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INI2 Solidarität mit allen Opfern sexualisierter Gewalt und sexistischem Verhalten

25.09.2019

Einen sexuellen Übergriff zur Anzeige zu bringen, ist für viele ein schwerer Schritt. Viele Betroffene sehen sich danach kritischen Nachfragen ausgesetzt und müssen sich für ihre Entscheidung vehement rechtfertigen. In Deutschland gilt natürlich die Unschuldsvermutung, diese muss jedoch für beide Seiten gelten und niemand darf im Vorhinein verurteilt oder deren Glaubwürdigkeit angezweifelt werden. Für uns ist es daher nicht hinnehmbar, dass immer wieder an der Glaubwürdigkeit von Frauen gezweifelt wird, nachdem sie Übergriffe zur Anzeige gebracht haben. Die Unterstellung des Motivs, der angezeigten Person nur schaden zu wollen, ist hier keine Seltenheit. 

Auch unsere Partei ist nicht frei von patriarchalen Machtverhältnissen, daher müssen wir uns darüber bewusst sein, dass auch bei uns sexistisches Verhalten und Übergriffe keinen Halt machen. Wir müssen außerdem dafür sensibel sein, dass durch die gegebenen Machtverhältnisse Menschen in übergriffigen Situationen in eine besonders prekäre Lage gebracht werden können. Aufgrund von Funktionen können Abhängigkeiten entstehen, die es Menschen noch schwerer macht aus einer Situation, in der sie sich unwohl fühlen, herauszutreten. Daher ist es auch an uns, unser eigenes Verhalten immer wieder zu reflektieren und sexistisches Verhalten konsequent zu ahnden. 

Wir müssen als Partei als Vorreiterin vorangehen, Bewusstsein schaffen, uns solchem Verhalten entgegenstellen und diesem eine klare Absage, vor allem in den eigenen Reihen, erteilen. Wir müssen Räume schaffen, in denen Betroffene sich trauen, ihre Erlebnisse zu teilen und in denen sie keine Angst haben müssen, nicht ernstgenommen zu werden. 

Dazu gehört für uns auch, dass ein öffentliches und/oder mediales Opferblaming von unserer Partei kritisiert und nicht toleriert wird. Dies trägt auch dazu bei, eine tatsächliche Aufarbeitung zu ermöglichen. Wir erwarten, dass alle sich im Sinne unserer Werte solidarisch zeigen und gerade Menschen in Verantwortungsposition sich diesem Thema mit der nötigen Sensibilität annehmen.

Wir solidarisieren uns mit diesem Antrag mit allen Personen, die sich trauen mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen oder diese zur Anzeige bringen. Besonders zu nennen, sind dabei die aktuellen Ereignisse in Köln. Wir stellen uns hinter die Anzeigestellerin und tolerieren nicht das Opferblaming, dem sie ausgesetzt ist. Wir bedanken uns bei den Jusos Köln für ihre große Solidarität und das Engagement.

Wir möchten Juso- und Parteimitgliedern, die in unseren Strukturen Erfahrungen mit Sexismus und sexualisierter Gewalt machen mussten, Unterstützung geben und auch jenen den Rücken stärken, die sich für sie einsetzen. Daher fordern wir auch auf Landesebene der NRWSPD Strukturen, die einen Raum für institutionelle Unterstützung schaffen. Diese sollen in Fällen von Diskriminierungs- oder Gewalterfahrungen innerhalb der Partei ansprechbar sein und auch eine parteiinterne Aufarbeitung anstoßen und begleiten können. Sexistisches und übergriffiges Verhalten geht uns alle an und wir fordern, dass dieses keinen Platz mehr hat in unserer Partei, heute nicht und auch nicht in Zukunft.

INI1 Mensch, Struktur, Wandel: Unser Weg zum sozialistischen und ökologischen Umbau der Wirtschaft

25.09.2019

Am 20. September 2019 waren in Deutschland über eine Millionen Menschen auf der Straße, um für den Klimaschutz und gegen die Ausbeutung unseres Planeten zu demonstrieren. Die Menschen haben angesichts dessen einen großen Wurf beim Klimaschutz erwartet. Die Große Koalition hat wieder einmal bewiesen, dass sie höchstens den Minimalkonsens liefern kann. Die CDU beweist wieder einmal, dass sie ein Bremsklotz jeder progressiven Politik ist. Wir wollen ein wirtschaftliches Gegenkonzept zum neoliberalen Status Quo, ein Gegenkonzept zur Ausbeutung von Arbeitskraft, zur Ausbeutung von Menschen und zur Verschwendung natürlicher Ressourcen. Für uns ist es nie ein Entweder-Oder zwischen Arbeitsplätzen und Umweltschutz. Wir stehen für einen sozialverträglichen Ausstieg aus fossilen Energieträgern bei gleichzeitigen Infrastrukturmaßnahmen und -investitionen in den betroffenen Regionen. Und wir kämpfen für gute, tarifgebundene und von Mitbestimmung geprägte neue Arbeitsplätze. Nur so kann Strukturwandel gelingen und nur so fahren wir das Rheinische Revier und die anderen Braunkohle-Reviere nicht vor die Wand und können vielleicht einiges im Ruhrgebiet wieder geraderücken, was dort verpasst worden ist.

Das sagen wir zur Energiewende

Die Energiewende wird in der öffentlichen Debatte leider zu oft verkürzt auf eine Frage der Kraftwerke, auf “Kohle – ja oder nein?”. Für uns ist dabei klar: Die Energieversorgung der Zukunft ist weder fossil noch atomar. Wir wollen den Ausstieg aus Kohle und Atom. Die Frage nach dem Datum des Kohleausstiegs ist dabei sowohl in der Gesellschaft als auch in unserem Verband hoch umstritten. Der Kompromiss der Kommission “Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung” (Kohle-Kommission), der schrittweise Ausstieg aus der Förderung von Braunkohle und Verstromung von Braun- und Steinkohle bis zum Zeitkorridor 2035 bis 2038 ist mutlos, ideenlos und das Ergebnis eines mangelnden Investitionswillens und kapitalistischer Unternehmensinteressen. Auf Seiten der Beschäftigten vor Ort und anderer lokaler Akteur*innen herrscht große Unsicherheit, denn am Ruhrgebiet wird deutlich, welche Folgen ein gescheiterter Strukturwandel hat. Doch aufgrund der breiten Beteiligung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteur*innen in der Kommission – Arbeitgeber*innen, Industrie, Gewerkschaften, Politik, die Kirchen, Umweltverbände und Bürger*innen aus den betroffenen Revieren – kann der Kompromiss nicht einfach beiseite gewischt werden. Wir müssen alles dafür tun, dass die Energiewende sozial und schnell geschieht. Dazu müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden:

  • Ein wirklich tragfähiges Konzept für die betroffenen Regionen zur Umstrukturierung der Wirtschaft. Wir können uns keinen zweiten gescheiterten Strukturwandel leisten. Eine Deindustrialisierung muss dabei verhindert werden.
  • Die Demokratisierung der Wirtschaft: Solange kapitalistische Interessen Vorrang vor dem Gemeinwohl haben, kann es keine nachhaltige, soziale und ökologische Transformation geben.
  • Massive Investitionen in den Umbau der Energieversorgung und Infrastruktur. Die Kosten müssen von denen getragen werden, die viel haben und geben können. Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen und ohne nennenswerte Vermögen müssen entlastet werden.

Wenn diese Bedingungen nicht nur politische Lippenbekenntnisse sind, sondern mit konkreten Plänen und Maßnahmen unterlegt werden, ist ein schnellerer Kohleausstieg möglich. Wichtige Meilensteine auf dem Weg dahin sind die Ausgestaltung und Verabschiedung der institutionellen Verankerung des Ausstiegs in Form eines Gesetzespakets im Bundestag und die Überprüfungszeitpunkte 2023, 2026 und 2029, bei denen eine Revision der Maßnahmen stattfinden wird und nachgesteuert werden kann. Wir können keine einfachen Antworten geben – wir wollen Perspektiven aufzeigen.

Sozialistischer Umbau des Unterbaus

An folgenden Problemen und Widersprüchen in der Wirtschaft ändert sie jedoch nichts: Ausbeutung der Menschen, ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen, Schere zwischen Arm und Reich, Streben der Unternehmen nach Profit, fehlende Investitionen, ungleiche Verteilung von Gewinnen, zunehmende Privatisierung vor allem im öffentlichen Raum, fehlende Mitbestimmung insbesondere bei unternehmerischen Fragen in Betrieben. Eine wirklich ökologische Wirtschaft kann es im Kapitalismus nicht geben, denn dieser ist immer an höchstmöglichen Profiten interessiert.

