher den Anreiz, so lange Rendite aus alten Technologien zu gewinnen bis diese durch unüberwindbare Hürden, wie effizientere Technologien, Marktsättigung oder gesellschaftlicher Ablehnung endgültig nicht mehr investitionswürdig sind. Entscheidungsträger*innen und Investor*innen sind durch frühzeitige Auslagerung von Risiken meist gut abgesichert, während die Existenz der abhängig Beschäftigten durch Stellenabbau und Restrukturierungsmaßnahmen gefährdet ist. Um sogenannte Pfadwechselprozesse erfolgreich zu meistern, bedarf es einer starken industriepolitischen Planung und dementsprechend eines stärkeren staatlichen Eingriffs in Marktprozesse. Verlässliche politische Leitlinien wären hier bindende Entwicklungsziele, technisch anspruchsvolle Benchmarks, Förderprogramme oder Sanktionen.

Eine aktive Industriepolitik kann nicht nur aus regulativen Maßnahmen bestehen, sondern muss auch auf investiven Elementen fußen. Investition in Infrastruktur müssen eine der wesentlichen Stellschrauben einer industriepolitischen Steuerungsstrategie sein. Denn bereits jetzt findet sich in der Bundesrepublik ein infrastrukturelles Desaster wieder. Meldungen zu maroden Verkehrswegen, dem unzureichenden Ausbau von schnellem Internet und der unzureichenden Bereitstellung von Stromtrassen und Verteilernetzen sind beinahe täglich. Wie wir als Jungsozialist*innen immer wieder betonen, werden diese Investitionsbedarfe nicht aus der staatlichen Portokasse bezahlt, sondern aus großen Investitionstöpfen. Das heißt im Umkehrschluss eine Verabschiedung vom Paradigma der schwarzen Null und ein Umkrempeln des bisherigen Steuersystems, in dem große Teile von Vermögen und Einkommen unberührt bleiben.

In der Debatte um das volkswirtschaftliche Wachstum gibt es grundsätzlich zwei Positionen: Die eine Seite, die ein unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten in Frage stellt (Postwachstum/Degrowth) und die Andere, die glaubt, durch Effizienzsteigerung einen stetigen Zuwachs des BIP gewährleisten zu können (Green-Growth). Dabei zeigt bereits der sog. Rebound Effekt, dass es bei immer effizienterer Stromerzeugung zu steigendem Ressourcenverbrauch kommt. Hier muss Politik mit der Bestimmung von Gesamtmengen und Grenzwerten entgegenwirken, aber auch die ressourcenschonendsten und effizientesten Technologien fördern. Ordnungspolitische Maßnahmen wären die Vorgaben bei Grenzwerten oder Technologieverboten.

Die Europäische Union hat jahrzehntelang einer aktiven europaweiten Industriepolitik eine Absage erteilt. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 geriet der neoliberale Glaubensgrundsatz, dass die EU nur eine moderierende und marginal fördernde Rolle in der Wirtschaft spielen soll in eine tiefe Legitimationskrise. Gleichzeitig konnte beobachtet werden, wie durch massive industriepolitische Interventionen sogenannte Schwellenländer wie z.B. Südkorea oder China in den letzten Jahrzehnten zu starken industriellen Playern in der High-Tech-Industrie und im öko-technologischen Bereich wuchsen. Erst durch starke finanzielle Unterstützung chinesischer Unternehmen konnten internationale Player wie Alibaba oder Huawei entstehen. Erwähnenswert ist, dass seit den Streichungen von staatlichen Subventionen im Solarbereich in Deutschland die Zahl der Arbeitsplätze zwischen 2010 und 2016 von 130.000 auf 30.000 zurückgegangen ist. Daher sollte es erstrebenswert sein, wieder nachhaltige europäische Unternehmen zu fördern, die ohne staatliche Unterstützung nicht bestehen können, ähnlich wie es jahrzehntelang eine staatliche Stützung in der Kohleindustrie gab.

Daher fordern wir: 

  • Eine Trias in der Industriepolitik: Gerechte Verteilung von Wohlstand, Gute Arbeit und ökologische Nachhaltigkeit
  • Ein neues Staatsverständnis in der Industriepolitik: Eine aktive Steuerung von Marktprozessen unter Bedingungen von Guter Arbeit und nachhaltigem Ressourcenverbrauch
  • Starke Industriepolitische Planung von Pfadwechseln durch bindende Entwicklungsziele, technisch anspruchsvolle Benchmarks, Förderprogramme und Sanktionen
  • Ordnungspolitische Maßnahmen wie Grenzwerte, Grenzmengen und Technologieverbote bei umweltschädlichen Produkten
  • Massive Investitionen in Infrastruktur und Forschung
  • Abschaffung der Schuldenbremse und der schwarzen Null zur Erreichung infrastruktureller Ziele
  • Eine Neuausrichtung europäischer Beihilfen sowie eine Regelung der öffentlichen Vergabepolitik und Fördermittelvergabe mit der Wahrung der kollektiven Rechte an der Innovation.

Zukunftsinitiative für NRW 

Die Rolle eines aktiven und steuernden Staates muss in NRW am Beispiel der Transformationsprozesse deutlich werden. Die SPD muss ein nachhaltiges Zukunftskonzept für die Industrie in NRW vorgeben und die Rolle der Industrie in NRW für die Energiewende ausgestalten. Dazu müssen wir das derzeitige Vakuum von großen Zukunftsperspektiven aufbrechen. Durch die Energiewende sind auch junge Menschen betroffen. Statt Hass und Hetze zu propagieren, müssen wir gerade für jüngere Menschen echte Zukunftsperspektiven aufzeigen und Antworten auf zentrale Verteilungsfragen wie die der sozialen Absicherung geben. Die Förderung neuer Arbeitsplätze, zum Beispiel im Rahmen der Energiewende, ist unser Anspruch an eine sozialdemokratische Industrie-, Energie- und Klimapolitik. Wir Jungsozialist*innen möchten Zukunftsperspektiven für Beschäftigte aufzeigen, die über finanzielle Leistungen hinausgehen. Daher fordern wir nicht nur die Bereitstellung einzelner sozialpolitischer Maßnahmen, wie Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote. Wir fordern darüber hinaus die Entwicklung einer Zukunftsvision, die die zukünftige Rolle der Industrie in NRW für die Energiewende aufzeigt.

Wir brauchen ein Gesamtkonzept, dass die Dimensionen der Arbeitsplätze in der Industrie widerspiegelt und zukünftige Entwicklungen aufgreift. Es ist die Aufgabe der Sozialdemokratie die Interessen von sozialer Absicherung und ökologischer Nachhaltigkeit zu vereinen und zukunftsorientierte Arbeitsmarktperspektiven für die Industrie aufzuzeigen. Wir sind überzeugt, dass die Attraktivität der Verkehrs-, Forschungs- und Unternehmensinfrastruktur in NRW einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten kann. Die politische Herausforderung liegt darin, diese Rolle gemeinsam mit starken Partner*innen zu definieren und für ihre Ausführung Sorge zu tragen. Die Vorlage eines strategischen Zukunftskonzepts für die Industrie in NRW muss Bedingung für eine tiefergreifende Debatte um die Gestaltung des nationalen Klimaschutzgesetzes sein.

Erste Impulse für die zukünftige Rolle der Industrie in NRW sehen wir in der Vorbereitung der Energiewende, sowie in einer nachhaltigeren Rohstoffverarbeitung und -veredelung. Für die Umsetzung der Energiewende müssen u.a. Produkte wie Windkrafträder, Solarzellen und energieeffiziente Transformatoren erhältlich sein. Industrie, die diese Produkte herstellt und verarbeitet, muss weiterhin und vorzugsweise in NRW bestehen bleiben. Daraus ergibt sich eine Doppelstrategie für die Zukunft der Industrie in Nordrhein-Westfalen:

Für die Zukunft der Energiewende sind erneuerbare Energien eine entscheidende Technologie zur Energiegewinnung und Stromerzeugung. Einige Bundesländer zeigen besonders attraktive Standortfaktoren für die Energiegewinnung durch erneuerbare Energien auf. Dies darf nicht zu einer intranationalen Konkurrenz auf Kosten von Arbeitsplätzen und regionalen Strukturen führen. Vielmehr muss die politische Antwort darin liegen, die individuellen Potentiale in den einzelnen Bundesländern für einen Beitrag zur Energiewende zu nutzen und auszubauen. So kann NRW z.B maßgeblich mit der weiteren Erforschung von Brennstoffzellen am Forschungszentrum Jülich oder der Herstellung von energieeffizienten Transformatoren durch thyssenkrupp Electrical Steel zur Schaffung von grundlegenden Technologien für die Energiewende beitragen. Die Herstellung der Ausgangsprodukte für eine Umsetzung der Energiewende empfinden wir als erstes Standbein einer neuen Zukunftsperspektive für die Industrie in Nordrhein-Westfalen. Für den Erfolg dieser Perspektive ist es besonders relevant, die Produktionsstätten am Standort NRW zu halten. Staatliche Förderungsmodelle müssen einen schnellen und skalierten Ausbau der erneuerbaren Energien absichern und positive Anreize für die Herstellung an strukturschwachen Standorten schaffen.

