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I6 Für ein progressives Staatsangehörigkeitsgesetz!

30.08.2019

Wir fordern:

§ 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) soll dahingehend ergänzt werden, dass ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit mit Geburt erwirbt, wenn es auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland geboren wird.

M4 ÖPNV in allen Kommunen

29.08.2019

Die Juso Landeskonferenz beschließt, dass die Bereitstellung eines leistungsfähigen ÖPNV Angebots in die „verpflichtenden Daseinsvorsorge“, der von Kommunen zu erfüllenden Leistungen aufgenommen wird.

A6 Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrecht

29.08.2019

Die Juso Landeskonferenz beschließt, dass die SPD sich für die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts einsetzt. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche muss hinterfragt und neu verhandelt werden. Dadurch ließen sich beispielsweise ein Streikrecht für kirchliche Arbeitnehmer*innen oder die Gründung von Gewerkschaften ermöglichen.

O2 Beschlusswiki auf Bundesebene einführen

29.08.2019

Die weitreichenden Beschlüsse sind eine der großen Stärken unseres Verbandes. Die wenigsten Jusos sind allerdings mit der Beschlusslage eng vertraut. Deshalb stellt sich für viele Jusos bei der Entwicklung und Beratung neuer Anträge die Frage, ob diese Position schon irgendwann beschlossen wurde. Der Abgleich mit der Beschlusslage auf Bundesebene ist dabei äußerst kompliziert, weil man die einzelnen Beschlussbücher der letzten Bundeskongresse durchsuchen muss.

Deshalb soll ein Beschlusswiki, nach Vorbild der NRWJusos, auf Bundesebene eingeführt werden. Die einzelnen Anträge sollen in politische Themenfelder und Jahrgänge eingeteilt werden. Außerdem soll die Suche nach einzelnen Worten in den beschlossenen Anträgen möglich sein.

W5 Unternehmensstrafrecht jetzt! Damit kriminelle Handlungen von Unternehmen auch geahndet werden können.

29.08.2019

Die Jusos Köln setzen sich dafür ein, dass ein für Unternehmen als juristische Personen wirksames Strafrecht eingeführt wird. Als Minimum sehen wir hierbei den Entwurf der rot-grünen NRW-Landesregierung von 2014 für ein Verbandsstrafgesetzbuch (VerbStrG-E NRW) an.

U3 Mehrweg für alle!

29.08.2019

Trotz des gesellschaftlich wachsenden Umweltbewusstseins geht der Anteil der Mehrwegflaschen weiter zurück- nach dem Umweltbundesamt werden weniger als die Hälfte aller Flaschen mehrfach verwendet.

Plastikflaschen werden meistens recycelt und zum Beispiel zu Polyesterfasern weiterverarbeitet, die in Kleidungsstücken verwendet werden können.

Dieser Verfahren ist jedoch energetisch sehr aufwendig- Mehrweg-PET-Flaschen können bis zu 50 Mal gereinigt und wieder verwendet werden und haben damit eine deutlich bessere Ökobilanz als Einweg-PET-Flaschen. Darüber hinaus werden Mehrwegflaschen eher regional befüllt und haben damit durchschnittlich kürzere Transportwege als die eher zentral hergestellten Einwegflaschen.

Ähnliches gilt für Einweg-Glasflaschen: Diese sind sogar umweltschädlicher als solche aus Plastik, da die Einschmelztemperatur für Glas deutlich höher ist als die von Plastik.

Einwegsysteme sind für Unternehmen oftmals wirtschaftlicher. Die durch sie entstehenden Treibhausgasemissionen sind jedoch hoch- und vermeidbar.

Deshalb fordern wir den zeitnahen Umstieg auf ein nachhaltiges Mehrwegsystem für alle Flaschen!

A2 Entlastung von Erziehenden: Arbeitsrecht bei Krankheit der Kinder ändern

29.08.2019

Wir möchten uns für eine familienfreundliche und elternentlastende Ausweitung des Arbeitsrechts bei Krankheit der Kinder einsetzen. Im besonderen Fokus soll dabei die Umsetzung folgender Punkte stehen (im folgeden Text ist „Eltern“ mit „Personen mit Erziehungsauftrag“ gleichzusetzen):

In §45 des SGB (V) soll das Alter des Kindes, bis zu welchem den Erziehungsberechtigten die Befreiung von der Arbeit zusteht um das Kind zu pflegen, von 12 auf 18 Jahre ausgeweitet werden.