Demokratisierung der Wirtschaft

Bei der Demokratisierung von Unternehmen stellt sich für uns zwangsläufig die Frage des Privateigentums und der Enteignung. Wenn wir davon sprechen, dass wir Privateigentum enteignen wollen, meinen wir damit nicht die Zahnbürste und den Thermomix zuhause. Die möchten wir niemandem wegnehmen. Stattdessen fordern wir, dass Privatpersonen nur dann Eigentum an etwas haben dürfen, wenn der Besitz dieser niemandem sonst Schaden zufügt. Wenn Einzelpersonen Unternehmen besitzen, können sie die Beschäftigten ausbeuten und den erwirtschafteten Profit alleine behalten. Gehört ein Unternehmen allen dort Arbeitenden gemeinsam, können sie auch gemeinsam alle unternehmerischen Entscheidungen treffen. Eine Unternehmensform, die eine solche Mitbestimmung in den Betrieben zumindest zum Teil durchsetzt sind Genoss*innenschaften. Deshalb wollen wir diese Unternehmensform fördern. Außerdem sollen öffentliche Aufträge unter anderem nach dem Kriterium der Mitbestimmung in den Betrieben vergeben werden. Langfristig streben wir an, dass alle Beschäftigten eines Unternehmens die unternehmerischen Entscheidungen für das Unternehmen gemeinschaftlich treffen. Wird ein neues Unternehmen gegründet, muss es diese Beteiligung aller Beschäftigten umsetzen, zum Beispiel in Form einer Genoss*innenschaft, bei der alle Beschäftigten Mitglieder sind. Solange Unternehmen nicht nach diesen Regeln funktionieren, muss die Forderung weiterhin lauten, dass die betriebliche Mitbestimmung um die unternehmerische Mitbestimmung erweitert werden muss.

Wir beobachten, dass es seit mehreren Jahrzehnten Entwicklungen dahin gibt, dass Unternehmen ihre Beschäftigten indirekt steuern, ihnen also keine direkten Anweisungen für das Erledigen ihrer Arbeitsschritte geben, sondern sie ihre Arbeit selbst organisieren lassen. Sie geben ihnen lediglich die Rahmenbedingungen vor, bspw. Zeitrahmen, Budget, Kennziffern usw. Die Unternehmen machen das, weil sie bemerkt haben, dass diese Art des Produzierens die Produktivste ist und am meisten Gewinn erwirtschaftet. Momentan führt diese Art zu arbeiten zu Druck unter den Beschäftigten, Überlastung und oft auch zu Burnout. Allerdings lässt sich darin auch ein Potential beobachten: Die Beschäftigten haben ihre Produktivkraft so weiterentwickelt, dass sie fähig sind, ihre Arbeit alleine zu organisieren, ohne auf eine*n Chef*in angewiesen zu sein. Die Beschäftigten setzen sich aber nicht nur mit ihrer Arbeit auseinander und wie sie am produktivsten für das Unternehmen arbeiten können, sondern zunehmend auch damit, ob ihre Arbeit und die Produktion gesellschaftlich sinnvoll ist. In einem Technikkonzern beispielsweise hat ein Team von Beschäftigten den Auftrag bekommen, eine Drohne zu entwickeln, die möglichst gezielt Menschen abschießen kann. Sie haben sich geweigert, diese Technologie zu entwickeln, weil sie es moralisch ablehnen, Menschen zu töten. Die Unternehmensleitung konnte den Auftrag nicht selbst erfüllen, da ihnen das benötigte technische Know-How fehlte. Dieses besitzen nur die Beschäftigten beziehungsweise die Arbeitskraft. Das Unternehmen verlor dadurch viel Geld. Eine andere Gruppe von Beschäftigten hatte Ideen dafür, einen emissionsarmen Motor zu bauen. Der Autohersteller lehnte ab – wegen zu hoher Produktionskosten. Wir sehen also, dass Beschäftigte auch andere Faktoren in ihre Arbeit miteinbeziehen als die der Profitmaximierung.  Deshalb fordern wir: Beschäftigte müssen Unternehmen selbst besitzen, damit sie demokratisch über die Organisation und Produktion entscheiden können. Durch demokratische Betriebsorganisation können ökologische Faktoren und Geschlechtergerechtigkeit auch unabhängig von Profitmaximierung durch die Beschäftigten berücksichtigt werden.

Um den Beschäftigten die Möglichkeit zu geben selbst zu bestimmen, was sie wie produzieren müssen wir die Betriebe demokratisieren und die Möglichkeit zur Einbeziehung sozialer, feministischer und ökologischer Interessen in die Produktion sein.

Um die betriebliche auf unternehmerische Mitbestimmung auszuweiten, wollen wir die Mitbestimmungsrechte in §87BetrVG um die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen ausweiten. Wirtschaftsausschüsse sollen aufgewertet werden, indem ihnen nicht mehr nur ein Beratungs-, sondern auf ein Mitbestimmungsrecht zukommt.

Feminismus ist für uns ein Kampf, den wir in allen Lebensbereichen kämpfen, deshalb wollen wir erreichen, dass es in allen Betrieben gewählte Gleichstellungsbeauftragte beziehungsweise Gleichstellungsausschüsse gibt.

Unser Ziel ist die Demokratisierung aller Unternehmen; um dieses Ziel über die betriebliche Mitbestimmung zu erreichen ist es notwendig, dass es in allen Betrieben Betriebsräte gibt.

Ökologischer Umbau

Jahrzehntelang wurde das Energiesystem in drei weitestgehend voneinander getrennte Sektoren konzipiert: Strom, Wärme, Mobilität. Die einzelnen Energieträger, die Energieproduktion und -verteilung der Sektoren operierten relativ unabhängig von den jeweils anderen. Dies wird in Zukunft nicht mehr möglich sein und stellt einen Paradigmenwechsel und eine Herausforderung dar.

Energie und Speicher

Der Energiemix und die Energiewende müssen europäisch gedacht werden. Die Vernetzung und Einbeziehung der Nachbarländer ist nicht nur eine politische, sondern auch eine logische Notwendigkeit. So divers wie ein Energiemix aussehen muss, der ohne fossile Energieträger auskommt, in dem Wind, Wasser, Sonne, Biogas und viele mehr einen Teil stellen müssen, so divers muss auch der Mix an Speichertechnologien sein. Systeme, die nur auf eine Technologie setzen, sind störungsanfälliger und lassen außen vor, dass sich die unterschiedlichen Vorteile der einzelnen Speicher ergänzen und die jeweiligen Nachteile ausgleichen können. Wo fossile Kraftwerke weitestgehend standortunabhängig realisiert werden können, ist dies bei Erneuerbaren und einigen Speichertypen komplett anders. Natürliche Gegebenheiten wie Stauseen und Flüsse zur Gewinnung von Wasserkraft, sonnenreichere Regionen für Solar und Photovoltaik (PV) und windreichere Regionen für Onshore und Offshore geben quasi geographisch vor, an welchen Standorten welche Anlagen am effektivsten sind. Deshalb muss auf eine größere Steuerung geachtet werden. Es ist nicht länger legitim, wenn sich einzelne Regionen beispielsweise dem Ausbau von Windkraftanlagen versperren. Ein wichtiger Punkt muss deshalb, sowohl beim Anlagen- als auch beim Netzausbau sein, dass berechtigte Bürger*innenproteste konstruktiv in die Prozesse einfließen können, aber unberechtigte Proteste (nach dem Prinzip: Nicht hinter meinem Haus) nicht auf Jahre Vorhaben ausbremsen. Eine bessere Förderung von staatlicher Seite für Windenergieanlagen ist dabei unabdingbar, um den stockenden Ausbau wieder voranzubringen. Außerdem müssen Anreize gesetzt werden, damit wieder mehr Unternehmen, die sich auf erneuerbare Energien spezialisieren, sich in Deutschland und Europa ansiedeln und Europa somit den weiteren Anschluss auf internationaler Ebene nicht verpasst.

Denn besonders bei dem Punkt von Produktion und Verteilung von Strom wird es einen weiteren Paradigmenwechsel geben. Das bisherige Energiesystem war auf wenige Großkraftwerke ausgerichtet, von denen aus Strom dann auch in durchaus weiter entfernte Gebiete transportiert worden ist. Über je weitere Strecken Strom geleitet wird, desto höher sind die Energieverluste. Bei Windkraft- und Solar-/PV-Anlagen besteht nicht die Notwendigkeit einer zentralisierten Aufstellung; es ist auch gar nicht in selben Maße möglich, da in Relation zur Kapazität von Anlagen, die mit fossilen oder atomaren Energieträgern arbeiten, mehr Fläche benötigt wird. Die regenerativen Anlagetypen können ohne unverhältnismäßigen Kostenaufwand dezentral organisiert werden. So muss zum Beispiel stärker fokussiert werden, mehr Gebäude mit Solar-/ und PV-Anlagen auszustatten und dies bei Neubauten auch von Anfang an in die Planungen einzubeziehen, um daraus einen neuen Standard zu entwickeln. Dadurch ergeben sich Effizienzgewinne. Analog dazu muss das System der Energiespeicher konzipiert werden. Diese werden in Zeiten von Überkapazitäten geladen und in Zeiten von Unterkapazitäten entladen. Inwiefern ein dezentrales, subsidiär arbeitendes System effizienter ist als ein zentrales oder eine Mischform, muss im Hinblick auf die Möglichkeiten und vor allem den Willen zum Netzausbau und -umbau bewertet werden, da ein dezentrales System größere Veränderungen benötigt. Ein absolutes Novum würde dies aber nicht darstellen: So wie jedes Haus über eine eigene Warmwasseraufbereitung verfügt, ist auch die Ausstattung mit adäquaten Speichergeräten realistisch.