Gleichzeitig muss es auch Ziel sein langfristig die Rohstoffverarbeitung und Rohstoffveredelung nachhaltiger zu gestalten. Die Industrie stellt die materielle Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung im gesamten Bundesland dar. Sie muss erhalten bleiben und ihre Zukunftsfähigkeit muss gesichert werden. Wir sehen in der Aufgabe, die Dekarbonisierung der Industrie voranzubringen, die Sicherung dieser Zukunftsfähigkeit. Eine vermehrte Nachfrage nach nachhaltiger Energie sollte zukünftig durch NRW gedeckt werden können. In der Wende hin zu nachhaltiger Energie muss sich NRW aktiv als relevanter und mit gestaltendem Akteur einbringen. Einige internationale deutsche Konzerne wie Bosch und thyssenkrupp arbeiten bereits an der Umstellung zur klimaneutralen Produktion bzw. Rohstoffgewinnung und signalisieren ihr Interesse und ihre Bereitschaft einer Umstellung. NRW hat hier eine riesige Chance der Zukunftsmotor zu sein.  Die Politik muss diese Chance ergreifen und fördern, u.a. durch breite Investitionen in Forschungsinfrastrukturen.

Daher fordern wir:

  • Die Interessen von sozialer Absicherung und ökologischer Nachhaltigkeit zu vereinen und zukunftsorientierte Arbeitsmarktperspektiven für die Industrie aufzuzeigen
  • Die Abwendung von der Idee der sozialpolitischen Einzelmaßnahmen als Grundstein für den Transformationsprozess
  • Ein Zukunftskonzept für die Industrie in NRW als Grundlage für eine tiefgreifende Debatte um die Gestaltung der nationalen Energiewende
  • Staatliche Förderungsmodelle müssen einen schnellen und skalierten Ausbau der erneuerbaren Energien sichern und positive Anreize für die Herstellung an deutschen Standorten schaffen
  • Die Politik muss die Bereitschaft zur klimaneutralen Produktion fördern, erweitern und durch breite Investitionen in Forschung auf die Industrie in NRW ausweiten

Zukunftskonzept als Diskussionsgrundlage 

Mit dieser Doppelstrategie kann auch die Frage nach der zeitlichen Zukunft der Braunkohle in NRW neu diskutiert werden. Nicht erst seit den Fridays for Future Demonstrationen ist klar, dass eine der wichtigsten politischen Aufgaben die Weiterentwicklung des industriellen Sektors weg von der Abhängigkeit fossiler Energiequellen und hin zu einer nachhaltigen Versorgung ist. Betrachtet man die Industriestruktur in NRW wird deutlich, dass an der Braun- und Steinkohle viele entscheidende Schlüsselindustrien hängen. Daher darf sich der Blick beim anstehenden Strukturwandel nicht nur auf die Arbeitnehmer*innen und Regionen, die ihren Wohlstand hauptsächlich auf der Kohle aufbauen, richten, sondern muss auch auf die dahinter gelagerten Industrien gelenkt sein. Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Braunkohle und die Transformation all dieser Industriezweige ist unabdingbar und die Diskussion um ein Ausstiegsdatum nur die Spitze des Eisbergs. Es müssen jetzt alle politischen Handlungsträger*innen, Sozialpartner*innen und Wissenschaftler*innen zusammenkommen, um ein Konzept zu erarbeiten mit dem ein schnellstmöglicher Ausstieg, eine neue Chance bzw. ein Aufbruch für NRW und ganz Deutschland erreicht wird. Wichtig für die Verwirklichung dieses Ziels ist die Weiterentwicklung der Industrien, die für die Energiewende relevant sind. Durch gezielte Förderung und Vernetzung dieser Industrien kann ein neuer Zukunftsmotor entstehen. Dabei können die oben genannten Unternehmen als mögliche Beispiele für den anstehenden Wandel fungieren

Darüber hinaus steht die Versorgungssicherheit energieintensiver Industrien im Vordergrund. Dabei muss NRW vor allem in die Erforschung nachhaltiger Speicherkapazitäten investieren, denn in der Zeit nach der Kohle wird vor allem eine verlässliche Energieversorgung schwierig sein. Für diese Aufgaben braucht es neue Industrien und Ideen. Platz hierfür könnten die Flächen des Tagebaus bieten, da sie teilweise mit ihrer guten Lage zwischen der Metropolregion Köln und dem Forschungsstandort Aachen für eine gewerbliche und industrielle Entwicklung prädestiniert sind. Wenn NRW die ehemals „schmutzigen“ Industrien in die Pflicht für den Umbruch nimmt und die gesellschaftlichen Kosten der Verbrennung von Kohle nicht nur auf die Gemeinschaft, sondern auch auf die Kapitalist*innen abwälzt, gibt es eine echte Chance als Bundesland Vorreiter für einen gelungenen Strukturwandel zu sein. Hierfür braucht es jetzt aber auch Planungssicherheit. Der gefundene Kohlekompromiss wird die Zeit nicht überdauern, denn der gesellschaftliche Widerstand ist viel zu groß. Deshalb muss schnellstmöglich ein neuer Prozess starten, der die Zukunftsvision für die Zeit nach der Kohle von politischer Seite aus klar vorgibt. Es braucht gesellschaftliche Akteure um diesen Prozess zum Erfolg zu führen. Das Ziel bzw. Ausstiegsjahr darf aber nicht Gegenstand einer solchen Verhandlung sein, sondern muss vielmehr als übergeordnetes politische Ziel feststehen.

Daher fordern wir:

  • Die Vernetzung und Förderung für die Energiewende relevanter Industrien
  • Die Erforschung von Speicherkapazitäten in NRW für Versorgungssicherheit in der Zeit nach der Kohle
  • Die Flächen des Tagebaus durch den Staat zu entwickeln
  • Die Einbeziehung der durch Kohleverstromung gemachten Gewinne
Änderungsanträge
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Angenommen Ä2 zum W2 1 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze den Titel durch „Die Industrie ist tot? Lang lebe die Industriepolitik! – Grundlagen jungsozialistischer Wirtschaftspolitik in Zeiten des Klimawandels“

Angenommen Ä3 zum W2 1 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 1-6 durch: “Die politische Debatte im Jahr 2019 ist geprägt von der Klima-Frage. Nach dem Hitze- und Dürresommer 2018, den Bildern von schmelzenden Eisbergen und vermüllten Meeren in den Nachrichten und dem vor allem von jungen Menschen auf die Straße gebrachten Druck erwarten viele Menschen von der Politik ein schnelleres Umstellen auf eine nachhaltigere Wirtschafts- und Lebensweise. Der Klimawandel stellt in seinem Voranschreiten einen Imperativ für die Politik dar, der sich nicht wegverhandeln lässt: Wenn die Menschheit auf diesem Planeten eine Zukunft haben will, muss sie umsteuern. Wir als Jusos unterstützen deshalb die Bewegung Fridays for Future.

Gleichzeitig zeigt das Ergebnis der Europawahl und der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen aber auch, dass es offensichtlich nicht überall Klima-Fragen sind, die Menschen umtreiben. So sind es im Osten nicht nur die Grünen, sondern die Rechtsradikalen, die zulegen konnten. Wo eine politische Linke mit der Beantwortung sozialer Fragen und dem Versprechen von Anerkennung, sicheren Arbeitsplätzen und einer guten Infrastruktur ausbleibt, ziehen sich die Menschen ins Nationale zurück. Die Rechten können zwar auch keine sozialen Antworten bieten, aber sie bieten Anerkennung über nationale Identitäten. Gerade deshalb ist es sozialdemokratische Aufgabe, die von den Rechten instrumentalisierten Ängste zu nehmen und durch ein positives-progressives Bild zu ersetzen. Dazu gehört es auch, der Verachtung von industrieller Arbeitswelt entgegen zu treten. Wer die gesellschaftlichen Spaltungen beenden will, muss Industriepolitik gestalten wollen.

Denn neben den bestehenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie Globalisierung, Automatisierung und die Digitalisierung sehen wir uns jetzt mit der notwendigen ökologischen Transformation konfrontiert. Verschärft wird diese Lage dadurch, dass in den vergangenen Jahrzehnten alle oben genannten Herausforderungen unter den Bedingungen eines sich neoliberalisierten Kapitalismus stattgefunden haben. Dieser Kapitalismus hat sich in eine Richtung entwickelt, in der Wertabschöpfung stärker belohnt wird als Wertschöpfung. So wird zugelassen, dass vor allem die großen Digital-Konzerne von den staatlichen Investitionen profitieren, gleichzeitig aber keinen angemessenen Beitrag als Steuern zurückzahlen müssen. Der neoliberale Ansatz ist also nicht geeignet um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen.

Unser Ziel bleibt der demokratische Sozialismus, die Gesellschaft der Freien und Gleichen. In der Tradition der Arbeiter*innenbewegung sehen wir uns als progressive Partei, die den Fortschritt nicht verteufelt, sondern ihn gestaltet. Man kann die ökologische Frage nicht ohne die soziale Frage diskutieren – genauso wie man die soziale Frage nicht ohne ökologische Frage diskutieren kann. Die ökologische Krise macht klar: Unsere Wirtschaft kann nicht so weiter wachsen wie bisher.  Hier sehen wir durch eine konsequente linke Industriepolitik die Chance, in NRW soziale und ökologische Aspekte gemeinsam zu diskutieren und dabei eine proaktive Rolle Nordrhein-Westfalens für die Energiewende herauszustellen.“

Abgelehnt Ä4 zum W2 6 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze nach Z. 6:

Der Spaltung entgegenwirken – Klares Bekenntnis zu nachhaltigem Wachstum

Die industrielle Arbeiter*innenschaft hat durch eine starke gewerkschaftliche Organisationsquote hohe Tariflohnabschlüsse erkämpft und Anschluss an die Mittelschicht der Angestellten gefunden. Diese Entwicklung kann auch als „Ende des Proletariats“ beschrieben werden und findet Ausdruck in der These, dass sich die „Sozialdemokratie zu Tode gesiegt“ habe. Eine trügerische Einschätzung, denn der eigentliche Bruch in dieser neuen industriellen Mittelschicht hatte schon mit den ersten Zechenschließungen Ende der 50er Jahre in Ostwestfalen eingesetzt. Das Zechensterben war dabei nur das markanteste Beispiel für eine Entwicklung, die vom Verschwinden industrieller Arbeitsplätze geprägt war. Selten wurde es dabei so laut wie bei den Protesten zwischen Rhein und Ruhr, aber die Deindustrialisierung erfolgte stetig, lautlos und dauerhaft. War 1970 noch jeder zweite Arbeitsplatz in Deutschland im industriellen Sektor angesiedelt, war es in den 1990er Jahren nicht mal mehr jeder dritte.