Im Krankheitsfall eines Kindes soll die Attestpflicht durch eine*n Kinderärzt*in nicht bereits am ersten Tag der Krankheit greifen um den Lohnausgleich für den pflegenden Elternteil zu erhalten. Stattdessen soll erst ab dem zweiten Tag in Folge, an dem ein Elternteil krankheitsbedingt von der Arbeit fehlt, ein Attest eines*einer Arztes*Ärztin vorgelegt werden müssen. Die Erstattung des Lohnes im Krankheitsfall des Kindes soll mit Vorliegen eines Attestes weiterhin durch die Krankenkassen erfolgen. Wird kein Attest über die Krankheit des Kindes vorgelegt und der Elternteil fehlt nur einen Tag, ist der*die Arbeitgeber*in in der Pflicht die Lohnerstattung zu übernehmen.

Es soll eine Härtefallregelung eingeführt werden, mit der Eltern in der Lage sind bei besonders schwerwiegender oder chronischer Erkrankung eines Kindes statt den rechtlich vorgeschriebenen 10 Tagen pro Kalenderjahr (bzw. 20 Tage bei Alleinerziehenden), 25 Tage (bei Alleinerziehenden 50 Tage) bei Lohnfortzahlung durch die Krankenkasse am Arbeitsplatz zu fehlen. Ein Attest eines*einer Fachärzt*in muss den schwerwiegenden Grad der Krankheit bezeugen.

Damit die geforderte Stärkung im Arbeitsrecht für Eltern keine negativen Auswirkungen auf die berufliche Karriere hat, ist die SPD angehalten sich intensiver mit dem Antidiskriminierungsschutz von Arbeitnehmer*innen zu befassen. Es muss in der Öffentlichkeit offensiver über die Rechte im Bewerbungsverfahren sowie am Arbeitsplatz informiert werden, z.B. über das Recht in Bewerbungsgesprächen keine Auskunft über den Familienstand bzw. zukünftige Familienplanung und den Wunsch nach Kindern geben zu müssen.

S3 Recht auf gute Beratung bei der Patient*innenverfügung sichern

29.08.2019

Wir fordern eine Aufnahme der Patient*innenverfügungs-Beratung in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Patient*innen sollen diese Leistung mindestens alle 5 Jahre in Anspruch nehmen können. Die Beratung könnte in diesem Fall von geschulten Mitarbeiter*innen in Hospizen, Krankenhäusern, kommunalen Gesundheitsämtern sowie von ärztlichem Fachpersonal durchgeführt werden.

Des Weiteren sollen Verbraucherzentralen, Wohlfahrtsverbände oder auch Schulen und Volkhochschulen über diese Möglichkeit und ihre Relevanz informieren.

F4 Kritik an der Prostitution und der Prostitutionskritik

29.08.2019

Die Debatte, ob und wie die politische Linke zum Erwerb von Sex steht, scheint so alt wie die politische Linke. Auch wir Jusos diskutieren und positionierten uns in den vergangenen Jahren, welche Rolle Prostitution in unserem Bild der sozialistischen, und feministischen Gesellschaft hat. Dieser Antrag möchte an die Beschlusslagen seit rot-grüner Regierungszeit (u. a. „Prostitution voll legalisieren!“:2001; „Der Mythos der Freiwilligkeit“:2010; „Sexuelle Dienstleistungen – legal, sicher, transparent“) anknüpfen.

Skandal um Rosi – Prostitutionskritik aus Gründen einer „Sittlichkeit“

„Die Moral ist die „Impuissancemise en action[1]. So oft sie ein Laster bekämpft, unterliegt sie.“

-aus: „Die heilige Familie“ von Karl Marx und Friedrich Engels

Zentraler Bestandteil des prostitutionskritischen Diskurses ist der Erhalt und Schutz des traditionellen Familien- und damit Ehemodells[2]. Ideologische Grundlage dazu gibt hierbei die Moralphilosophie durch den Begriff der „Sittlichkeit“. Prostitution stehe so dem traditionellen Gesellschaftsmodell (in Form der bürgerlichen Gesellschaft) als sittenwidrig gegenüber.

Unser materialistischer Blick steht in der Tradition, die gesellschaftlichen Verhältnisse eben anhand materieller Ungleichheitsstrukturen (und sich daraus resultierenden Machtverhältnissen) zu analysieren. Eine moralphilosophische Kritik an den Akt des Kaufs und Verkaufs von Sex ist da fehl am Platze. Die außerdem formulierte Kritik daran, dass Frauen (und ihre Sexualität) in den öffentlichen Raum eindrängen, ist ein tief sexistischer.