Die Strompreise für Haushalte in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa. Dies liegt an marktwirtschaftlichen Mechanismen und den bisherigen Steuer- und Abgabenregelungen, die im Zusammenhang mit dem Ausbau regenerativer Energien steht. Diese sind in den vergangenen 20 Jahren so stark angestiegen, dass es für Haushalte mit niedrigen Einkommen eine besondere Belastung darstellt. Denn von Windkraft- und Solar-/ Photovoltaik-Anlagen kann nur profitieren, wer Fläche und Kapital hat, um diese oder Anteile an bestehenden Anlagen zu erwerben. Daraus kann aber nicht folgen, dass der Ausbau der Erneuerbaren gestoppt werden muss, sondern dass die Kosten für den Umbau der Energieversorgung anders verteilt und kleine und mittlere Einkommen entlastet werden müssen. Insgesamt muss das Energiesystem, zugunsten von Preisstabilität und Versorgungssicherheit dem Spiel des freien Marktes entzogen werden. Das unbedingte Gewinnstreben und der Zwang zur Renditenerhöhung konterkarieren das Gemeinwohl. Zu diskutieren wären die angemessenen Maßnahmen, beispielsweise ob ein Renditendeckel zielführend ist und wie die Rolle der Stadtwerke in diesem System ist, da sie als kommunale Gesellschaften anders arbeiten können als Aktienunternehmen.

Wärme

Der Transformationsbedarf ist im Wärme-Sektor noch viel höher als im Strom-Sektor. Während letzterer einen Anteil an Erneuerbaren Energien von aktuell ca. 36 % an der Nettostromerzeugung verzeichnet, liegt dieser Wert im Bereich Wärme bei gerade einmal 15 %. Einen Beitrag zur Umstrukturierung kann die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) liefern. Abwärme, die bei der Produktion elektrischen Stroms entsteht, kann als Nah-, Fern oder Prozesswärme genutzt werden. Die Dezentralisierung kann auch hier mittels einzelner Blockheizkraftwerke in Wohngebieten geschehen. Eine weitere Stellschraube liegt in Wärmenetzen. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE verweist darauf, dass sich durch die leitungsgebundene Wärmeverteilung eine höhere Flexibilität erreichen lässt, die bei der Kopplung mit regenerativen Kraftwerken notwendig ist, um eine effiziente und gleichzeitig versorgungssichere Energiebereitstellung zu realisieren.

In den vergangenen Jahren sind besonders im Bereich von Braun- und Steinkohlekraftwerken KWKen errichtet worden, womit viele Haushalte mittels Fernwärmeleitungen mit Wärme versorgt werden. Dies ist besonders relevant, wenn über die Abschaltung der entsprechenden Kraftwerke gesprochen wird. Die Fernwärmeleitungen müssen substituiert werden und dies kann im Sinne einer ökologischen Transformation natürlich nicht durch einen Ersatz mittels einer Beheizung durch Erdgas geschehen und stellt deshalb eine besondere Herausforderung dar. Bei allen Kraftwerken, die bislang mit fossilen Brennstoffen betrieben wurden, sollte geprüft werden, inwiefern die vorhandene Infrastruktur genutzt und diese auf regenerative Brennstoffe umgestellt werden können, wie beispielsweise Gas-und-Dampf-Anlagen.

Mobilität

Mobilität ist ein Grundrecht aller Menschen. Um an einer modernen Gesellschaft überhaupt teilhaben zu können, muss jede und jeder in der Lage sein ohne Probleme von A nach B zu kommen. Ziel ist es weiterhin, den Verkehr von der Straße und aus der Luft auf die Schiene zu bringen. Dazu bedarf es eines gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Wir haben aktuell weder quantitativ noch qualitativ einen befriedigenden Status erreicht. Es gibt erhebliche Ausbaubedarfe in den Städten und im ländlichen Raum. Innovative Verkehrskonzepte, wie zum Beispiel die Nutzung von Seilbahnen oder fahrer*innenlosem ÖPNV müssen dafür stärker in Betracht gezogen werden, um sowohl viel genutzte Strecken zu entlasten als auch Gebiete zu erschließen, die schlecht angebunden sind. Je mehr Menschen den ÖPNV nutzen, desto besser ist dies in ökologischer Hinsicht. In ländlichen Regionen wird jedoch auf absehbare Zeit der motorisierte Individualverkehr nicht ersetzbar sein. Deshalb muss dieser von fossilen Antrieben hin zu Elektro und power-to-x, ganz im Sinne der Sektorenkopplung umgestellt werden. Zu Lithium-Ionen-Akkus allerdings brauchen wir langfristig Alternativen.

Des Weiteren halten wir an dem Ziel eines fahrscheinlosen und für alle kostenlosen ÖPNVs fest. Mobilität hört aber nicht an der Stadt- oder der Verkehrsverbundsgrenze auf. Es bedarf auch einer genauen Betrachtung des Fernverkehrs. Wir kritisieren die Unverhältnismäßigkeit der Preise von öffentlich gefördertem Bahnverkehr und privat finanzierten Fernbussen. Reisen mit dem Fernverkehr müssen für alle bezahlbar sein. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets.

Ferner soll es einen Fokus auf die Nutzung von Fahrrädern geben, dies beinhaltet auch eine Anpassung der Schnittstellen zum ÖPNV. Ein zentrales Ziel ist also, die Verkehrswege auf die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft einzustellen (ob beim Schienennetz oder Fahrradstraßennetz).

Neben der Personenbeförderung spielt auch der Gütertransport eine entscheidende Rolle. Wir wollen nicht, dass immer weitere Autobahnen unsere Umwelt zerstören, sondern fordern einen Ausbau vor allem der Schiene und der Binnenschifffahrt.

Forschung und Innovation

Eine wichtige Rolle in all dem spielt die Forschung. Neben dem Bau neuer Anlagen und von Infrastruktur wird die Entwicklung und Weiterentwicklung neuer Technologien entscheidend beim Umbau des Energiesystems sein. In nahezu allen Bereichen sind Effizienzsteigerungen nötig. Dies kann nur durch wissenschaftliche Arbeit ermöglicht werden. Der Staat muss auch hier aktiv sein. Nicht in dem Sinne, dass in die Wissenschaft eingegriffen wird, sondern dass ausreichend Mittel bereitgestellt werden. Ein Teil sollte dabei in die Erforschung konkreter Technologien fließen. Ein anderer Teil sollte aber auch die Grundlagenforschung unterstützen. Bei dieser ist ein konkreter Nutzen zwar nicht immer absehbar, er wird sich aber in vielen Fällen nach einiger Zeit ergeben. Personen, die statt staatlich unterstützter Forschung die Innovationskraft des freien Marktes preisen sei gesagt: Im weltweit bekanntesten Smartphone ist nicht ein einziges Stück Technik verbaut, dass nicht entweder aus staatlich subventionierter Forschung oder direkt aus staatlichen Forschungsprogrammen heraus entstanden ist. Um Innovation besser zu fördern wollen wir, dass der Staat Start-Ups stärker als bisher mit Wagniskapital unterstützt. Allerdings darf der Staat hierbei nicht nur einseitig an Verlusten beteiligt werden, sondern sollte im Erfolgsfall auch an Gewinnen beteiligt werden.

Ressourcen und Kreislaufwirtschaft

Am 3. Mai 2019 hat Deutschland alle nachwachsenden Ressourcen verbraucht, die für dieses Jahr zur Verfügung standen. Deutschland wirtschaftet nicht ansatzweise nachhaltig und ressourcenschonend; in den anderen westeuropäischen Staaten sieht es nicht anders aus. Stattdessen beobachten wir, dass in Wien täglich so viel Brot weggeschmissen wird, wie in Graz gegessen wird; dass jährlich 230.000 Rinder für den deutschen Müll geschlachtet werden; dass Flüsse in der Provence austrocknen, weil das Wasser für die Landwirtschaft genutzt wird. Wer ein Interesse daran hat, dass die Menschheit auch in mehreren Jahren noch natürliche Ressourcen nutzen kann, muss sich mit alternativen Formen des Wirtschaftens beschäftigen. Eine davon ist die Kreislaufwirtschaft. Sie sieht vor, dass Produkte so designt und konzipiert werden, dass bei ihrer Produktion minimal Müll anfällt und dass, wenn sie kaputt gehen sollten, die defekten Teile ausgewechselt, recycelt und wiederverwendet werden können. Dadurch soll ein Ressourcenkreislauf entstehen. Alle Rohstoffe, die diesen Kreislauf einmal betreten, sollen möglichst lange, wenn nicht gar für immer, darin verbleiben. Die Kreislaufwirtschaft setzt darauf, dass Produkte möglichst lange genutzt werden können und keine Mechanismen eingebaut werden dürfen, die technische Geräte absichtlich langsamer werden lassen bzw. ihre Lebensdauer verkürzen. Diese Art zu wirtschaften ist ressourcenschonend und umweltfreundlich und daher sinnvoll. In einer sozialistischen Wirtschaft muss ökologisch gewirtschaftet werden; dafür ist die Kreislaufwirtschaft eine gute Möglichkeit. Die Kreislaufwirtschaft kann als ein Aspekt einer veränderten Wirtschaftsweise verstanden werden kann, als ein Schritt in die richtige Richtung, der aber nicht ausreicht, um alle Probleme zu lösen. Dafür braucht es nach wie vor eine durch die Beschäftigten demokratisch organisierte und damit sozialistische Wirtschaft.