Neben der Tatsache, dass technologische Entwicklungen zu einem Abbau von Arbeitsplätzen geführt haben und in der Spitze bedeuten, dass ganze Produktionsketten automatisch ablaufen und noch durch eine Maschienenbediener*in kontrolliert werden, hat auch die neoliberale Hochphase zu einem Umdenken in der Unternehmensführung geführt. Zum einen ist Shareholder-Value-Prinzip ist schon Ende der 80er Jahre zum betriebswirtschaftlichen Einmaleins geworden und damit die Macht von Betriebsräten und Gewerkschaften Stück für Stück aus den Unternehmen verschwunden. Zum anderen haben Digitalisierungs- und Outsourcingprozesse zu einer Optimierung von Produktionsabläufen geführt, die in den meisten Fällen einfache Arbeitsabläufe ins günstigere Ausland verlagerten. Die deutsche Arbeitnehmer*innenschaft wurde Stück für Stück spezialisiert bis zu dem Punkt, an dem eine ganze Produktionsbranche wegbrach und diese Spezialist*innen nicht mehr gebraucht wurden. Weil vor allem große Industrieunternehmen nicht die notwendige Flexibilität mitbrachten, traf diese Entwicklung das europäische Ausland deutlich härter als Deutschland, dessen industrieller Sektor vor allem durch mittelständischen Werkzeug- und Maschinenbau geprägt ist. So ist beispielsweise die englische Textilindustrie inzwischen fast völlig verschwunden.

Doch auch in Deutschland hat sich durch einen neuen Finanzmarkkapitalismus das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit noch einmal völlig neu definiert. Die Gewinne werden nicht mehr durch die eigentliche Produktion, sondern durch Börsenwetten generiert. Natürlich sind Teile der ehemaligen Industriebelegschaften auch im Dienstleistungssektor untergekommen. Gerade dort ist aber der gewerkschaftliche Organisationsgrad deutlich geringer und so ist ein Wechsel oft mit sozialem Abstieg verbunden. Außerdem sind öffentlicher Dienst und Dienstleistungssektor nicht im gleichen Maße gewachsen, wie der industrielle Sektor geschrumpft ist. Dieser Weg war also nicht für jede*n möglich. Wer im letzten Drittel des Erwerbslebens steht, kann keine langjährigen Umschulungsprozesse durchlaufen.

Im Zusammenspiel mit der Neuordnung der Sozialgesetzgebung unter dem Schlagwort Agenda2010 entwickelt sich so eine Art Teufelskreis. Menschen, die irgendwann ihre Arbeitsstelle verloren und mit Anfang Fünfzig nicht zurück in den Arbeitsmarkt gefunden haben, finden nicht zurück ins Erwerbsleben. Nach zwei Jahren Arbeitslosengeld I sind sie dann ganz unten angekommen: Auf „Hartz IV“. Als Folge müssen sie ihre Ersparnisse oder ihr Eigenheim aufgeben und stehen auf einer sozialen Stufe mit denjenigen, die noch nie gearbeitet hatten. Die hart erkämpften Erfolge von dreißig Jahren Erwerbsbiografie, auf die sie stolz waren, sind quasi aus dem Lebenslauf gestrichen worden. Das ist menschlich hart, demotivierend und es nimmt den Menschen ihr soziales Selbstverständnis.

Daneben trifft diese Entwicklung auch ungelernte Arbeiter*innen und Migrant*innen im besonderen Maße, weil diese beiden Gruppen oft auch prekäre Bildungsvorrausetzungen in einem selektiven deutschen Schulsystem haben. Für diese Gruppen gab es in den letzten Jahren keine „gute konjunkturelle Lage in Deutschland“. Der Gini-Koeffizient, der Vermögensverteilungen misst, hat sich laut OECD in den letzten zwanzig Jahren immer weiter erhöht. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Große Teile der Gesellschaft partizipieren nicht am Wohlstand.

Gerade in den neuen Bundesländern ist diese Entwicklung besonders stark zu beobachten. Die staatlichen Großunternehmen der DDR sind nach der Wende im rasanten Tempo zerschlagen und privatisiert worden. Von den 150 Großbetrieben in der DDR mit mehr als 5000 Beschäftigten blieben nach der Wende noch fünf. Die Erfahrungen und Enttäuschungen, die die Menschen dort gemacht haben, wissen (neben anderen politischen Fehlentwicklungen wie etwa den fehlenden Konsequenzen für gewaltbereite Neonazis in den 1990er-Jahren) rechtsradikale Kräfte in Stimmenpotenzial umzusetzen. Ähnliche Entwicklungen lassen sich in den USA und Großbritannien beobachten: Es waren gerade die Regionen mit einer früher starken Industrie, deren Strukturwandel als politische Antwort der neoliberalen Politiken die Leitlinie „Das soll der Markt richten“ hatte, in denen viele Menschen gegen ihre eigentlichen ökonomischen Interessen für Trump oder für den Brexit gestimmt haben. Diese Stimmen sind auch ein Protest gegen eine linke Politik, die sich auf identitätspolitische Fragen konzentriert, die Spaltung der Gesellschaft durch die Deindustrialisierung aber für kaum relevant gehalten hat. Aber gerade der Teil der politischen Linken, der die Klassengesellschaft für überwunden gehalten hat, hat die Menschen verloren, die das Vorhandensein von Klassen mit unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verwirklichungschancen jeden Tag in ihrem Alltag zu spüren bekommen. Diese Spaltung zwischen Zentrum und Peripherie ist wohl nirgendwo so eindrucksvoll zu beobachten wie in den USA: Küstenregionen mit nahmen Zugriff zu politischer, wirtschaftlicher und medialer Macht und dazwischen deindustrialisierte Regionen, die im Volksmund als „flyover states“ verspottet werden, weil die Mächtigen und Reichen sie nur vom Blick aus dem Flugzeug kennen. Wo eine politische Linke mit der Beantwortung sozialer Fragen und dem Versprechen von Anerkennung, sicheren Arbeitsplätzen und einer guten Infrastruktur ausbleibt, ziehen sich die Menschen ins Nationale zurück. Die Rechten können zwar auch keine sozialen Antworten bieten, aber sie bieten Anerkennung über nationale Identitäten.

Gerade deshalb ist es sozialdemokratische Aufgabe, die von den Rechten instrumentalisierten Ängste zu nehmen und durch ein positives-progressives Bild zu ersetzen. Dazu gehört es auch, der Verachtung von industrieller Arbeitswelt entgegen zu treten. Wer die gesellschaftlichen Spaltungen beenden will, muss Industriepolitik gestalten wollen. Gesellschaftliche Veränderung wie die die ökologische Transformation brauchen politische Mehrheiten.

Die Sozialdemokratie hat im Laufe ihrer Geschichte gelernt, die Kritik am kapitalistischen Wachstum in konkrete Gestaltung des Fortschritts weiterzuentwickeln. Konzeptionell ist daraus die die Idee eines sozialen Wachstums entstanden. Durch die Entdeckung des Klimawandels wurde und ist bis heute klar, dass wir nicht so weiter wachsen können wie bisher. Weil die “Zurück-in-die-Höhle“-Vorstellung der Nullwachstums-Anhänger*innen aber einen Verzicht auf emanzipatorische Kerngedanken der Sozialdemokratie wie ein gutes Leben für alle, wachsende demokratische und wirtschaftliche Teilhabe, wachsende individuelle Entfaltungsmöglichkeiten, offene Bildungsprogramme für alle, Entlastung von ausufernder, körperlich harter Arbeit und so weiter bedeuten würde, haben vor allem Sozialdemokrat*innen die Idee von grünem Wachstum, also Fortschritt ohne Raubbau an Ressourcen, entwickelt. 2018 lag der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor in Deutschland bei 38 Prozent. Die Treibhausgasemissionen konnten seit 1990 um fast 30 Prozent gesenkt werden. Alleine die Chemie-Industrie hat den Ausstoß von Schadstoffen seit 1990 halbiert. Auch wenn nach aktuellem Stand die Anstrengungen nicht ausreichen werden, um die von der Bundesregierung gesteckten Ziele (40 Prozent Minderung der Treibhausgase bis 2020 gegenüber 1990, 55 Prozent bis 2030, 70 Prozent bis 2040 und Treibhaus-Neutralität bis 2050) zu erreichen, so zeigt sich grundsätzlich: Wachstum und Nachhaltigkeit sind keine Widersprüche.

Gerade wenn es um Arbeitsplätze und Strukturwandel in alten Industrie-Regionen geht, kann aber ein Zielkonflikt zwischen grünem und sozialem Wachstum bestehen. Richtige soziale Ziele und notwendige ökologische Transformation dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Deshalb gilt es grünes und soziales Wachstum zu nachhaltigem Wachstum zu vereinen. Dieses Wachstum ist ein Gegenmodell zum Wachstum des neoliberalisierten Kapitalismus: In eine gute Zukunft für alle wachsen statt kurzfristig den größtmöglichen shareholder value zu erzeugen.“

Abgelehnt Ä5 zum W2 10 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze Z. 10 nach “Sektor“: “(Als Beispiel lässt sich Deutschland nennen, das wegen der noch starken Industrie und dem Konjunkturprogramm, das die SPD in der großen Koalition gegen die ideenlosen Unionsparteien durchsetzen konnte, im Vergleich zu anderen Staaten glimpflich aus der Weltwirtschaftskrise kam.)“

Abgelehnt Ä6 zum W2 12 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze Z. 12 nach “sahen“: Trotz dieser Erkenntnis steht die Industrie heute wieder massiv unter Druck: Der Wettbewerb mit den amerikanischen Tech-Konzernen und den chinesischen Staatsunternehmen ist längst Realität und die Politik bleibt sprachlos, wie sie Wettbewerbsfähigkeit ohne ein Herabsenken von Arbeitsbedingungen und sozialen und ökologischen Standards garantieren kann.