Prostitutionskritiken bedeuten von konservativer Seite aus also oft praktisch nur Angriffe auf Prostituierte. Aus jener Richtung gibt es sich grundsätzlich widersprechende Argumentationen gegen das Anbieten und den Verkauf von Sex. Teil davon ist eine Art der moralischen Überhöhung menschlicher Körper, und damit ist explizit nie ein Kampf für sexuelles Selbstbestimmungsrecht gemeint. Vielmehr werden Prostituierte beispielsweise als vermenschlichter Ehebruch stilisiert, oder die Kritik bezieht sich auf den eigentlichen Geschlechtsakt und den offenen und freieren Umgang mit dem Thema Sex. Außerdem wird die Geisteshaltung des gegenseitigen Besitzes und mystischer „Aufsparung der Jungfräulichkeit“ von Menschen in Beziehungskonstellationen reproduziert, wie es das traditionelle Familien- und Ehemodell hergibt. Prostitutionskritik ist hierbei eigentlich die Kritik an nichtmonogamen Lebensweisen. Hinter dem Bärendienst der Forderung eines kompromisslosen und sofortigen Verbots der Prostitutionsarbeit steckt somit nur die Keule der „Sittenwidrigkeit“, und kein echter Wille zur Verbesserung der Lebenssituation jener Frauen. Wenn wir Jusos Prostitution kritisieren, tun wir das aus unserem Kampf für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen heraus. Eine ethisch-moralische Kritik an Prostitution aus der geschichtlichen Mottenkiste lehnen wir ab.

Gegen die Gegennorm – Prostitution ist Prostitution bleibt Prostitution

Im Zuge der dritten Welle der Frauenbewegung kam es zum Erstarken eines poststrukturalistischen Feminismus, der sich durch eine grundsätzlich verkürzte und relativierende Kritikkultur kennzeichnet, und explizit Gegennormen hervorruft (wie beispielsweise im Diskurs um fat pride im body positivity movement sichtbar). Das ist bisweilen auch in jenem feministischen Diskurs erkennbar, der einen Verzicht des Begriffs „Prostitution“ und Ersetzung durch den positiv konnotierten Begriff „Sexarbeit“ fordert.

Im (vor allem queer-)feministischen Diskurs wird so teilweise dazu angeregt, den Begriff „Prostitution“ durch den vermeintlich weniger negativ behafteten Begriff „Sexarbeit“ zu ersetzen[3], der bis dahin jedoch ursprünglich sämtliche einvernehmliche sexuellen und sexualisierten Arbeiten einschließt. Darüberhinaus gibt es die Anregung, beide Begriffe im Diskurs als solche wahrzunehmen, die unterschiedliche Begebenheiten beschrieben. Journalistin und Politikwissenschaftlerin Antje Schruppsieht symbolisch „eine Studentin, die sich als Escort den Lebensunterhalt verdient“ als Sexarbeiterin, und eine „Drogensüchtige […], die von einem Zuhälter regelmäßig mit Stoff versorgt wird, wenn die ‚anschaffen geht‘“ als Prostituierte; Sie unterscheidet nach der Frage, wie freiwillig die sexuelle Dienstleistung geschieht[4].Die Einteilung in „Prostitution“ als sexuelle Dienstleistung in einem Milieu der Ausbeutung, und „Sexarbeit“ als sein ‚selbstbestimmter‘ Gegensatz mit fairen Arbeitsbedingungen und guter Entlohnung scheint zunächst sinnvoll, spiegelt es doch vermeintlich den Klassenwiderspruch wider. Die Sexarbeiterin und Aktivistin Undine de Rivière lehnt diese Einteilung als unverhältnismäßig ab. „Liebe zum eigenen Job“ sei ohnehin nie Grundrecht, und: „Für keinen anderen Beruf außer der Sexarbeit werden solche Maßstäbe angesetzt […]“[5].

Wir Jusos folgen jedoch aus guten Gründen keiner der genannten Argumentationen. Die Unterteilung durch einen etwaigen „Grad der Freiwilligkeit“ lehnen wir ab. Im Kapitalismus wird ein und derselbe Beruf auch nicht unterschiedlich benannt, nur weil Menschen unterschiedlich viel durch ihn erwerben. Hier ist offensichtlich ein Prozess der Entsolidarisierung unter immens und „weniger stark“ ausgebeuteten Prostituierten gewünscht. Unser Feminismus jedoch ist ein solidarischer.