Woanders ist auch scheiße

Der Umbau des Energiesystems wird umfassende Baumaßnahmen, die Errichtung neuer Anlagen zur Produktion, Verteilung und Speicherung von Energie und die Veränderung der Infrastruktur benötigen und damit ebenfalls einen sehr hohen Arbeitsbedarf erfordern. Wenn also einerseits ein riesiger Bedarf an Arbeitskraft besteht und bestehen wird, der vor allem von Menschen geleistet werden wird und es andererseits Regionen gibt, in denen alte Wirtschaftszweige auslaufen und nicht weiter bestehen können müssen diese beiden Seiten zusammengebracht werden. Konkret heißt das: Bei allem, was für die Transformation produziert, installiert und gebaut werden muss, sind die zu beauftragenden Unternehmen priorisiert in den ehemaligen Braun- und Steinkohlerevieren anzusiedeln oder Unternehmen den Vorzug zu geben, die bereits in der Region verortet sind und gute tarifliche Arbeitsbedingungen bieten. Außerdem wollen wir für die Dauer des Transformationsprozesses die Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge ändern. In den (ehemaligen) Revieren sollen nach Vorbild des Preston Modells der Labour Party Aufträge nicht mehr nur nach dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit vergeben werden, sondern vor allem nach dem Nutzen für die regionale Wirtschaft. Die potentielle Arbeitskraft muss als Standortvorteil genutzt werden. Für Speichertechnologien mit hoher Arbeitsintensität (zum Beispiel für Betrieb und Wartung), die bei gleicher Effizienz an verschiedenen Standorten gleichsam eingesetzt werden könnten, sollte ebenfalls das Arbeitskräftepotential ein Entscheidungskriterium darstellen. Grundsätzlich sollten vor Ort ansässige Unternehmen und kommunale Entscheidungsgremien in die neue Gestaltung der entstehenden Brachflächen eingebunden werden. Auch mögliche Forschung zu Speichertechnologien und Energie- und Klimaforschung sollte vor Ort angesiedelt oder Aufträge an bereits bestehende Forschungseinrichtungen vergeben werden, um den lokalen Arbeitsmarkt zu stärken und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass neu entstehende Arbeitsplätze nicht nur im rein akademischen Bereich liegen, sodass das Arbeitskräftepotential aus den Bergbauunternehmen genutzt werden kann. In den Regionen, in denen der Braunkohlebergbau jetzt eingestellt wird, müssen nicht nur neue Arbeitsplätze entstehen, sondern auch Investitionen in Wohnen, Infrastruktur und Bildung fließen – vom KiTa-Platz bis zu Hochschule. Denn Investitionen in Neugründungen von Universitäten und Hochschulen sind ein Baustein von Bedeutung, da sie zur Innovation beitragen und junge Menschen in die Region holen. Diese bringen innovative Projekte voran, die sich direkt vor Ort ansiedeln können und somit Regionen beleben.

An den (ehemaligen) Bergbaustandorten sollte auch eine örtliche Nachnutzung im Fokus stehen, damit keine großen Brachflächen entstehen. Neben der Renaturierung, die vor allem in Braunkohlerevieren eine Rolle spielt, sollte die vorhandene Infrastruktur für jedwede energetische Weiternutzung genutzt werden, um ressourcenschonend zu arbeiten. Hierbei sind vor allem Speichertechnologien wie power-to-x oder Pumpspeicherwerke zu fördern, wenn sie die bestehende Infrastruktur des Bergbaus weiterhin nutzbar machen können. Außerdem sollten die neu entstehenden Flächen auch kommunaler Nutzung zugeführt werden können, wenn die Flächen etwa infrastrukturell so gut angebunden sind, dass sich Wohnungsbau hier eignet, um dem immer knapper werdenden sozialen Wohnungsbau entgegentreten zu können.

Industrie

Der notwendige Strukturwandel stellt die Industrie im Rheinischen Revier vor eine enorme Herausforderung. Doch Transformationsprozesse können und sollen in erster Linie auch als Chance gesehen werden. Wenn es uns gelingt, mit industriepolitischen Eingriffen Strukturbrüche zu vermeiden, schaffen wir soziale Sicherheit für die Beschäftigten in der Region.

Doch was bedeutet Industriepolitik überhaupt? Während Konservative und Neoliberale sich auf allgemeine Förderungen beschränken und darauf hoffen, dass der Markt es schon regeln werde, fordern wir Jusos gezieltere Maßnahmen. Industriepolitik muss für uns strategisch, innovativ und vorausschauend sein. Um den Strukturwandel zu meistern, brauchen wir aktive Eingriffe in unsere Industrie. Der Staat soll Motor für Innovation sein. Doch gleichzeitig ist der Staat auch dafür zuständig, welche Art von Innovation zulässig ist. Wollen wir die Wirtschaft im Rheinischen Revier (und darüber hinaus) wirklich umbauen, müssen wir Segmente definieren, die der Staat gezielt fördern soll. Und gleichzeitig müssen wir bestimmte Arbeitnehmer*innen-, sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards als Bedingungen formulieren damit eine sozial-ökologische Transformation gelingen kann. Dazu braucht es allerdings eine enge Abstimmung zwischen betroffenen Kommunen, Land und Bund und Gewerkschafte.

Der Staat kann und soll den Strukturwandel aktiv lenken und gestalten, um gute Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. So können wir beweisen, dass Energiewende und Industrie keine Widersprüche sind.

Wo kommt die Kohle her?

Die Perspektiven, die wir für die soziale und ökologische Transformation aufzeigen bedeuten zweifelsohne einen riesigen Investitionsbedarf. Die Frage danach, wie all das finanziert werden soll, kann zumindest in negativer Weise sehr kurz beantwortet werden: Die Hauptlast darf nicht bei Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen liegen. Und das ist auch gar nicht notwendig, denn es gibt viele, mehr als gut situierte natürliche und juristische Personen, welche problemlos mehr finanzielle Verantwortung tragen können, ohne dadurch in Bedrängnis zu geraten.

Dafür brauchen wir auch im haushaltspolitischen Bereich eine Wende. Schuldenbremse und schwarze Null sind Ausdruck der Aufgabe eines politischen Gestaltungsanspruchs. Der konservative, zunächst moralisch vorgebrachte Verweis auf künftige Generationen für die Begründung einer schwarzen Null muss als das enttarnt werden, was es ist: Neoliberale Verteilungsinteressen in der Gegenwart. Und jetzt, da sich die Bundesrepublik für historisch niedrige Zinsen refinanzieren könnte, wird die absurde Tragik der Schuldenbremse besonders deutlich. Die Politik muss das buchstäblich geschenkte Geld auf der Straße liegen lassen, während die öffentliche Infrastruktur verfällt und in Zukunft mit hohen Folgekosten zu Buche schlägt. Aber auch ohne die politisch falsche Entscheidung der Schuldenbremse zurückzunehmen, stehen uns immerhin 0,35% des BIP, also ca. 11,7 Milliarden Euro pro Jahr für Investitionen zur Verfügung. Aber selbst dieser Spielraum wird zugunsten der schwarzen Null nicht ausgenutzt und das, obwohl es noch nie so günstig für den deutschen Staat war, sich Geld zu leihen. Die Einhaltung der Schuldenbremse führt dazu, dass Investitionen die ersten Ausgaben sind, die gekürzt werden.

Wer eine gute Zukunft will, muss schon heute etwas dafür bezahlen. Damit der Staat die Voraussetzungen für eine gute Zukunft gestalten kann, muss er mit den nötigen finanziellen Mitteln und Möglichkeiten ausgestattet sein. Die staatlichen Einnahmen müssen durch eine verantwortungsvolle und gerechte Steuerpolitik (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Finanztransaktionssteuer, Körperschaftssteuer, Kapitalertragssteuer) erhöht werden. Darüber hinaus fordern wir die Rücknahme der Schuldenbremse. Diskutiert werden sollte auch die Bildung eines Staatsfonds. Kurzfristig soll der gesamte Spielraum der aktuellen Gesetzeslage für Zukunftsinvestitionen ausgenutzt werden.

