Archive

F15 Gendergerechte und diversitätsorientierte Forschung: Gegen die Unterrepräsentation von Personengruppen in Pharmakologischen Studien

29.08.2019

Gendergerechte Forschung und Diversität in der Forschung sind Themen, die in der breiten Öffentlichkeit nicht besonders bekannt sind, aber dennoch immer wieder in den akademischen Fokus geraten.

(Hinweis: Im folgenden Antragstext wird in Teilen nicht mit * gegendert. Dies tun wir nicht, weil wir nicht anerkennen wollen, dass es einen Unterschied zwischen sex und gender gibt bzw. mehr als nur zwei Geschlechter, sondern weil aufgrund der medizinischen Thematik des Antrags an nicht mit * gegenderten Stellen vom biologischen sex Mann/Frau die Rede ist. Wir weisen ausdrücklich

darauf hin, dass wir anerkennen, dass es auch hier nicht nur diese beiden Geschlechter gibt und sich an dem medizinisch etablierten Mann-Frau etwas ändern muss.)

Unsere Forderungen:

Wir möchten uns mit diesem Antrag klar für geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Forschung einsetzen. Wir wollen außerdem auf die vorhandenen Missstände aufmerksam machen und eine höhere Sensibilität für das Thema innerhalb der Jusos erreichen.

Wir begrüßen, dass mittlerweile Arzneimittelstudien Männer und Frauen gleichermaßen miteinbeziehen müssen und die Ergebnisse auch für die Zulassung von Medikamenten miteinbezogen werden. Doch dies war nicht immer so.

Vor allem bereits vor Jahrzehnten entwickelte Medikamente sollen erneut auf geschlechtsspezifische Unterschiede untersucht werden und die Empfehlungen zu Verschreibungen dementsprechend angepasst werden. Dabei besonders in Betracht zu ziehen sind Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Lehrstühle für gendergerechte Forschung sollen stärker gefördert werden, um die Grundlagenforschung in diesem Gebiet voran zu bringen.

Unterschiede zwischen dem Sex Mann und Frau: Gibt es das überhaupt?

Lange Zeit hat man auch in der Forschung geglaubt, es reiche Studien nur an Männern durchzuführen und die Ergebnisse einfach auf den biologisch eher weiblichen Körper zu übertragen. So groß könnten die Unterschiede ja nicht sein?

Dies stellte sich als falsch heraus – mit fatalen Folgen. Schon die physiologischen Begebenheiten sind bei Frauen anders. Die Aufnahme, Verstoffwechselung und Ausscheidung, also die sogenannte Pharmakokinetik, unterscheidet sich je nach Arzneimittel sehr stark, aufgrund von unterschiedlichen Enzymaktivitäten im Körper. Außerdem sind Frauen häufig kleiner, leichter und haben weniger Muskelmasse als Männer. Dieser unterschiedliche Körperbau wirkt sich auch auf die Pharmakokinetik aus.

Dazu kommen Unterschiede im Verhalten von Frauen* und Männern* in Bezug auf die Therapieeinhaltung, die sogenannte Adhärenz. Die Wahrnehmung von Körper und Krankheit kann bei Frauen* und Männer* sehr verschieden sein, Frauen* gehen z.B. häufiger zum*zur Arzt*Ärztin und zeigen insgesamt eine höhere Adhärenz.

Unterschiede sind also offensichtlich da, aber warum wurden Frauen und Frauen* in Arzneimittelstudien so lange vernachlässigt?

Frauen in Phase 1-Studien

Es gibt dafür einen Grund und dieser hängt eng zusammen mit dem Contergan-Skandal in den 60er Jahren. Der Wirkstoff Thalidomid verursacht, wenn schwangere Personen ihn einnehmen, Fehlbildungen der Extremitäten beim heranwachsenden Kind. Dies war auch der Fall, wenn der Wirkstoff Jahre vor der Schwangerschaft eingenommen worden war. In den Studien an Tieren war dies nicht entdeckt worden. Erst nachdem mehrere Fälle publik wurden, wurde die Abgabe von Thalidomid gestoppt.

Durch die Angst vor weiteren ähnlichen Fällen sowie vor Regressansprüchen wurden Frauen in den 70er und 80er Jahren komplett aus Phase-1-Studien verbannt.

Erst in den 90er Jahren fand langsam wieder ein Umdenken statt. In dieser Zeit wurden jedoch viele der heute gängigen Arzneimittel gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt.

Herz-Kreislauf-Medikamente und ihre Wirkung bei Frauen

Hier zeigen sich besonders gravierende Unterschiede: Zum Beispiel wurde der Effekt von ASS in der Primärprävention nur bei Männern nachgewiesen. Bei den Blutfettsenkern, den Statinen, sieht es ähnlich aus. Bei den blutdrucksenkenden ACE-Hemmern wurde sogar nachgewiesen, dass diese bei Frauen viel stärker wirken als bei Männern. Dies kann bei Frauen zu lebensgefährlichen Hypotonien, also besonders niedrigem Blutdruck, führen.