Stattdessen setzt gerade die Europäische Kommission auf eine hoch schädliche Wettbewerbspolitik, die arbeitsplatzsichernde und globale Wettbewerbsfähigkeit schaffende Fusionen mittelgroßer und großer Unternehmen blockiert. Prominentes Beispiel ist die Blockade der Fusion von Thyssenkrupp mit Tata Steel. Bei der geplanten Fusion wurde unter Beteiligung der IG Metall ein langjähriger Ausschluss von Kündigungen vereinbart. Nach dem Stopp der Fusion baut Thyssenkrupp nun Stellen ab.“

Abgelehnt Ä7 zum W2 21 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze von Z. 21 “Unsere Industriepolitik“ bis Z. 22 “Prozesse eingreifen“ durch: “Linke Industriepolitik muss auf einen aktiven und investierenden Staat setzen“

Angenommen Ä8 zum W2 27 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 27 bis 31 durch: “Dabei hat die Sozialdemokratie schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie die Kraft eines ökologischen Wandels ist. 1991 war es der Sozialdemokrat Hermann Scheer, der das erste Einspeisevergütungsgesetz für Erneuerbare Energien erarbeitete und es zu einem überparteilichen Beschluss brachte. Zehn Jahre später folgte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das inzwischen die Strukturen der Stromerzeugung grundlegend geändert hat. Keiner anderen Partei kann es gelingen, sozialen Fortschritt und Klimaschutz – und damit die Anforderungen von Beschäftigten und Klimabewegung – zusammenzubringen. Für die Sozialdemokratie ist hat diese Aufgabe existenziellen Charakter.

Ä9 zum W2 32 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 32 “Fortschrittserzählung“ durch: “Fortschrittspolitik“

Mit Änderungen angenommen Ä10 zum W2 33 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze von Z. 33 “Dabei“ bis Z. 35 durch: “Industriepolitik ist für uns ein elementares Instrument, um gesellschaftlichen Fortschritt und wirtschaftliche und soziale Emanzipation voranzutreiben.“

Angenommen Ä11 zum W2 36 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 36 durch: “Der Staat als Motor des Fortschritts“

Angenommen Ä12 zum W2 37 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 37 bis 44 “Realität“ durch: “Derzeit ist die Industriepolitik von zwei gegensätzlichen Ansätzen geprägt. Zum einen gibt es den klassisch neoliberalen Ansatz, nach dem der Staat lediglich Bürokratie abbaut und ansonsten auf die Innovationskraft des Marktes hofft. Dieser Ansatz übersieht, dass private Investoren oft das Risiko scheuen, das für die notwendige Innovation notwendig wäre. Von der Eisenbahn über Internet, GPS, Touchscreens bis hin zu moderner Nanotechnologie sind die wesentlichen zu Wachstum führenden Innovationen durch die Risikobereitschaft des Staates entstanden. Der Kapitalismus hingegen hat sich in eine Richtung entwickelt, in der Wertabschöpfung stärker belohnt wird als Wertschöpfung. So wird zugelassen, dass vor allem die großen Digital-Konzerne von den staatlichen Investitionen profitieren, gleichzeitig aber keinen angemessenen Beitrag als Steuern zurückzahlen müssen. Lenkt man gegen diese Entwicklung nicht ein, gerät die für nachhaltiges Wachstum notwendige Innovationsfähigkeit in Gefahr. Der neoliberale Ansatz ist also nicht zukunftsfähig.

Auf einen gegensätzlichen Ansatz setzt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Als Antwort auf den Druck, der durch die Wettbewerbsvorteile chinesischer und amerikanischer Konkurrenz entsteht, will er bestehende Industrien durch wirtschaftspolitisch flankierte Modernisierung erhalten, also in erster Linie nationale Champions zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit fördern, etwa durch Lockerungen von Fusionsregeln. Das klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar und kann bei Einbindung von Gewerkschaften und bei einer klaren Prioritätensetzung auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und Tarifbindung dabei helfen, die Rechte von Beschäftigten zu erhalten und auszubauen. Langfristig hilft dieser Ansatz aber zur Schaffung von nachhaltigem Wachstum auch nicht weiter. Denn was die zukunfts- und marktfähigen Sektoren und Technologien sind, kann nicht der Staat vorschreiben. So könnten Ressourcen an den falschen Stellen eingesetzt und vergeudet werden. Letztlich verhindert dieser Ansatz mehr Innovation als dass es sie schafft.

Weder der neoliberale noch der staatsmonopolistisch-kapitalistische Ansatz von Peter Altmaier sind strategische Industriepolitik. Ziel muss es sein, Innovation zu schaffen, die zu nachhaltigem Wachstum führt. Kernvoraussetzung dafür ist ein aktiver Staat, der zu Investitionen bereit ist. Die Schuldenbremse in der Verfassung und die schwarze Null als erklärtes politisches Ziel wirken sich faktisch als Investitionsbremse aus.“

unclear Ä13 zum W2 54 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze von Z. 54 “um sogenannte“ bis Z. 74 durch: “ Für eine strategische Industriepolitik gilt es, sowohl Angebot als auch Nachfrage in den Blick zu nehmen. Wenn man mit Blick auf die derzeitigen Herausforderungen die Angebotsbedingungen positiv gestalten will, hilft es nur wenig, über Senkungen von Steuern und Abbau von Bürokratie zu reden. Stattdessen muss Angebotspolitik als Investitionspolitik begriffen werden: Anders als etwa Bundesbildungsministerin Anja Karliczek es sich vorstellt („Kein 5G an jeder Milchkanne“) muss der Staat eine flächendeckende und anspruchsvolle digitale Infrastruktur anbieten. Außerdem gilt es mit risikobereiter staatlicher Grundlagenforschung die Voraussetzungen für wirtschaftliche Innovationen zu schaffen. Gleichzeitig muss der Staat über öffentliche Nachfrage dazu beitragen, nachhaltige Produktivität zu ermöglichen. Dafür müssen ökologische Produktionsprozesse industrialisiert werden. Ziel der strategischen Nachfrage-Politik muss also die Etablierung einer Massenproduktion ökologischer und sozialer Güter sein.“

Angenommen Ä14 zum W2 75 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze vor Z. 75: “ In einer globalisierten Welt reicht eine nationalstaatliche Industrie-Strategie nicht aus – gerade wenn man ein globales Thema wie den Klimawandel damit angehen will. Europa hat einen gemeinsamen Markt, es braucht endlich auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik.“

Angenommen Ä15 zum W2 78 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 78 “Gleichzeitig konnte“ durch: “ Die EU ist noch immer geprägt von der Idee, dass bei einem gemeinsamen Binnenmarkt ein Wettbewerb zwischen den Nationalstaaten zur Herstellung globaler Wettbewerbsfähigkeit förderlich sei. Diese Politik führt allerdings zu einem ruinösen Wettbewerb mit einer Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsbedingungen und bietet keine Perspektive, mit chinesischen Staatsunternehmen und US-amerikanischen Tech-Konzernen mithalten zu können.

Dazu kommt eine starke ökonomische Polarisierung Europas, die ihre Ursache nicht nur in unterschiedlichen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, sondern vor allem in der Ungleichheit der Produktionsstrukturen hat. Während etwa Deutschland eine hohe ökonomische Komplexität aufzuweisen hat, haben Griechenland, Spanien, Portugal, Lettland und Estland ein geringes Ausmaß an technologischen Kapazitäten.  Die europäische Politik braucht ein gemeinsames Verständnis davon, wie man die europäische Wirtschaft innovativer machen will. Dazu lohnt sich auch ein genauerer Blick auf die Außenhandelsbilanz Deutschlands. Durch niedrige Löhne hat es die Wirtschaft der Bundesrepublik zwar geschafft massive Exportüberschüsse zu erzielen, allerdings sind die Gewinne weder durch eine hohe Importquote ausgeglichen worden, noch über Vermögens- oder Erbschaftssteuern in die Investitionskraft des Staates zurückgeflossen. Während die Wirtschaft von infrastruktureller Substanz gelebt hat, gab es auf Seiten der Vermögensverteilung eine doppelte Umverteilung von unten nach oben: Zum einen in den eigenen Betrieben, wo die Belegschaften nicht im ausreichenden Maße am Exportgewinn beteiligt wurden, und zum anderen zwischen den europäischen Staaten. Denn wo die Importe aus Deutschland kamen, wurden oft mit Schulden bezahlt

Praktisch möglich wird eine solche gemeinsame Politik nur sein, wenn man sich auf ein Europa verschiedener Geschwindigkeiten einlässt. Vorangehen sollte die Eurozone, ausgestattet mit einem eigenen starken Budget, das für gezielte Investitionen genutzt wird.