Besonderer Handlungsbedarf besteht in Deutschland bei den Vermögen. In der Eurozone sind diese nur in Litauen ungleicher verteilt, Deutschland nimmt eine traurige Spitzenposition ein. Die reichsten 10% der Haushalte besitzen 60% des Gesamtvermögens. Nicht nur aus Aspekten der Verteilungsgerechtigkeit ist dies ein Problem. Viele Ökonom*innen gehen davon aus, dass eine zu starke Ungleichheit in einem Land das Wachstum bremst. Aber massive Ungleichheit hindert nicht nur Wachstum, sondern führt zu auch sozialen Spannungen. Eine starke, auf hohe Vermögen konzentrierte Steuer kann also einerseits dazu beitragen, den Umbau des Energiesystems zu finanzieren und andererseits helfen, die Ungleichheit zu verringern, zugunsten einer gerechten Gesellschaft mit wirklichen Aufstiegschancen.

Einen weiteren Beitrag müssen Multinationale Unternehmen leisten. Aktuell können diese, wenn sie in mehreren Ländern mit sehr unterschiedlichen Steuersystemen und -niveaus agieren, Gewinne und Verluste oftmals so beliebig hin und her schieben, dass sie an vielen Standorten nahezu keine Steuern zahlen müssen. Unternehmen wie Facebook und Starbucks sind dafür nur die Spitze des Eisbergs. Deshalb brauchen wir mehr Transparenz. Viele Steuervermeidungs- und Steuerhinterziehungspraktiken sind nur dann aufzudecken, wenn die Geschäftszahlen aller Teilgesellschaften eines Konzerns bekannt sind. Finanzbehörden müssen international kooperieren und Daten über Umsätze, Gewinne und Steuerleistungen etc. der einzelnen Standorte austauschen; sie müssen über genug personelle und materielle Kapazitäten verfügen, um die komplexen Geschäftsmodelle und Kennzahlen analysieren und bewerten zu können. Zur Aufarbeitung der illegalen Modelle müssen Schwerpunktstaatsanwaltschaften herangezogen werden und die Strafen für Steuerhinterziehung müssen so ausgestaltet sein, dass das Risiko ökonomisch uninteressant wird. Und wir brauchen mehr internationale Regelungen. Wenn Unternehmen multinational agieren, ist klar, dass auch Politik dies tun muss. Es muss im Grundsatz gelten, dass dort wo die Produktion stattfindet oder die Dienstleistung erbracht wird, darauf auch Steuern zu zahlen sind. Aggressiver Steuergestaltung, die beispielsweise durch künstlich festgelegte Verrechnungspreise und Lizenzgebühren und den bewussten Einsatz von Fremdfinanzierung Gewinne in Niedrigsteuerländer verschiebt, wollen wir einen Riegel vorschieben. Eine Digitalsteuer kann dabei ein Teil der Lösung sein. Kurz- und mittelfristig braucht es in der EU Abkommen zur Mindestbesteuerung von Unternehmen. Es sollte zudem geprüft werden, ob Unternehmen mit Standorten in mehreren EU-Staaten eine europäische Körperschaft als Dachgesellschaft bilden müssen. Langfristig wollen wir eine europäische Steuergesetzgebung. Für viele der jetzigen Steueroasen stellen diese Geschäftspraktiken einen nennenswerten volkswirtschaftlichen Faktor dar. Es müssen ihnen – bei gleichzeitiger Bekämpfung – andere Perspektiven aufgezeigt werden.

Schritt für Schritt zum Fortschritt

Ganz im Sinne der Doppelstrategie wollen wir diesem Konzept nicht nur Einfluss auf die Positionierung unserer Partei nehmen, sondern darüber auch in den Austausch mit anderen gesellschaftlichen Akteur*innen kommen. Insbesondere in den vom Wandel betroffenen Regionen, wo die Gräben zwischen manchen Gruppen in der “Kohle-Frage” unüberbrückbar scheinen, wollen wir unsere Ideen vorstellen. Es ist möglich, soziale und ökologische Aspekte zusammen zu denken und zusammen zu bringen. Dafür braucht es einen aktiven Staat, es braucht sozialistische Politik. Denn die sozial-ökologische Transformation ist das Projekt der nächsten Jahrzehnte, sie wird große Veränderungen mit sich bringen, die progressiv gestaltet werden müssen, damit sie für die Menschen nicht Sorgen bedeuten, sondern Fortschritt und Verbesserungen.

A4 Die maximale Probezeit von sechs auf drei Monate verkürzen.

30.08.2019

Derzeit ist gesetzlich geregelt, dass die Probearbeitszeit in Absprache zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen bis zu sechs Monaten andauern kann.

In der Realität allerdings müssen Arbeitnehmer*innen häufig eine sechsmonatige Probearbeitszeit absolvieren, ohne dass jemals eine Absprache stattgefunden hat, geschweige denn ein nachvollziehbarer Grund vorhanden ist.

Es gibt viele Arbeitsbereiche, in denen es für den*die Arbeitgeber*in nicht notwendig ist, eine solch lange Zeit die Arbeitnehmer*innen prüfen zu müssen, da die Eignung für diesen Arbeitsbereich in den ersten drei Monaten festgestellt werden können.

Außerdem wird die Dauer der Probearbeitszeit von sechs Monaten ausgenutzt, um Arbeitnehmer*innen für eine arbeitsaufwendige Zeit einzustellen und sie nach dieser wieder zu entlassen.

Des Weiteren besitzt der*die Arbeitgeber*in die Macht über die Einstellung, was dazu führt, dass eine Absprache, wenn sie dann stattfindet, nach Wünschen beider Parteien praktisch unmöglich ist.

Für den*die Arbeitnehmer*in kann es eine Belastung darstellen, sechs Monate in der Ungewissheit zu leben den Job behalten zu können. Dies kann ebenfalls ein gewisses Existenzrisiko darstellen.

Durch die fehlende Absprache zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen und die Ausnutzung vieler Arbeitgeber*innen ist die Verkürzung der maximalen Probezeit notwendig.

Daher fordern wir die Probezeit auf höchstens drei Monate zu begrenzen. 

W7 Auch indirekte Rüstungsexporte sind Rüstungsexporte!

30.08.2019

Im Koalitionsvertrag wurde ein Stopp von Rüstungsexporten an Beteiligte des Jemen-Kriegs vereinbart. Bis zur Ermordung des saudischen Journalisten Khasoggi in der saudi-arabischen Botschaft in der Türkei hatte diese Vereinbarung aber keinerlei praktische Konsequenzen für Exporte von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien, die auch in eben jenem Jemen-Krieg eingesetzt werden konnten. Dieser vorläufige Stopp, dessen Ende nicht nur von französischen Rüstungsunternehmen, die gemeinsam mit deutschen produzieren und somit auf deren Mitwirkung angewiesen sind, gefordert wird, gilt jedoch nur für deutsche Firmen. Ausländische Tochterfirmen deutscher Unternehmen sind davon nicht betroffen. Beispielhaft hierfür steht die Firma Rheinmetall, deren italienische bzw. südafrikanische Tochterfirma Saudi-Arabien weiterhin mit Rüstungsgütern wie Munition versorgt. Während Wirtschaftsminister Peter Altmaier keinen Bedarf zu einer Änderung des entsprechenden Artikels 49 der Außenwirtschaftsordnung sieht, sagen wir:

Diese Umgehung deutscher Waffenexportrestriktionen kostet Menschenleben und ist nicht weiter hinnehmbar!

Zur weiteren Begrenzung von Rüstungsexporten fordern wir daher:

  • Einbeziehung von Tochterfirmen deutscher Unternehmen in Rüstungsexportrestriktionen
  • Austausch mit europäischen Partnerländern über Einschränkungen von Rüstungsexporten, v. a. in Krisengebiete

O3 Alle reden vom Rave! Wir nicht!

30.08.2019

Die Geschichte aller bisherigen Juso-Partys ist die Geschichte von Kämpfen um die passende Musik zur passenden Zeit. Wir setzen uns für weniger elektronische Musik auf Juso-Partys und die Schaffung einer „NRW-Jusos“-CD für den Juso-Bundesverband ein. Außerdem sollte die Musikauswahl auf allen mehrtägigen Juso Veranstaltungen unseren demokratischen Maßstäben genügen.