Die schlichte Ersetzung des Begriffs verschleiert die un(er)tragbaren Lebenssituationen der allermeisten Prostituierten in Form kapitalistischer und sexueller Ausbeutungen nur. Selbstverständlich erteilen wir auch der Argumentationslinie von de Rivière eine Absage, greift ihre Kapitalismuskritik doch zu kurz; Unsere Vorstellung der guten Arbeit ist die der Berufung, also Arbeit aus Freiwilligkeit. Auch wir halten jedoch eine Einteilung oder Ersetzung des Begriffs „Prostitution“ aufgrund der Sonderstellung der Prostitutionsarbeit im kapitalistischen Verwertungsprozess für grundsätzlich nicht sinnvoll. Nutzt der Kapitalismus schon in seinem Wesen die strukturelle Hierarchisierung der Geschlechter, verwertet er hier dazu noch die weibliche sexuelle Selbstbestimmung. Wir nennen also die sexuelle Dienstleistung mit dem Begriff „Prostitution“ bei seinem kapitalistisch-patriarchalen Namen.

Der Queer-Feminismus als Vertreter des Poststrukturalismus in der Frauenbewegung kritisiert hier den Akt der Prostitution auch nur insofern verkürzt, als dass er ihn – wenn überhaupt – auf einen Arbeitskampf, also einen Kampf für bessere Arbeit- und Lebensbedingungen, oder einen Kampf sich prostituierender Frauen um Anerkennung, beschränkt. Oftmals werden hierbei Gallionsfiguren eines etwaigen „Sex-Business“ nach vorne gestellt, die keine erkennbare Migrationserfahrung haben, selbst von im Branchenvergleich überdurchschnittlich gutem eigenem Einkommen berichten, und so den neoliberalen Aufstiegs-Mythos zu einem „von der Sexarbeiterin zur Millionärin“ umdeuten. Teil davon ist ein der die prekäre Situation von vornehmlich immigrierten sich prostituierten Frauen relativierender Vergleich mit der Existenz von männlichen Prostituierten; Prostitution sei ja schließlich nicht auf Frauen beschränkt. Neben zu Ende gedachter Kapitalismuskritik fehlt so oft auch der Blick auf das sich durch Prostitution ergebende geschlechterspezifische Machtgefälle – das von einer der queer-Theorie inne liegenden Negierung des Subjekts Frau herrührt.

Ein Queer-Feminismus, der alle Akteur*innen (also neben sich prostituierenden Frauen auch sich prostituierende Nicht-Frauen, und womöglich noch Freier) zu Opfern macht, und ein strukturelles Problem – in Form des Patriarchats – verkennt, kann keine ansprechende Antwort auf die Frage geben, wie wir gesellschaftlich und politisch mit Prostitution umgehen.

Superdiskurs

Während die rot-grüne Regierungsmehrheit zu Beginn dieses Jahrtausends ihren gesellschaftlichen Progressivismus als einen solchen verstand, der als Antwort auf Konservative Prostitution versucht hat aus der „verruchten Ecke“ zu holen, hatten rotgrüne Kräfte in skandinavischen Ländern ein eigenes Verständnis von Fortschritt in diesem Bereich, und diskutierten den Akt der Prostitution kritischer. Aus diesen Debatten entstand die „Superdiskurs-These“ die bekräftigt, dass die Rechtfertigung von Prostitution kein einheitliches ideologisches Fundament habe: Prostituierte würden wahlweise als Frauenrechtlerinnen dargestellt, wenn es um den Kampf für sexuelle Selbstbestimmung ginge, als Unternehmerinnen, wenn es um Rechtfertigung innerhalb der kapitalistischen Logik ginge, oder als Arbeiterinnen, die für ihre Arbeitsrechte stritten. Die Tatsache, dass Pro-Prostitutionskampagnen und Argumentationsfindungen vielfach von der Wirtschaft finanziert würden[6], stellt die bekannten Wirkungskräfte der Systeme von Kapitalismus und Patriarchat da, die eine ideologische Vereinnahmung ermöglichen. Diese Vereinnahmung macht eine legitime Kritik an Prostitution schwierig und erfordert Differenzierung.