Global konnte in den letzten Jahren“

Abgelehnt Ä16 zum W2 86 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze Z. 86 nach “gab.“: “Langfristig müssen nachhaltig erwirtschaftete Produkte aus eigener Kraft im globalen Wettbewerb bestehen können. Daher sollten staatliche Förderungen für industriepolitische Maßnahmen degressiv gestaltet und befristet sein.“

Mit Änderungen angenommen Ä17 zum W2 87 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze nach Z. 87:

  • „Die Bundesregierung soll einen Plan aufstellen, in welche Richtung Innovation gefördert und öffentliche Nachfrage im nächsten Jahrzehnt gelenkt werden. Ziel soll dabei sein:
    • Mobilität: Bis 2030 soll Deutschland das klimafreundlichste und engmaschigste Mobilitätsangebot weltweit bieten. Dabei gilt es die soziale Dimension von Mobilität und die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen sowohl in Ballungszentren als auch in weniger besiedelten Räumen mitzudenken. Unser langfristiges Ziel bleibt der ticketlose ÖPNV.
    • Wohnen: Bis 2030 soll die öffentliche Hand massiv in den Wohnungsbau investieren. Das ist sowohl für die Ballungsräume mit ihrem Wohnungsmangel als auch für weniger dicht besiedelte Räume relevant, in denen etwa Smart-Home-Lösungen einen besseren Zugang zu medizinischer Infrastruktur ermöglichen können.
    • Energie: Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung soll bis 2030 auf mindestens 65 Prozent steigen.“
Abgelehnt Ä18 zum W2 88 Region Ostwestfalen-Lippe

Streiche Z. 88-93

Angenommen Ä19 zum W2 95 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze nach Z. 95:

  • “Steuerpolitische Anreize, um die Produktion nachhaltiger zu gestalten. Maßnahmen dazu können die Streichung umweltschädlicher Subventionen, eine ökologische Spreizung der Mehrwertsteuer oder eine sozial ausgestaltete CO²-Bespreisung sein.“
Angenommen Ä20 zum W2 96 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze Z. 96 nach “Forschung“: “Dafür soll eine permanent positive Investitionsquote von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes festgelegt werden.“

Angenommen Ä21 zum W2 97 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 97 durch:

  • “Die Schuldenbremse muss wieder aus dem Grundgesetz und den Landesverfassungen gestrichen werden. Der Fiskalpakt der Europäischen Union muss aufgekündigt und neu verhandelt werden mit dem Ziel, fiskalische Stabilität nicht mehr gegen Innovationsfähigkeit auszuspielen.“
Abgelehnt Ä22 zum W2 101 Region Ostwestfalen-Lippe

Streiche Z. 101 “und steuernden“

Mit Änderungen angenommen Ä23 zum W2 104 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze von Z. 104 “Durch die“ bis Z. 106 “Absicherung geben“ durch: “Unsere Aufgabe wird es sein, in den Transformationsporzessen vor Ort Zukunftsperspektiven gerade für junge Menschen und Sicherheit für Beschäftigte in der Industrie zu geben.“

Angenommen Ä24 zum W2 111 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze von Z. 111 “Wir fordern“ bis Z. 120 durch: “Wir wollen auch eine Zukunftsvision für die zukünftige Rolle der Industrie in NRW für die Energiewende entwickeln.“

Angenommen Ä25 zum W2 121 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 121 “Vorbereitung“ durch “Durchführung“

Angenommen Ä26 zum W2 148 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze nach Z. 148: “Die Nutzung von Forschungsgeldern für den Ausbau bzw. Bau von Hochschulen und Forschungseinrichtungen reicht allein nicht aus, um neue Impulse für ganze Regionen zu geben. Wichtig wird es sein, in Regionen auch die betriebliche Innovationskraft zu stärken. Viele mittelständische Betriebe haben zum Beispiel nur wenige oder gar keine Ingenieur*innen, sodass die Digitalisierung gerade für diese Betriebe, die vielen Menschen Arbeit geben, eine besonders große Herausforderung wird. Deshalb sollte in diesen Regionen nicht nur geforscht, sondern auch Technologietransfer organisiert werden. Als Beispiel könnte dafür könnte das Technologie-Netzwerk aus Ostwestfalen-Lippe „it’s owl“ herangezogen werden.

Konkret muss die Investitionsfähigkeit der Kommunen gesteigert werden. Der gewaltige Investitionsstau in Deutschland zeigt sich nicht nur bei digitalen und überregionalen Verkehrsnetzen, sondern vor allem auch in den Kommunen. Die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen sind dabei regional sehr unterschiedlich. Gerade die Kommunen, die als Globalisierungsverlierer starke Strukturwandel zu bewältigen hatten, wurden in Folge einer erhöhten Arbeitslosigkeit durch die Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips bei Sozialleistungen in den Abbau von freiwilligen Leistungen und die Verschuldung durch Kassenkredite getrieben. Die finanzielle Schieflage vieler Kommunen ist also grundsätzlich nicht die Folge unseriöser kommunaler Finanzplanung, sondern von strukturellen Fehlentwicklungen bei der Kommunalfinanzierung.

Die Folge: Die Kommunen leben nur noch von der Substanz. Seit der Wiedervereinigung sind die kommunalen Investitionen dramatisch eingebrochen, die Nettowerte sind seit sechszehn Jahren in Folge negativ. Die KfW bemisst den kommunalen Investitionsstau auf 138 Milliarden Euro.

Die Konsequenzen sind für die Menschen direkt spürbar: Wenn Schwimmbäder geschlossen werden, wenn kein Bus mehr fährt, wenn die Mietpreise der privatisierten Wohnungen steigen oder wenn die Schulgebäude marode sind, sinkt die Lebensqualität. Für Unternehmen wird es schwer, Fachkräfte in solche Kommunen anzuwerben. Höhere Gewerbesteuern und eine marode Infrastruktur vor Ort führen dazu, dass Unternehmen abwandern.

Kommunen wie Mohnheim nutzen diese Schieflage aus, ziehen mit Niedrigst-Sätzen bei der Gewerbesteuer Unternehmen an und verschlimmern so die finanzielle Schieflage anderer Kommunen. Ein solcher Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen mit der Herausbildung kommunaler Steueroasen führt zu keinerlei wirtschaftlichem Fortschritt, sondern zu einer Abwärtsspirale bei der kommunalen Infrastruktur.

Handlungsfähige und investitionsbereite Kommunen werden gebraucht, wenn die Transformationen gelingen sollen. Deshalb muss eine grundsätzliche Neuregelung der kommunalen Finanzen in den Blick genommen werden.“

Mit Änderungen angenommen Ä27 zum W2 152 Region Ostwestfalen-Lippe

Ersetze Z. 152-153 durch:

  • „Eine sozialpolitische Absicherung, vor allem durch eine Stärkung von Aus- und Weiterbildung.“
Angenommen Ä28 zum W2 159 Region Ostwestfalen-Lippe

Ergänze nach Z. 159:

  • „Netzwerke, die den Austausch zwischen Forschungseinrichtungen und Betrieben herstellen, sollen finanziell gestärkt werden
  • Es muss sichergestellt werden, dass innovative Ideen nicht an Kapitalmangel oder fehlender Risikobereitschaft von Kreditinstituten scheitern. Deshalb gilt es – zum Beispiel durch die KfW oder staatliche Fonds – die Finanzierung von Green Tech-Investitionen und Neugründungen sicherzustellen.“
Abgelehnt Ä29 zum W2 171 Region Ostwestfalen-Lippe

Streiche Z. 171-172 “erreicht wird.“

Abgelehnt Ä30 zum W2 184 Region Ostwestfalen-Lippe

Streiche Z. 184 “Hierfür braucht“ bis Z. 189

Abgelehnt Ä1 zum W2 188 UB Bonn

Füge in Z. 188 nach „Ausstiegsjahr“ ein:

„2030“

Text des Beschlusses:

Die politische Debatte im Jahr 2019 ist geprägt von der Klima-Frage. Nach dem Hitze- und Dürresommer 2018, den Bildern von schmelzenden Eisbergen und vermüllten Meeren in den Nachrichten und dem vor allem von jungen Menschen auf die Straße gebrachten Druck erwarten viele Menschen von der Politik ein schnelleres Umstellen auf eine nachhaltigere Wirtschafts- und Lebensweise. Der Klimawandel stellt in seinem Voranschreiten einen Imperativ für die Politik dar, der sich nicht wegverhandeln lässt: Wenn die Menschheit auf diesem Planeten eine Zukunft haben will, muss sie umsteuern. Wir als Jusos unterstützen deshalb die Bewegung Fridays for Future.

Gleichzeitig zeigt das Ergebnis der Europawahl und der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen aber auch, dass es offensichtlich nicht überall Klima-Fragen sind, die Menschen umtreiben. So sind es im Osten nicht nur die Grünen, sondern die Rechtsradikalen, die zulegen konnten. Wo eine politische Linke mit der Beantwortung sozialer Fragen und dem Versprechen von Anerkennung, sicheren Arbeitsplätzen und einer guten Infrastruktur ausbleibt, ziehen sich die Menschen ins Nationale zurück. Die Rechten können zwar auch keine sozialen Antworten bieten, aber sie bieten Anerkennung über nationale Identitäten. Gerade deshalb ist es sozialdemokratische Aufgabe, die von den Rechten instrumentalisierten Ängste zu nehmen und durch ein positives-progressives Bild zu ersetzen. Dazu gehört es auch, der Verachtung von industrieller Arbeitswelt entgegen zu treten. Wer die gesellschaftlichen Spaltungen beenden will, muss Industriepolitik gestalten wollen.

Denn neben den bestehenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie Globalisierung, Automatisierung und die Digitalisierung sehen wir uns jetzt mit der notwendigen ökologischen Transformation konfrontiert. Verschärft wird diese Lage dadurch, dass in den vergangenen Jahrzehnten alle oben genannten Herausforderungen unter den Bedingungen eines sich neoliberalisierten Kapitalismus stattgefunden haben. Dieser Kapitalismus hat sich in eine Richtung entwickelt, in der Wertabschöpfung stärker belohnt wird als Wertschöpfung. So wird zugelassen, dass vor allem die großen Digital-Konzerne von den staatlichen Investitionen profitieren, gleichzeitig aber keinen angemessenen Beitrag als Steuern zurückzahlen müssen. Der neoliberale Ansatz ist also nicht geeignet um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen.