Trotzdem gehören diese Gruppen zu den am meisten verschriebenen Medikamenten weltweit.

Eine Anpassung der Empfehlungen ist daher unumgänglich.

Nicht nur Frauen/Frauen* sind betroffen

Auch People of colour wurden und werden immer noch wenig in Arzneimittelstudien miteinbezogen, obwohl man heute weiß, dass sie ebenfalls eine andere Pharmakokinetik bei bestimmten Wirkstoffen aufweisen. Lange Jahre wurden Studien hauptsächlich an weißen Proband*innen durchgeführt und die Ergebnisse auf Menschen mit anderer Hautfarbe übertragen. Dem möchten wir uns ebenfalls entschieden entgegenstellen und uns insgesamt für eine diskriminierungsfreie Forschung aussprechen.

Fazit

Für uns ist klar: Dieses Thema braucht mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und ein Umdenken in der medizinischen Forschung. Die oben genannten Forderungen sind wichtig für eine gleichberechtigte Gesellschaft, in der die Gesundheit aller oberstes Gut ist.

A2 Entlastung von Erziehenden: Arbeitsrecht bei Krankheit der Kinder ändern

29.08.2019

Wir möchten uns für eine familienfreundliche und elternentlastende Ausweitung des Arbeitsrechts bei Krankheit der Kinder einsetzen. Im besonderen Fokus soll dabei die Umsetzung folgender Punkte stehen (im folgeden Text ist „Eltern“ mit „Personen mit Erziehungsauftrag“ gleichzusetzen):

In §45 des SGB (V) soll das Alter des Kindes, bis zu welchem den Erziehungsberechtigten die Befreiung von der Arbeit zusteht um das Kind zu pflegen, von 12 auf 18 Jahre ausgeweitet werden.

Im Krankheitsfall eines Kindes soll die Attestpflicht durch eine*n Kinderärzt*in nicht bereits am ersten Tag der Krankheit greifen um den Lohnausgleich für den pflegenden Elternteil zu erhalten. Stattdessen soll erst ab dem zweiten Tag in Folge, an dem ein Elternteil krankheitsbedingt von der Arbeit fehlt, ein Attest eines*einer Arztes*Ärztin vorgelegt werden müssen. Die Erstattung des Lohnes im Krankheitsfall des Kindes soll mit Vorliegen eines Attestes weiterhin durch die Krankenkassen erfolgen. Wird kein Attest über die Krankheit des Kindes vorgelegt und der Elternteil fehlt nur einen Tag, ist der*die Arbeitgeber*in in der Pflicht die Lohnerstattung zu übernehmen.

Es soll eine Härtefallregelung eingeführt werden, mit der Eltern in der Lage sind bei besonders schwerwiegender oder chronischer Erkrankung eines Kindes statt den rechtlich vorgeschriebenen 10 Tagen pro Kalenderjahr (bzw. 20 Tage bei Alleinerziehenden), 25 Tage (bei Alleinerziehenden 50 Tage) bei Lohnfortzahlung durch die Krankenkasse am Arbeitsplatz zu fehlen. Ein Attest eines*einer Fachärzt*in muss den schwerwiegenden Grad der Krankheit bezeugen.

Damit die geforderte Stärkung im Arbeitsrecht für Eltern keine negativen Auswirkungen auf die berufliche Karriere hat, ist die SPD angehalten sich intensiver mit dem Antidiskriminierungsschutz von Arbeitnehmer*innen zu befassen. Es muss in der Öffentlichkeit offensiver über die Rechte im Bewerbungsverfahren sowie am Arbeitsplatz informiert werden, z.B. über das Recht in Bewerbungsgesprächen keine Auskunft über den Familienstand bzw. zukünftige Familienplanung und den Wunsch nach Kindern geben zu müssen.

S3 Recht auf gute Beratung bei der Patient*innenverfügung sichern

29.08.2019

Wir fordern eine Aufnahme der Patient*innenverfügungs-Beratung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Patient*innen sollen diese Leistung mindestens alle 5 Jahre in Anspruch nehmen können. Die Beratung könnte in diesem Fall von geschulten Mitarbeiter*innen in Hospizen, Krankenhäusern, kommunalen Gesundheitsämtern sowie von ärztlichem Fachpersonal durchgeführt werden.

Des Weiteren sollen Verbraucherzentralen, Wohlfahrtsverbände oder auch Schulen und Volkhochschulen über diese Möglichkeit und ihre Relevanz informieren.