Prostitution in der sozialistischen Gesellschaft

Ohne zu verkennen, dass es auch von Menschen, die nicht Frauen sind, ausgeübte, und an Menschen, die nicht Männer sind, gerichtete Prostitution gibt, sehen und mahnen wir eine strukturelle, von Männern an Frauen vollzogene, Einforderung an die Ware Sex. Prostitution spiegelt so im Grundsatz das patriarchale Machtgefälle zwischen den Geschlechtern wider. Wir Jusos können uns aus diesem Grund keine menschliche, also antisexistische Gesellschaft vorstellen, die Prostitution beinhaltet. Ganz besonders prekär ist diese Prostitution durch ihre Wirkung in der Schnittstelle zwischen dem patriarchalen und kapitalistischen System. Wir sehen, dass im gesellschaftlichen Diskurs von Akteur*innen aus unterschiedlichsten Richtungen dieses grundsätzliche Machtgefälle, sowie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der allermeisten Prostituierten relativiert oder negiert wird. Dem stellen wir uns entgegen.

Jedoch schließen nicht alle Sexarbeiten (im eigentlichen Wortsinn) eine Objektifizierung der Dienstleistenden ein. Aus diesem Grund gehören auch nicht alle Sexarbeiten politisch bekämpft. Ein Beispiel bilden Surrogatpartner*innen, die beispielsweise Menschen mit Behinderung/en zu erotischen und/oder sexuellen Handlungen befähigen.

Prostitution in der patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft

„Sexuelle Selbstbestimmung ist ebenso ein Grundrecht, wie sexuelle Bedürfnisse Teil der Entfaltung der Persönlichkeit sind. Sexuelle Dienstleistungen waren und sind Teil unserer Lebenswirklichkeit. Sie verbieten zu wollen ist nicht nur illusorisch, sondern ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht aller, die ihnen ohne Zwang nachgehen. Niemand soll aufgrund von Gewalt oder Not gezwungen sein, dieser oder einer anderen Tätigkeit unfreiwillig nachzugehen. Jene, die es tun, sollen nicht ungerechten Marktbedingungen oder unzureichenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt sein. Deshalb gilt es diese Dienstleistungen, wie jede andere legal, sicher und transparent in unser Wirtschaftsgeschehen zu integrieren.“

– Beschlusslage: A10 „Sexuelle Dienstleistungen – legal, sicher, transparent“, BuKo 2014

 

Wir Jusos kennen die gelebten Realitäten dieser sexistischen Gesellschaft im Kapitalismus an. Dazu gehört, dass ein striktes Verbot der Prostitution den von Ausbeutung betroffenen Menschen nur schadet, da es sie in die Illegalität, und heraus aus Schutzmechanismen durch Regulierungen zwingt.

Das aus dem skandinavischen Diskurs entstandene „nordische Modell“, das ein Sexkaufverbot und ausschließliche Ächtung von Freiern vorsieht, scheint die Prostitution nur aus dem öffentlichen Raum in private Wohnungen verlagert zu haben. Und obwohl sich Prostituierte vor keiner Strafverfolgung fürchten müssen, wird Repression auf sie ausgeübt, weil die Umstände, die sie zur Prostitution bringen, damit nicht verschwinden. Auch ein Sozialstaat, der besonders auf soziale Absicherung von Frauen abzielt, und so die Prostitution für Frauen finanziell nicht mehr nötig macht, verschiebt und/oder verstärkt das Problem gar, da immigrierte Frauen mit weniger Sprachkenntnissen und geringeren Kenntnissen über Möglichkeiten der Opferberatung nun ihre Rolle einnähmen. Das macht einen gemeinsamen, europäischen Umgang mit dem Thema Prostitution, sowie insbesondere ein gemeinsames Sozialsystem mit einheitlichen Regelungen unabdingbar.

Wenn im gesellschaftlichen Diskurs davon die Rede ist, dass Deutschland das liberalste Prostitutionsgesetz habe, dann trifft das nur auf Freier zu. Diese erfahren durch das 2002 eingeführte Gesetz tatsächlich weniger Repression, da der Sexkauf auch für sie voll legalisiert wurde. Prostituierte jedoch nehmen die neue Gesetzgebung eher als Gängelung wahr. Jene, die tatsächlich von den Regelungen, sowie den im Jahr 2017 durch das Prostituiertenschutzgesetz (ProSchG) hinzugekommenen, profitieren würden, betreffen diese Schutzmechanismen durch mangelnde Kontrolle und inkonsequenter Umsetzung gar nicht.