Techno ist Ausdruck dessen, was Musik nach Adorno in der verwalteten Welt widerfährt: Unter  „Bedingungen planender, organisierender Erfassung“ wird ihr die „künstlerischen Freiheit und Spontanität“ entzogen. Längst sind DJ* Sklaven immer gleicher populärer Beats. Abgeschottet hinter  dem DJ*-Pult ist eine Interaktion mit den Hörer*innen dabei minimal. Er*Sie ist also nichts anderes als Vorarbeiter*in einer Musikindustrie, welche auf den populären Sound aufbaut. Das musikalische Endprodukt hat sich dabei längst von den Künstler*innen entfremdet, weil der künstlerische Mehrwert auf Wiederholung immer gleicher Langeweile basiert. Wo Musik derartig zur Ware wird und sich der künstlerische Mehrwert nur in monetären Maßstäben berechnet werden kann, lässt die Analyse nur einen Schluss zu: Die sogenannte Technomusik ist Ausdruck eines „Kapitalismus pur“ in der Musikindustrie.

Deshalb eignet sich diese Musik auch nicht als Ausdruck des Protestes, weil ihr wahrer Charakter so sehr mit der Unterhaltung und dem Konsum verbunden ist, dass Versuche der Musik eine andere –eine politische – Funktion zu geben, eine Fassade bleiben. Wir stellen zwar fest, dass Aktivist*innen wie Hedonist International den Versuch unternehmen, politische Inhalte über die Partyszene zu verbreiten und wir halten auch fest, dass die Techno-Bewegung gerade in den Anfängen durchaus als Protestbewegung verstanden werden kann. Allerdings müssen wir auch festhalten, dass der Versuch eine Gegenkultur zu entwickeln vage bleibt, wenn sie nicht im Kern antikapitalistisch ist. Gerade die Hip-Hop-Kultur oder auch die Punk-Bewegung sind gute Beispiele dafür, dass Musikrichtungen auch antikapitalistisch organisiert sein können. Und wenn auf einem Rave das Motto ausgegeben wird, dass Menschenfeindlichkeit nicht zu ertragen sei, dann stellen wir fest, dass dieser Rave nicht zu ertragen ist. Weil dadurch, dass er das Entsetzliche auch noch konsumierbar gemacht wird, schlicht aus der eigentlichen Botschaft auch noch einmal neue Konsumqualitäten herauspresst. Auf einem Rave ist es jedenfalls noch nicht zu einer sachgerechten Analyse des kapitalistischen Systems und einer daraus folgenden Kritik an den bestehenden Verhältnissen gekommen, auf einem Helene Fischer Konzert aber ehrlicherweise auch noch nicht. Party-Hedonismus ist eben auch nur „Opium des Volkes“, aber keine wirksame Politisierungsstrategie.

Andererseits ist Kunst natürlich immer nur Ausdruck dessen was ist. Der Beat ist Hammerschlag einer geknechteten Arbeitnehmer*innenschaft. Endlos. Ohne Pause, in einem System, was den Mensch zur Maschine macht. Drastisch ausgedrückt bedeutet das: Wer die Arbeiter*innenschaft befreien will, muss sie zunächst vom „Boom“ befreien. Denn im Techno spiegelt sich alles wider, was Sozialist*innen politisch bekämpfen: Einfache musikalische Antworten auf komplexe Fragen. Techno als Ausbruch aus dem Alltag statt politischem Klassenkampf. Das hat auch damit zu tun, weil in einer Musikrichtung ohne Text auch keine Verbalisierung einer neuen Welt stattfinden kann. Die Entsolidarisierung auf der Tanzfläche, wo jede*r für sich tanzt, spiegelt dabei zwar die logische Konsequenz einer im Grunde genommen Ich-bezogenen Musik wider, aber es stellt für uns keine tanzbares Abbildung des Sozialismus dar. Soll der „Boom“ wirklich die Antwort auf unsere musikalischen Fragen sein? Nein. Wer die herrschenden Verhältnisse kritisiert, darf beim Techno nicht schweigen. Die politischen Verhältnisse müssen auch auf dem Dancefloor zum Tanzen gebracht werden. Es gibt schließlich keinen richtigen Beat im Falschen.

So ist es auch nicht die Musik der Menschen, die ihr Sein auf der Tanzfläche, sondern umgekehrt das gesellige Sein auf der Tanzfläche, das ihre Musik bestimmt. Gleichzeitig erkennen wir an, dass Vielfalt sowohl die Stärke unserer Gesellschaft als auch unserer Musik ist. Aus dieser Vielfalt kann Gemeinschaft wachsen und so alle Beteiligten stärken.

Doppelte Haltelinie schützt vor musikalischer Armut

Darüber hinaus wissen wir um die zunehmende musikalische Armut mit steigendem Alter des Abends. Einzelne punktuelle Korrekturen wie Liedwünsche können häufig nicht mehr retten, was nicht mehr zu retten ist.

Abhilfe schaffen kann dort eine doppelte Haltelinie. Erstens: Blacklisting bestimmter Künstler*innen. Zweitens:  Grundsätzlicher Anspruch auf Respektmusik („Africa“ von Toto) für jeden ohne vorherige entwürdigende Prüfung, inwieweit der Abend dieser bedarf.

Die Tänzer*innen haben nichts zu verlieren, außer ihren Rhythmus. Deswegen fordern wir: Tänzer*innen aller Länder, vereinigt euch!

D2 Public Money, Public Code - was alle bezahlen, soll auch allen gehören

30.08.2019

Wir fordern, dass rechtliche Grundlagen geschaffen werden, die es erfordern, dass mit öffentlichem Geld entwickelte oder bezahlte Software unter einer Freie-Software- und Open-Source-Lizenz gestellt werden. Von allen bezahlter Code sollte für alle verfügbar sein!

W6 Finanzmarktregulierung aus Leidenschaft

30.08.2019

Am 15. September 2008 brach mit der Insolvenzanmeldung der US-Investment-Bank Lehman Brothers eine globale Finanzkrise aus, die sich in Europa zur Wirtschafts- und später auch zur Staatsschulden- und Eurokrise ausweitete. Eine der Folgen der verschiedenen Krisen war, dass zum wiederholten Male Verluste sozialisiert und Gewinne privatisiert wurden. Dieses Vorgehen und diese Krisenkaskade wäre nicht möglich gewesen ohne vorherige jahrelange weltweite Deregulierung des Finanzsektors, in Deutschland unter anderem durch die frühere rot-grüne Bundesregierung.

Zentrale Aufgabe dieses Finanzsektors ist es, Unternehmen und Haushalte unter anderem mittels Transformationsleistungen durch Kreditvergabe mit Geld zu versorgen, deren Ersparnisse anzunehmen und weitere Finanzdienstleistungen in deren Sinne anzubieten. Zentrale Aufgabe des Finanzsektors ist nicht, auf die Pleite von  Staaten und Unternehmen zu wetten, Intransparenz als Geschäftsmodell zu verwirklichen, wie die Hypo Real Estate mit harten Kernkapitalquoten von 0.08% zu arbeiten, Hochleistungscomputer für die Gewinnung von Sekundenbruchteilen bei Wertpapiertransaktionen aufzustellen oder durch unnötig komplexe Produkte, teilweise gepaart mit krimineller Energie, Kund*innen und Regulierungs- sowie Steuerbehörden zu täuschen.

Um diese Fehlentwicklungen zu stoppen, zukünftigen Krisen entgegenzuwirken, Spekulationen zu verhindern, Verbraucher*innen zu schützen und Finanzinstitute zu stabilisieren braucht es eine Reihe von Reformen des Finanzsektors. Im Zentrum müssen Maßnahmen stehen, die darauf abzielen, unverantwortlich riskantes Verhalten zu verhindern, zu erschweren oder zumindest die Beteiligten an entstehenden Kosten zu beteiligen und das Finanzsystem als ganzes widerstandsfähiger zu machen.

Weiterentwicklung von Basel III:

  • Strengere Eigenkapitalvorschriften
    • Augenmerk auf Verschuldungsgrad sowie Liquidität
  • TLAC als Instrument zur besseren Kapitalausstattung im Krisenfall
  • Schwerpunkt nicht auf Krediten an Realwirtschaft, sondern auf komplexe und riskante Finanzprodukte
    • Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen nicht weiter erschweren

Der sogenannte Basel-Prozess zur Regulierung von Banken wurde bereits 1988 angestoßen, war zu Beginn allerdings noch von Fehlentwicklungen und -einschätzungen geprägt. Beispielhaft sei hier nur die Einschätzung genannt, dass Staatsanleihen von Euro-Staaten so sicher sind, dass Banken hierfür kein Eigenkapital vorhalten müssen. Es braucht also eine Weiterentwicklung der Vorschriften, um eine weitere, langfristige Stabilisierung des Finanzsektors zu erreichen. Eine besondere Herausforderung ist hierbei, dass kleinere Institute und Unternehmen nicht unnötig durch überbordende Bürokratie oder schwierigere Kreditaufnahme benachteiligt werden. Umgekehrt sollen vor allem große Institute mit sehr großer Bilanz, vielen komplexen Produkten und intransparenten Risiken dazu gebracht werden, an diesen drei Punkten zu arbeiten.