Unser Ziel bleibt der demokratische Sozialismus, die Gesellschaft der Freien und Gleichen. In der Tradition der Arbeiter*innenbewegung sehen wir uns als progressive Partei, die den Fortschritt nicht verteufelt, sondern ihn gestaltet. Man kann die ökologische Frage nicht ohne die soziale Frage diskutieren – genauso wie man die soziale Frage nicht ohne ökologische Frage diskutieren kann. Die ökologische Krise macht klar: Unsere Wirtschaft kann nicht so weiter wachsen wie bisher. Hier sehen wir durch eine konsequente linke Industriepolitik die Chance, in NRW soziale und ökologische Aspekte gemeinsam zu diskutieren und dabei eine proaktive Rolle Nordrhein-Westfalens für die Energiewende herauszustellen.

Wir brauchen eine sozial-ökologische Industriepolitik 

Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich gezeigt, dass die Abgesänge auf den industriellen Sektor verfrüht und falsch waren. Diskussionen über die Relevanz von Industrie und Industriepolitik sind wieder in den Fokus gerückt. Die Krise hat deutlich gezeigt, dass Länder mit einem starken industriellen Sektor weniger von Folgen der Krise betroffen waren, als diejenigen die ihre Zukunft in Dienstleistungen und Finanzwirtschaft sahen. Der industrielle Sektor verursacht aber auch einen beträchtlichen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen und trägt damit im erheblichen Maße zum Klimawandel bei. Angesichts weltweiter Verfehlung der Ziele des Pariser Klimaabkommens, endlicher Ressourcen und begrenzter ökologischer Tragfähigkeit unseres Planeten führen die globalen Umweltveränderungen zur Verschärfung von Verteilungskonflikten. Die ökologische Frage müssen wir vor Allem als Verteilungsfrage begreifen, da gerade Menschen in den wirtschaftlich schwachen Regionen dieser Erde am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden.

Unter diesen Gesichtspunkten muss also zuallererst definiert werden, wie eine gute linke Industriepolitik ausgerichtet werden soll. Festhalten lässt sich zunächst einmal, dass unsere Industriepolitik keine Lobbypolitik für Unternehmen oder deren Eigentümer*Innen sein darf, sondern sich nach den Interessen der Beschäftigten und den Bedürfnissen der Gesellschaft zu richten hat. Unsere Industriepolitik muss strategisch in wirtschaftliche Prozesse eingreifen und sich von der Einstellung verabschieden, dass der Staat keine wirtschaftliche Kompetenz besitzt. Der freie Markt wird die geringste Lösungskompetenz für die Frage besitzen, wie wir z.B. die Interessen der abhängig Beschäftigten absichern, Klimagerechtigkeit im globalen Süden herstellen und ganz grundsätzlich die Grundlagen menschlichen Lebens jetzt und in Zukunft sichern. Wir wollen eine Industriepolitik, die diese Probleme im Ganzen mitdenkt, angeht und löst.



Unsere Industriepolitik muss soziale und ökologische Politik zu einer gemeinsamen Fortschrittserzählung und -politik verknüpfen und gemeinsam mit vielen Bündnispartner*innen Alternativen zum aktuellen System aufzeigen. Industriepolitik ist für uns ein elementares Instrument, um gesellschaftlichen Fortschritt und wirtschaftliche und soziale Emanzipation entgegen bestehender Verhältnisse voranzutreiben.

Der Staat als Motor des Fortschritts

Derzeit ist die Industriepolitik von zwei gegensätzlichen Ansätzen geprägt. Zum einen gibt es den klassisch neoliberalen Ansatz, nach dem der Staat lediglich Bürokratie abbaut und ansonsten auf die Innovationskraft des Marktes hofft. Dieser Ansatz übersieht, dass private Investoren oft das Risiko scheuen, das für die notwendige Innovation notwendig wäre. Von der Eisenbahn über Internet, GPS, Touchscreens bis hin zu moderner Nanotechnologie sind die wesentlichen zu Wachstum führenden Innovationen durch die Risikobereitschaft des Staates entstanden. Der Kapitalismus hingegen hat sich in eine Richtung entwickelt, in der Wertabschöpfung stärker belohnt wird als Wertschöpfung. So wird zugelassen, dass vor allem die großen Digital-Konzerne von den staatlichen Investitionen profitieren, gleichzeitig aber keinen angemessenen Beitrag als Steuern zurückzahlen müssen. Lenkt man gegen diese Entwicklung nicht ein, gerät die für nachhaltiges Wachstum notwendige Innovationsfähigkeit in Gefahr. Der neoliberale Ansatz ist also nicht zukunftsfähig.

Auf einen gegensätzlichen Ansatz setzt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Als Antwort auf den Druck, der durch die Wettbewerbsvorteile chinesischer und amerikanischer Konkurrenz entsteht, will er bestehende Industrien durch wirtschaftspolitisch flankierte Modernisierung erhalten, also in erster Linie nationale Champions zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit fördern, etwa durch Lockerungen von Fusionsregeln. Das klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar und kann bei Einbindung von Gewerkschaften und bei einer klaren Prioritätensetzung auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und Tarifbindung dabei helfen, die Rechte von Beschäftigten zu erhalten und auszubauen. Langfristig hilft dieser Ansatz aber zur Schaffung von nachhaltigem Wachstum auch nicht weiter. Denn was die zukunfts- und marktfähigen Sektoren und Technologien sind, kann nicht der Staat vorschreiben. So könnten Ressourcen an den falschen Stellen eingesetzt und vergeudet werden. Letztlich verhindert dieser Ansatz mehr Innovation als dass es sie schafft.

Weder der neoliberale noch der staatsmonopolistisch-kapitalistische Ansatz von Peter Altmaier sind strategische Industriepolitik. Ziel muss es sein, Innovation zu schaffen, die zu nachhaltigem Wachstum führt. Kernvoraussetzung dafür ist ein aktiver Staat, der zu Investitionen bereit ist. Die Schuldenbremse in der Verfassung und die schwarze Null als erklärtes politisches Ziel wirken sich faktisch als Investitionsbremse aus.


In Zeiten von großen Herausforderungen brauchen wir ein neues Staatsverständnis, denn in den letzten Jahren hat sich die Politik als wahrnehmbarer industriepolitischer Akteur zu einer Moderatorenrolle zurückgezogen. Wir fordern, dass der Staat wieder eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung von nachhaltiger Industriepolitik einnimmt. Es ist unwahrscheinlich, dass Transformationsprozesse allein durch den Markt zu nachhaltiger Industrie führen. Anstatt frühzeitig und intensiv in Alternativen für ein auslaufendes Wertschöpfungsmodell zu investieren, setzen die Mechanismen eines freien Marktes eher den Anreiz, so lange Rendite aus alten Technologien zu gewinnen bis diese durch unüberwindbare Hürden, wie effizientere Technologien, Marktsättigung oder gesellschaftlicher Ablehnung endgültig nicht mehr investitionswürdig sind. Entscheidungsträger*innen und Investor*innen sind durch frühzeitige Auslagerung von Risiken meist gut abgesichert, während die Existenz der abhängig Beschäftigten durch Stellenabbau und Restrukturierungsmaßnahmen gefährdet ist. Um sogenannte Pfadwechselprozesse erfolgreich zu meistern, bedarf es einer starken industriepolitischen Planung und dementsprechend eines stärkeren staatlichen Eingriffs in Marktprozesse. Verlässliche politische Leitlinien wären hier bindende Entwicklungsziele, technisch anspruchsvolle Benchmarks, Förderprogramme oder Sanktionen.

Für eine strategische Industriepolitik gilt es, sowohl Angebot als auch Nachfrage in den Blick zu nehmen. Wenn man mit Blick auf die derzeitigen Herausforderungen die Angebotsbedingungen positiv gestalten will, hilft es nur wenig, über Senkungen von Steuern und Abbau von Bürokratie zu reden. Stattdessen muss Angebotspolitik als Investitionspolitik begriffen werden: Anders als etwa Bundesbildungsministerin Anja Karliczek es sich vorstellt („Kein 5G an jeder Milchkanne“) muss der Staat eine flächendeckende und anspruchsvolle digitale Infrastruktur anbieten. Außerdem gilt es mit risikobereiter staatlicher Grundlagenforschung die Voraussetzungen für wirtschaftliche Innovationen zu schaffen. Gleichzeitig muss der Staat über öffentliche Nachfrage dazu beitragen, nachhaltige Produktivität zu ermöglichen. Dafür müssen ökologische Produktionsprozesse industrialisiert werden. Ziel der strategischen Nachfrage-Politik muss also die Etablierung einer Massenproduktion ökologischer und sozialer Güter sein.




In der Debatte um das volkswirtschaftliche Wachstum gibt es grundsätzlich zwei Positionen: Die eine Seite, die ein unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten in Frage stellt (Postwachstum/Degrowth) und die Andere, die glaubt, durch Effizienzsteigerung einen stetigen Zuwachs des BIP gewährleisten zu können (Green-Growth). Dabei zeigt bereits der sog. Rebound Effekt, dass es bei immer effizienterer Stromerzeugung zu steigendem Ressourcenverbrauch kommt. Hier muss Politik mit der Bestimmung von Gesamtmengen und Grenzwerten entgegenwirken, aber auch die ressourcenschonendsten und effizientesten Technologien fördern. Ordnungspolitische Maßnahmen wären die Vorgaben bei Grenzwerten oder Technologieverboten. Flankiert muss das ganze durch eine Reform der Indikatoren, die zur volkswirtschaftlichen Steuerung verwendet werden. Eine Abkehr vom BIP als glorifizierte Maßeinheit hin zu einem Indikator, der sich auf monetäre, soziale und ökologische Faktoren stützt ist für eine ökologische Wende Bedingung.