Beschluss Deshalb fordern wir:

  • „Liberalisierung“ der Prostitutionsgesetzgebung bedeutet für uns Überwindung staatlicher Repression an Prostituierte, nicht jedoch Abwesenheit staatlicher Kontrollstrukturen. Auch Prostituierten muss soziale Absicherung gewiss sein (wie in Beschlusslage 2014 festgehalten).
  • Staatliche Ordnung muss als Schützer*in der Rechte von Prostituierten auftreten, mit enttabuisiertem Umgang mit Prostituierten
  • Es braucht eine höhere, europäische Kraftanstrengung zur Bekämpfung illegaler Prostitution, damit sich Akteur*innen dieser Branche Schutzmaßnahmen nicht entziehen können
  • Da Prostitution aus dem Machtgefälle zwischen den Geschlechtern resultiert, und staatliche Strukturen diese Machtverhältnisse nur verfestigen, oder (wie andere Institutionen dieser Gesellschaft) höchstens marginal beeinflussen kann, ist der wahre Kampf gegen Prostitution nicht das Verbot der Prostitution, sondern der Kampf gegen jene Machtgefälle. Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Umdenken und nicht weniger als die Gleichberechtigung der Geschlechter.

 

[1] Übersetzt: „In Aktion gesetzte Machtlosigkeit“

[2]Der Zusammenhang von Prostitution und „Wilder Ehe“ in der Diskursforschung beschäftigt u. a. Elisabeth Hill/Mark Bibbert (2019).

[3]Vlg. bspw. Carolin Küppers:2016

[4]Vgl. bspw. Antje Schrupp in ZEIT:2018/05

[5]  Vgl. Undine de Rivière:2018

[6] 4 Vgl. bspw. Ekman:2016

F2 „Ain't I a Woman?“ - Empowerment von Women of Color

29.08.2019

Im Jahr 1851 stellte Sojourner Truth auf dem Frauenkongress in Akron, Ohio die Frage „Ain’t I a Woman?“. Allgemeine Frauen*-Rollenbilder und Umgang mit Frauen* entsprechen nicht ihrer Realität, denn sie wird als schwarze Frau* anders behandelt und es werden andere Erwartungen an sie gerichtet.  Diesen Unterschied versucht sie den weißen Frauenrechtlerinnen deutlich zu machen.

Aber auch fast 200 Jahre später ist diese Perspektive immer noch kaum sichtbar. Der „Mainstream-Feminismus“ ist ein Feminismus von und für weiße mittelständische cis-Frauen.

Um dieser Perspektive einen Namen zu geben, prägte Kimberlé Crenshaw den Begriff Intersektionalität.

Intersektionalität beschreibt die mehrfache Diskriminierung aufgrund verschiedener Faktoren wie Rassismus, Klassismus, Homo- und Transhate, Behindertenfeindlichkeit und Sexismus. Intersektionalität geht es um die Anerkennung der Schnittmenge (engl.: intersection) und das Zusammenspiel dieser, da zum Beispiel eine schwarze Frau* anders diskriminiert ist als eine weiße Frau und anders als ein schwarzer Mann. Zu oft erscheinen im Kampf gegen Diskriminierung die unterschiedlichen Formen als Auflistung. Dass sich unterschiedliche Diskriminierungsformen in einer Person widerspiegeln können und sie in unterschiedlichen Kontexten aufgrund verschiedener Aspekte ihrer Person sowie auch in dem Zusammenspiel dieser diskriminiert wird, wird oft im Kampf gegen die Unterdrückung und Diskriminierung bestimmter Gruppen nicht mitgedacht, und damit werden diese Personen nicht mitgedacht.

Da Frauen* als diskriminierte Gruppe im Gegensatz zu anderen benachteiligten Gruppen keine Minderheit sind, finden sich vor allem bei ihnen Schnittmengen, weswegen Intersektionalität meist intersektionaler Feminismus bedeutet. Entstanden und geprägt wurde der Begriff durch die Perspektive von WoC (Women* of Color).[1]

Im politischen Kontext und auch in unserem Verband sind WoC stark unterrepräsentiert (noch mal mehr als PoC (People of Color) insgesamt).

Wir wollen, dass die Perspektive von WoC in unserem Feminismusverständnis miteingebracht und mitgedacht wird.

Wir wollen, dass unser Verband diverser wird.

Wir wollen, dass WoC mehr empowert werden.

Deswegen fordern wir:

  • Vernetzungstreffen von WoC innerhalb des Verbands

Damit WoC in unserem Verband und in unseren Debatten sichtbar werden.

[1] Of Color meint hier alle Menschen, die zu Gruppen gehören, die von Rassismus betroffen sind und diesbezüglich eine gemeinsame Erfahrungsgeschichte haben.