Da es in einem herausfordernden Marktumfeld zwischen Digitalisierung, Niedrigzinsphase, Wettbewerb und Regulierungskosten schwierig sein kann, kurzfristig die notwendigen Mengen an Eigenkapital zu erwirtschaften, kann zusätzlich auf TLAC (Total Loss Absorbing Capacity) zurückgegriffen werden. Wir erkennen an, dass es durch die mögliche Umwandlung von Fremd- zu Eigenkapital stabilisierende Wirkung haben kann, sehen die Möglichkeit zur Steuerersparnis durch Zinszahlungen, die im Gegensatz zu Eigenkapitalkosten wie Dividende steuerlich abzugsfähig sind. Ein weiteres Ziel dieser Maßnahmen müssen drastische Bilanzverkürzungen und Risikoabbau bei Finanzinstituten sein. Dies soll aber nicht durch Auslagerung in Tochterfirmen, wo Verluste gegebenenfalls später oder unauffälliger anfallen, aber nichtsdestotrotz ähnliche Risiken für die Bank bedeuten wie vorher. Strengere Vorschriften bezüglich der zulässigen Verschuldung im Hinblick auf die gesamte Bilanz (leverage ratio) können hier Anreize bieten, Bilanzen zu verschlanken.

Mit Basel III wurde mit der Strukturellen Liquiditätsquote (NSFR) eine Kennzahl eingeführt, die die Zahlungsfähigkeit von Finanzinstituten in den nächsten 12 Monaten misst. Eine der Erfahrungen der Finanzkrise war, dass kurzfristige Kreditaufnahme (zur Finanzierung langfristiger Geschäfte oder des laufenden Betriebs) in einer Phase von Misstrauen und Unsicherheit schwierig werden kann und so ernsthafte Liquiditätsprobleme hervorrufen kann. Die NSFR soll daher eine zentrale Rolle bei der zukünftigen Bewertung von Banken spielen.

Schwarze Schwäne gibt es doch – Interne Risikomodelle der Banken auf den Prüfstand:

  • Risikomodelle der Banken kritisch hinterfragen und Anforderungen erhöhen
    • Sehr seltene und unwahrscheinliche Ereignisse stärker berücksichtigen

Um beispielsweise Kredite oder Wertpapiere hinsichtlich ihres Risikogehalts einschätzen zu können, haben Regulierungsbehörden Risikomodelle entwickelt, den sogenannten Standardansatz. Alternativ können Finanzinstitute, zumeist die großen, die es sich leisten können, eigene Modelle entwickeln (IRB, also internal rating based), die das Ziel haben, Risiken kleinzurechnen und damit Eigenkapitalanforderungen zu verringern und so Geld zu sparen. Wie schlecht diese internen Ansätze funktionieren, ließ sich in der vergangenen Finanzkrise auf dramatische Art und Weise beobachten. Das Risiko des Eintritts vorher für unmöglich erachteter Ereignisse, sogenannter „Schwarzer Schwäne“, wie einen Tagesverlust des Schweizer Franken von über 15% im Jahr 2015 oder Ausfälle als sicher geltender Kreditportfolios, müssen dabei angemessen berücksichtigt werden. In Deutschland werden diese Risikomodelle von der BaFin geprüft und genehmigt – hier scheint eine strengere Maßgabe notwendig zu sein.

Ratings made in Europe:

  • Förderung einer öffentlichen europäischen Ratingagentur
  • Strukturelle Unterstützung durch Nutzung ihres Ratings für öffentliche Geldanlage
  • Hinwirken auf Anerkennung durch die ESMA und EZB als eine der Agenturen zur Bewertung von Wertpapieren als Sicherheiten bei der Kreditvergabe an Banken

Zu den zentralen Herausforderungen einer europäischen Ratingagentur zählet die weitestgehende Etablierung der „Big three“ Moody’s, Standard & Poor und Fitch, die über 90% des globalen Markts abdecken. Trotz ihrer offensichtlichen Fehlbarkeit, Interessenkonflikte und Falschbewertungen, die maßgeblich zum Entstehen der Immobilienblase in den USA und später zur Eskalation der Staatsschuldenkrise in Europa beigetragen haben, sind sie bis heute quasi alternativlos. Dem muss eine seriöse, verlässliche öffentliche europäische Ratingagentur entgegengestellt und gefördert werden. Wo die US-amerikanischen Agenturen Interessenkonflikte durch die Bezahlung durch die zu bewertenden Kunden haben, muss eine europäische mit einem transparenten Bezahlungs- und Bewertungssystem und einer Unabhängigkeit von europäischen Staaten und Institutionen punkten. So wird es möglich sein, dem Teufelskreis der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen von immer schlechteren Ratings und Zahlungsschwierigkeiten zu entkommen.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal kann eine Fokussierung auf ein Klima-Rating von Finanzanlagen sein, bei dem beispielsweise der ökologische Fußabdruck von bewerteten Unternehmen dargestellt wird und gezeigt wird, inwieweit diese Firmen auf eine Energiewende oder den Klimawandel vorbereitet sind. Dieses Rating könnte bei öffentlicher Geldanlage verpflichtend gemacht werden.

Ein weiterer entscheidender Punkt dabei ist, dass sowohl die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) als zuständige Institution für die Zulassung von Ratingagenturen als auch die Europäische Zentralbank (EZB) als eine wichtige Nutzerin von Ratings im Rahmen ihrer Offenmarktpolitik bei der Kreditvergabe an Geschäftsbanken diesen Prozess begleiten.

Demokratisierung der Eurozone:

  • Euro-Finanzminister*in mit eigenem Budget und Kompetenzen
  • Euro-Kammer im EU-Parlament

Stärkere europäische Kontrolle von Finanzmärkten und -instituten lassen sich besser verwirklichen, wenn sie institutionell „hinterlegt“ sind. Es ist an der Zeit, den Geburtsfehler des Euro zu beheben: Eine gemeinsame Währung kann ohne gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht funktionieren. Die hier geforderte Kompetenzverlagerung in die Eurozone muss, wenn sie demokratisch legitimiert sein will, durch demokratische Institutionen geschehen. Deshalb plädieren wir für die Schaffung eine*r Euro-Finanzminister*in, die die gemeinsame Politik koordiniert, und einer Euro-Kammer im EU-Parlament – möglicherweise als Unterausschuss des ECON-Ausschusses -, die diese Finanzminister*in demokratisch kontrolliert. Eine Euro-Kammer hat gegenüber einem eigenen Euro-Parlaments den Vorteil, dass die Abgrenzung zwischen Eurozone und Europäischer Union weniger stark ausfällt und so die Integration von Nicht-Euroländern leichter fällt. Zusätzlich sollten auch Vertreter*innen der nationalen Parlamente Teil der Euro-Kammer sein.

Koalitionsvertrag umsetzen – Finanztransaktionssteuer endlich einführen:

  • Käufe von Aktien und Anleihen mit mindestens 0,25% und Käufe von Währungen, Derivate o. ä. mit mindestens 0,025% besteuern
  • Auf alle börslichen und nichtbörslichen Käufe in teilnehmenden Staaten
  • Im Idealfall weltweit, ansonsten EU-weit, ansonsten national

Auf jeder Rechnung im Supermarkt wird penibel genau die zu zahlende Umsatzsteuer aufgeführt – beim Kauf von Wertpapieren fehlt eine solche Abgabe aber völlig. Eine Finanztransaktionssteuer hat das Potenzial, Spekulationen, die auf geringsten Preisunterschieden von Wertpapieren beruhen, aber keinerlei realwirtschaftlichen Bezug haben, unrentabel zu machen. Diese ständigen Käufe und Verkäufe innerhalb von Sekundenbruchteilen, machen den Wertpapierhandel zwar einerseits teilweise einfacher, da beispielsweise beim Kauf oder Verkauf von Aktien nicht lange auf eine andere Partei gewartet werden muss. Andererseits wiegt dieser Vorteil zunehmende Instabilitäten sowie immer intransparenter werdende Finanzmärkte und -transaktionen nicht wieder auf. Diese Steuer macht Hochfrequenzhandel und kurzfristige Spekulationen bei geringen Preisunterschieden, wie sie insbesondere bei Währungsgeschäften oder Transaktionen  unattraktiver und schafft so weniger Geschäfte auf den Finanzmärkten und kann je nach Ausgestaltung EU-weit für einen dreistelligen Milliardenbetrag an Steuereinnahmen sorgen.

Hochfrequenzhandel wirksam unterbinden:

  • Umfassende Finanztransaktionssteuer einführen
  • Mindesthaltedauer für Finanzprodukte
  • Verbot der Ausnutzung von Informationsvorsprüngen über bevorstehende Käufe und Verkäufe innerhalb der Handelssysteme

Hinter dem technischen Begriff „Hochfrequenzhandel“ verbirgt sich der automatisierte Kauf und Verkauf von Wertpapieren innerhalb von Millisekunden, um kleinste Preisdifferenzen an verschiedenen Börsen (Arbitrage) oder Informationsvorteile über bevorstehende Transaktionen anderer Marktteilnehmer*innen auszunutzen. Dieser setzt enorme Kapazitäten an Rechenleistungen und komplexe Handelsalgorithmen sowie teilweise schlicht und einfach eine räumliche Nähe vom Rechenzentrum zur Börse voraus, sodass er längst nicht für Alle Marktteilnehmer*innen verfügbar ist, sondern insbesondere für diejenigen, die sich diese Kapazitäten leisten können. Während Befürworter*innen argumentieren, so ließen sich die Liquidität an der Börse erhöhen und Gebühren sowie Preisdifferenzen gesenkt werden, stehen demgegenüber intransparente und unfaire Transaktionen, die darüber hinaus keinen Bezug zu realen Investitionen haben.