In einer globalisierten Welt reicht eine nationalstaatliche Industrie-Strategie nicht aus – gerade wenn man ein globales Thema wie den Klimawandel damit angehen will. Europa hat einen gemeinsamen Markt, es braucht endlich auch eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Europäische Union hat jahrzehntelang einer aktiven europaweiten Industriepolitik eine Absage erteilt. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 geriet der neoliberale Glaubensgrundsatz, dass die EU nur eine moderierende und marginal fördernde Rolle in der Wirtschaft spielen soll in eine tiefe Legitimationskrise.

Die EU ist noch immer geprägt von der Idee, dass bei einem gemeinsamen Binnenmarkt ein Wettbewerb zwischen den Nationalstaaten zur Herstellung globaler Wettbewerbsfähigkeit förderlich sei. Diese Politik führt allerdings zu einem ruinösen Wettbewerb mit einer Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsbedingungen und bietet keine Perspektive, mit chinesischen Staatsunternehmen und US-amerikanischen Tech-Konzernen mithalten zu können.

Dazu kommt eine starke ökonomische Polarisierung Europas, die ihre Ursache nicht nur in unterschiedlichen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, sondern vor allem in der Ungleichheit der Produktionsstrukturen hat. Während etwa Deutschland eine hohe ökonomische Komplexität aufzuweisen hat, haben Griechenland, Spanien, Portugal, Lettland und Estland ein geringes Ausmaß an technologischen Kapazitäten. Die europäische Politik braucht ein gemeinsames Verständnis davon, wie man die europäische Wirtschaft innovativer machen will. Dazu lohnt sich auch ein genauerer Blick auf die Außenhandelsbilanz Deutschlands. Durch niedrige Löhne hat es die Wirtschaft der Bundesrepublik zwar geschafft massive Exportüberschüsse zu erzielen, allerdings sind die Gewinne weder durch eine hohe Importquote ausgeglichen worden, noch über Vermögens- oder Erbschaftssteuern in die Investitionskraft des Staates zurückgeflossen. Während die Wirtschaft von infrastruktureller Substanz gelebt hat, gab es auf Seiten der Vermögensverteilung eine doppelte Umverteilung von unten nach oben: Zum einen in den eigenen Betrieben, wo die Belegschaften nicht im ausreichenden Maße am Exportgewinn beteiligt wurden, und zum anderen zwischen den europäischen Staaten. Denn wo die Importe aus Deutschland kamen, wurden oft mit Schulden bezahlt

Praktisch möglich wird eine solche gemeinsame Politik nur sein, wenn man sich auf ein Europa verschiedener Geschwindigkeiten einlässt. Vorangehen sollte die Eurozone, ausgestattet mit einem eigenen starken Budget, das für gezielte Investitionen genutzt wird.

Global konnte in den letzten Jahren beobachtet werden, wie durch massive industriepolitische Interventionen sogenannte Schwellenländer wie z.B. Südkorea oder China in den letzten Jahrzehnten zu starken industriellen Playern in der High-Tech-Industrie und im öko-technologischen Bereich wuchsen. Erst durch starke finanzielle Unterstützung chinesischer Unternehmen konnten internationale Player wie Alibaba oder Huawei entstehen. Erwähnenswert ist, dass seit den Streichungen von staatlichen Subventionen im Solarbereich in Deutschland die Zahl der Arbeitsplätze zwischen 2010 und 2016 von 130.000 auf 30.000 zurückgegangen ist. Daher sollte es erstrebenswert sein, wieder nachhaltige europäische Unternehmen zu fördern, die ohne staatliche Unterstützung nicht bestehen können, ähnlich wie es jahrzehntelang eine staatliche Stützung in der Kohleindustrie gab.

Daher fordern wir: 

  • Die Bundesregierung soll einen Plan aufstellen, in welche Richtung Innovation gefördert und öffentliche Nachfrage im nächsten Jahrzehnt gelenkt werden. Ziel soll dabei sein:
    • Mobilität: Bis 2030 soll Deutschland das klimafreundlichste und engmaschigste Mobilitätsangebot weltweit bieten. Dabei gilt es die soziale Dimension von Mobilität und die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen sowohl in Ballungszentren als auch in weniger besiedelten Räumen mitzudenken. Unser langfristiges Ziel bleibt der ticketlose ÖPNV.
    • Wohnen: Bis 2030 soll die öffentliche Hand massiv in den Wohnungsbau investieren. Das ist sowohl für die Ballungsräume mit ihrem Wohnungsmangel als auch für weniger dicht besiedelte Räume relevant, in denen etwa Smart-Home-Lösungen einen besseren Zugang zu medizinischer Infrastruktur ermöglichen können.
    • Energie: Wir wollen durch einen ambitionierten Fahrplan die erneuerbaren Energien so ausbauen, dass sie bis 2030 die Grundlage für unsere Stromversorgung sind.
  • Eine Trias in der Industriepolitik: Gerechte Verteilung von Wohlstand, Gute Arbeit und ökologische Nachhaltigkeit
  • Ein neues Staatsverständnis in der Industriepolitik: Eine aktive Steuerung von Marktprozessen unter Bedingungen von Guter Arbeit und nachhaltigem Ressourcenverbrauch
  • Starke Industriepolitische Planung von Pfadwechseln durch bindende Entwicklungsziele, technisch anspruchsvolle Benchmarks, Förderprogramme und Sanktionen
  • Ordnungspolitische Maßnahmen wie Grenzwerte, Grenzmengen und Technologieverbote bei umweltschädlichen Produkten
  • Steuerpolitische Anreize, um die Produktion nachhaltiger zu gestalten. Maßnahmen dazu können die Streichung umweltschädlicher Subventionen, eine ökologische Spreizung der Mehrwertsteuer oder eine sozial ausgestaltete CO²-Bespreisung sein.
  • Massive Investitionen in Infrastruktur und Forschung. Dafür soll eine permanent positive Investitionsquote von 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes festgelegt werden.
  • Die Schuldenbremse muss wieder aus dem Grundgesetz und den Landesverfassungen gestrichen werden. Der Fiskalpakt der Europäischen Union muss aufgekündigt und neu verhandelt werden mit dem Ziel, fiskalische Stabilität nicht mehr gegen Innovationsfähigkeit auszuspielen.
  • Eine Neuausrichtung europäischer Beihilfen sowie eine Regelung der öffentlichen Vergabepolitik und Fördermittelvergabe mit der Wahrung der kollektiven Rechte an der Innovation.
  • Ein neuer Indikator zur wirtschaftlichen Steuerung, der sowohl monetäre als auch soziale und ökologische Faktoren mit einbezieht muss entwickelt werden.

Zukunftsinitiative für NRW 

Die Rolle eines aktiven und steuernden Staates muss in NRW am Beispiel der Transformationsprozesse deutlich werden. Die SPD muss ein nachhaltiges Zukunftskonzept für die Industrie in NRW vorgeben und die Rolle der Industrie in NRW für die Energiewende ausgestalten. Dazu müssen wir das derzeitige Vakuum von großen Zukunftsperspektiven aufbrechen. Durch die Energiewende sind auch junge Menschen betroffen. Unsere Aufgabe wird es sein, in den Transformationsprozessen vor Ort Zukunftsperspektiven gerade für junge Menschen aufzuzeigen und Antworten auf zentrale Verteilungsfragen wie die der sozialen Absicherung geben. Die Förderung neuer Arbeitsplätze, zum Beispiel im Rahmen der Energiewende, ist unser Anspruch an eine sozialdemokratische Industrie-, Energie- und Klimapolitik. Wir Jungsozialist*innen möchten Zukunftsperspektiven für Beschäftigte aufzeigen, die über finanzielle Leistungen hinausgehen. Daher fordern wir nicht nur die Bereitstellung einzelner sozialpolitischer Maßnahmen, wie Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote. Wir wollen auch eine Zukunftsvision für die zukünftige Rolle der Industrie in NRW für die Energiewende entwickeln.


Erste Impulse für die zukünftige Rolle der Industrie in NRW sehen wir in der Durchführung der Energiewende, sowie in einer nachhaltigeren Rohstoffverarbeitung und -veredelung. Für die Umsetzung der Energiewende müssen u.a. Produkte wie Windkrafträder, Solarzellen und energieeffiziente Transformatoren erhältlich sein. Industrie, die diese Produkte herstellt und verarbeitet, muss weiterhin und vorzugsweise in NRW bestehen bleiben. Daraus ergibt sich eine Doppelstrategie für die Zukunft der Industrie in Nordrhein-Westfalen:

Für die Zukunft der Energiewende sind erneuerbare Energien eine entscheidende Technologie zur Energiegewinnung und Stromerzeugung. Einige Bundesländer zeigen besonders attraktive Standortfaktoren für die Energiegewinnung durch erneuerbare Energien auf. Dies darf nicht zu einer intranationalen Konkurrenz auf Kosten von Arbeitsplätzen und regionalen Strukturen führen. Vielmehr muss die politische Antwort darin liegen, die individuellen Potentiale in den einzelnen Bundesländern für einen Beitrag zur Energiewende zu nutzen und auszubauen. So kann NRW z.B maßgeblich mit der weiteren Erforschung von Brennstoffzellen am Forschungszentrum Jülich oder der Herstellung von energieeffizienten Transformatoren durch thyssenkrupp Electrical Steel zur Schaffung von grundlegenden Technologien für die Energiewende beitragen. Die Herstellung der Ausgangsprodukte für eine Umsetzung der Energiewende empfinden wir als erstes Standbein einer neuen Zukunftsperspektive für die Industrie in Nordrhein-Westfalen. Für den Erfolg dieser Perspektive ist es besonders relevant, die Produktionsstätten am Standort NRW zu halten. Staatliche Förderungsmodelle müssen einen schnellen und skalierten Ausbau der erneuerbaren Energien absichern und positive Anreize für die Herstellung an strukturschwachen Standorten schaffen.

Gleichzeitig muss es auch Ziel sein langfristig die Rohstoffverarbeitung und Rohstoffveredelung nachhaltiger zu gestalten. Die Industrie stellt die materielle Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung im gesamten Bundesland dar. Sie muss erhalten bleiben und ihre Zukunftsfähigkeit muss gesichert werden. Wir sehen in der Aufgabe, die Dekarbonisierung der Industrie voranzubringen, die Sicherung dieser Zukunftsfähigkeit. Eine vermehrte Nachfrage nach nachhaltiger Energie sollte zukünftig durch NRW gedeckt werden können. In der Wende hin zu nachhaltiger Energie muss sich NRW aktiv als relevanter und mit gestaltendem Akteur einbringen. Einige internationale deutsche Konzerne wie Bosch und thyssenkrupp arbeiten bereits an der Umstellung zur klimaneutralen Produktion bzw. Rohstoffgewinnung und signalisieren ihr Interesse und ihre Bereitschaft einer Umstellung. NRW hat hier eine riesige Chance der Zukunftsmotor zu sein.  Die Politik muss diese Chance ergreifen und fördern, u.a. durch breite Investitionen in Forschungsinfrastrukturen.

Die Nutzung von Forschungsgeldern für den Ausbau bzw. Bau von Hochschulen und Forschungseinrichtungen reicht allein nicht aus, um neue Impulse für ganze Regionen zu geben. Wichtig wird es sein, in Regionen auch die betriebliche Innovationskraft zu stärken. Viele mittelständische Betriebe haben zum Beispiel nur wenige oder gar keine Ingenieur*innen, sodass die Digitalisierung gerade für diese Betriebe, die vielen Menschen Arbeit geben, eine besonders große Herausforderung wird. Deshalb sollte in diesen Regionen nicht nur geforscht, sondern auch Technologietransfer organisiert werden. Als Beispiel könnte dafür könnte das Technologie-Netzwerk aus Ostwestfalen-Lippe „it’s owl“ herangezogen werden.

Konkret muss die Investitionsfähigkeit der Kommunen gesteigert werden. Der gewaltige Investitionsstau in Deutschland zeigt sich nicht nur bei digitalen und überregionalen Verkehrsnetzen, sondern vor allem auch in den Kommunen. Die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen sind dabei regional sehr unterschiedlich. Gerade die Kommunen, die als Globalisierungsverlierer starke Strukturwandel zu bewältigen hatten, wurden in Folge einer erhöhten Arbeitslosigkeit durch die Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips bei Sozialleistungen in den Abbau von freiwilligen Leistungen und die Verschuldung durch Kassenkredite getrieben. Die finanzielle Schieflage vieler Kommunen ist also grundsätzlich nicht die Folge unseriöser kommunaler Finanzplanung, sondern von strukturellen Fehlentwicklungen bei der Kommunalfinanzierung.

Die Folge: Die Kommunen leben nur noch von der Substanz. Seit der Wiedervereinigung sind die kommunalen Investitionen dramatisch eingebrochen, die Nettowerte sind seit sechszehn Jahren in Folge negativ. Die KfW bemisst den kommunalen Investitionsstau auf 138 Milliarden Euro.

Die Konsequenzen sind für die Menschen direkt spürbar: Wenn Schwimmbäder geschlossen werden, wenn kein Bus mehr fährt, wenn die Mietpreise der privatisierten Wohnungen steigen oder wenn die Schulgebäude marode sind, sinkt die Lebensqualität. Für Unternehmen wird es schwer, Fachkräfte in solche Kommunen anzuwerben. Höhere Gewerbesteuern und eine marode Infrastruktur vor Ort führen dazu, dass Unternehmen abwandern.

Kommunen wie Mohnheim nutzen diese Schieflage aus, ziehen mit Niedrigst-Sätzen bei der Gewerbesteuer Unternehmen an und verschlimmern so die finanzielle Schieflage anderer Kommunen. Ein solcher Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen mit der Herausbildung kommunaler Steueroasen führt zu keinerlei wirtschaftlichem Fortschritt, sondern zu einer Abwärtsspirale bei der kommunalen Infrastruktur.

Handlungsfähige und investitionsbereite Kommunen werden gebraucht, wenn die Transformationen gelingen sollen. Deshalb muss eine grundsätzliche Neuregelung der kommunalen Finanzen in den Blick genommen werden.

Daher fordern wir:

  • Die Interessen von sozialer Absicherung und ökologischer Nachhaltigkeit zu vereinen und zukunftsorientierte Arbeitsmarktperspektiven für die Industrie aufzuzeigen
  • Die Abwendung von der Idee der sozialpolitischen Einzelmaßnahmen als Grundstein für den Transformationsprozess
  • Eine sozialpolitische Absicherung, vor allem durch eine Stärkung von Aus- und Weiterbildung.
  • Ein Zukunftskonzept für die Industrie in NRW als Grundlage für eine tiefgreifende Debatte um die Gestaltung der nationalen Energiewende
  • Staatliche Förderungsmodelle müssen einen schnellen und skalierten Ausbau der erneuerbaren Energien sichern und positive Anreize für die Herstellung an deutschen Standorten schaffen
  • Die Politik muss die Bereitschaft zur klimaneutralen Produktion fördern, erweitern und durch breite Investitionen in Forschung auf die Industrie in NRW ausweiten
  • Netzwerke, die den Austausch zwischen Forschungseinrichtungen und Betrieben herstellen, sollen finanziell gestärkt werden
  • Es muss sichergestellt werden, dass innovative Ideen nicht an Kapitalmangel oder fehlender Risikobereitschaft von Kreditinstituten scheitern. Deshalb gilt es – zum Beispiel durch die KfW oder staatliche Fonds – die Finanzierung von Green Tech-Investitionen und Neugründungen sicherzustellen.

Zukunftskonzept als Diskussionsgrundlage 

Mit dieser Doppelstrategie kann auch die Frage nach der zeitlichen Zukunft der Braunkohle in NRW neu diskutiert werden. Nicht erst seit den Fridays for Future Demonstrationen ist klar, dass eine der wichtigsten politischen Aufgaben die Weiterentwicklung des industriellen Sektors weg von der Abhängigkeit fossiler Energiequellen und hin zu einer nachhaltigen Versorgung ist. Betrachtet man die Industriestruktur in NRW wird deutlich, dass an der Braun- und Steinkohle viele entscheidende Schlüsselindustrien hängen. Daher darf sich der Blick beim anstehenden Strukturwandel nicht nur auf die Arbeitnehmer*innen und Regionen, die ihren Wohlstand hauptsächlich auf der Kohle aufbauen, richten, sondern muss auch auf die dahinter gelagerten Industrien gelenkt sein. Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Braunkohle und die Transformation all dieser Industriezweige ist unabdingbar und die Diskussion um ein Ausstiegsdatum nur die Spitze des Eisbergs. Es müssen jetzt alle politischen Handlungsträger*innen, Sozialpartner*innen und Wissenschaftler*innen zusammenkommen, um ein Konzept zu erarbeiten mit dem ein schnellstmöglicher Ausstieg, eine neue Chance bzw. ein Aufbruch für NRW und ganz Deutschland erreicht wird. Wichtig für die Verwirklichung dieses Ziels ist die Weiterentwicklung der Industrien, die für die Energiewende relevant sind. Durch gezielte Förderung und Vernetzung dieser Industrien kann ein neuer Zukunftsmotor entstehen. Dabei können die oben genannten Unternehmen als mögliche Beispiele für den anstehenden Wandel fungieren

Darüber hinaus steht die Versorgungssicherheit energieintensiver Industrien im Vordergrund. Dabei muss NRW vor allem in die Erforschung nachhaltiger Speicherkapazitäten investieren, denn in der Zeit nach der Kohle wird vor allem eine verlässliche Energieversorgung schwierig sein. Für diese Aufgaben braucht es neue Industrien und Ideen. Platz hierfür könnten die Flächen des Tagebaus bieten, da sie teilweise mit ihrer guten Lage zwischen der Metropolregion Köln und dem Forschungsstandort Aachen für eine gewerbliche und industrielle Entwicklung prädestiniert sind. Wenn NRW die ehemals „schmutzigen“ Industrien in die Pflicht für den Umbruch nimmt und die gesellschaftlichen Kosten der Verbrennung von Kohle nicht nur auf die Gemeinschaft, sondern auch auf die Kapitalist*innen abwälzt, gibt es eine echte Chance als Bundesland Vorreiter für einen gelungenen Strukturwandel zu sein. Hierfür braucht es jetzt aber auch Planungssicherheit. Der gefundene Kohlekompromiss wird die Zeit nicht überdauern, denn der gesellschaftliche Widerstand ist viel zu groß. Deshalb muss schnellstmöglich ein neuer Prozess starten, der die Zukunftsvision für die Zeit nach der Kohle von politischer Seite aus klar vorgibt. Es braucht gesellschaftliche Akteure um diesen Prozess zum Erfolg zu führen. Das Ziel bzw. Ausstiegsjahr darf aber nicht Gegenstand einer solchen Verhandlung sein, sondern muss vielmehr als übergeordnetes politische Ziel feststehen.

Daher fordern wir:

  • Die Vernetzung und Förderung für die Energiewende relevanter Industrien
  • Die Erforschung von Speicherkapazitäten in NRW für Versorgungssicherheit in der Zeit nach der Kohle
  • Die Flächen des Tagebaus durch den Staat zu entwickeln
  • Die Einbeziehung der durch Kohleverstromung gemachten Gewinne
Beschluss-PDF:

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