Die Ausnutzung der kleinsten Preisdifferenzen kann dabei durch die beschriebene Finanztransaktionssteuer unattraktiv gemacht werden, hierfür reicht bereits ein geringer Steuersatz. Eine Mindesthaltedauer schiebt dem sekundenschnellen Besitzer*innenwechsel von Wertpapieren zusätzlich wirksam einen Riegel vor.

Weniger Brandbeschleuniger – Eindämmung von komplexen Finanzprodukten:

  • Mehrfachen Wiederverkauf von verbrieften Krediten erschweren
    • Selbstbehalt auf 25%-33% je Verkäufer erhöhen
  • Kreditausfallversicherungen nur für Gläubiger*innen
  • Lebensmittelspekulationen verbieten, aber Warentermingeschäfte erhalten

Banken behalten vergebene Kredite häufig nicht in ihrer eigenen Bilanz, sondern treten die aus dem Kreditvertrag entstehenden Tilgungs- und Zinszahlungen an Investor*innen ab, die die Banken dafür mit einer Art Prämie dafür entschädigen. Was zunächst für Liquidität bei der Bank sorgt, hat den Nebeneffekt, dass sie nun auch kaum Interesse an einer geordneten Rückzahlung des Kredits hat – die Versuchung, riskante Kredite zu vergeben steigt also. Wenn viele solcher Kredite gebündelt und mehrfach weiterverkauft werden, besteht trotz oder teilweise auch gerade wegen Ratings Unklarheit über die tatsächlichen Risiken dieses Pakets von asset backed securities (ABS). Wenn Banken diese Kredite nicht mehr vollständig weitergeben können, sondern nur teilweise, bleiben sie am Risiko ihrer vergeben Kredite beteiligt. Gleichzeitig verkürzt sich durch einen solchen Selbstbehalt auch die Liste an möglichen Käufen und Verkäufen. Aktuelle Regelungen, die einen Selbstbehalt von 5-10% vorschreiben gehen nicht weit genug und begrenzen auch nicht den vielfachen Wiederverkauf der Kreditportfolios.

Um sich gegen Kreditausfälle abzusichern, ist es möglich, Versicherungen für diesen Fall abzuschließen. Absurderweise lassen sich diese credit default swaps (CDS) auch vereinbaren, ohne dass man tatsächlich einen Kredit an ein Unternehmen oder einen Staat vergeben hat, was effektiv heißt, dass von der Zahlungsunfähigkeit von Schuldner*innen profitiert und damit quasi auf diese Illiquidität gewettet wird. Massiv passiert ist dies insbesondere während der Euro-Krise bei Anleihen südeuropäischer Staaten. Wer sich so unverantwortlich zeigt und ohne direktes eigenes Interesse an der Zahlungsfähigkeit Anderer von wirtschaftlichen Notlagen profitieren will, dem soll durch eine Beschränkung der CDS auf Gläubiger*innen die Geschäftsgrundlage entzogen werden.

Wenn Lebensmittelproduzent*innen sich gegen schwankende Preise absichern wollen, können sie dies über Warentermingeschäfte oder Futures machen, bei denen sie bereits im Vorhinein einen Preis festlegen, der bei einem zukünftigen Handel gezahlt wird (und dementsprechend auch vom dann aktuellen Marktpreis positiv oder negativ abweichen kann). So weit, so gut – wenn diese (handelbaren) Kontrakte aber zum Spekulationsobjekt werden, werden es die zugrundeliegenden Lebensmittel gleich mit. Das kann zu enormen Preisschwankungen bei Grundnahrungsmitteln führen – mit verheerenden Folgen für Landwirt*innen auf der einen, aber insbesondere für Konsument*innen, für die bezahlbare Lebensmittel überlebenswichtig sind, auf der anderen Seite. Deshalb braucht es endlich einen wirksamen Schutz der Lebensmittelmärkte vor Spekulationen ohne den Marktteilnehmer*innen die Möglichkeit zu verwehren, sich wie bisher abzusichern.

Die beschriebenen Produkte und viele weitere mehr tragen insgesamt zur Instabilität des Finanzsystems bei und sorgen für Intransparenz, mehr Risiken und erhöhte Krisenanfälligkeit. Banken und Finanzdienstleister*innen sollten sich daher besser auf die Kreditvergabe an die und das Einlagengeschäft mit der Realwirtschaft konzentrieren. Auch eine Finanztransaktionssteuer würde an dieser Stelle weiterhelfen, da sie viele der erwähnten Produkte schlagartig unattraktiver oder sogar unrentabel machen würde.

Lehren aus Cum Ex & Cum Cum:

  • vollkommene Aufklärung von Täter*innen, Unterstützer*innen und Mitwisser*innen und Gründe, weshalb trotz Hinweisen jahrzehntelang nichts unternommen wurde
  • bessere personelle und finanzielle Ausstattung von Steuerbehörden
  • Einrichtung oder Ausbau eines Frühwarnsystems zur Erkennung von steuerlichen Auffälligkeiten
  • Ausbau der Kommunikation zwischen den nationalen Steuerbehörden
  • Whistle-Blower*innen ernstnehmen, ihren Hinweisen nachgehen und schützen

Wenn Steuervermeidung und Steuerhinterziehung nicht mehr reichen, wird Steuerraub betrieben – so erschreckend einfach lässt sich das Grundprinzip von Cum Ex, Cum Cum und Cum Fake umreißen. Dabei wurden europaweit schätzungsweise 50 Milliarden Euro aus den Staatskassen durch vorgebliche Steuererstattungen erbeutet. Neben einiger Skrupellosigkeit ist dieser beispiellose Raubzug auch durch schlechte Kommunikation zwischen den verschiedenen nationalen Steuerbehörden, Lobbyismus, der bis hin zum Vorschreiben von Gesetzestexten reichte, mangelndes Interesse bei der Aufklärung, schlechte personelle Ausstattung der Steuerfahnder*innen und ein nicht vorhandenes Frühwarnsystem zu erklären.

Erschwerend kommt hinzu: Auf der anderen Seite werden diejenigen, die überhaupt zum Aufdecken dieses Skandals beigetragen haben, kriminalisiert: So wurde der deutsche Journalist Oliver Schröm, Chefredakteur von Correctiv, wegen der Anstiftung zum Geheimnisverrat angeklagt. Unsere Solidarität gilt denjenigen, die dazu beigetragen haben, dass wir überhaupt von diesen Skandalen wissen!

Facebook weiß schon mehr als genug – Libra verhindern:

  • Keine Zulassung der von Facebook angekündigten Digitalwährung „Libra“
  • Globale Absprachen notwendig

Die Libra Association spricht über Libra als „eine stabile globale Kryptowährung, die auf einem sicheren Netzwerk basiert“ und Facebook als Initiator verspricht, die Privatsphäre von Nutzer*innen zu respektieren und die Transaktionen über eine Tochterfirma („Calibra“) abzuwickeln. Erfahrungen aus der Übernahme von Whatsapp zeigen allerdings, wie viel von solchen Zusagen zu halten ist. Während Facebook über seine sozialen Netzwerke und weit darüber hinaus bereits Unmengen an Daten von über 2 Milliarden Menschen gesammelt und ausgewertet hat, blieb der äußerst sensible Bereich von privaten Zahlungen bisher außerhalb der Reichweite des Konzerns. Das soll nun geändert werden und ist Anlass zur Sorge, dass bereits bestehende angelegte Profile von Nutzer*innen um beispielsweise Einkaufsaktivitäten oder Zahlungsschwierigkeiten erweitert werden könnten. Darüber hinaus wurde zwar eine Hinterlegung mit einem Währungskorb aus Leitwährungen zur Stabilisierung des Werts der Libra angekündigt – eine hundertprozentige Sicherheit, ihr „echtes“ Geld zurückzuerhalten, bietet diese aber für Kund*innen nicht. Um diese Einführung zu verhindern ist es entscheidend, dass Staaten und Zentralbanken international gemeinsam daran arbeiten, Libra noch zu verhindern.

Schattenbanken aus der Grauzone der Regulierung herausholen und kontrollieren:

  • Umgehung der Banken-Regulierung durch Auslagerung an Zweckgesellschaften, Geldmarktfonds usw. verhindern
    • Ähnliche Regeln für ähnliche Unternehmen & Geschäfte

Risiken die nicht in den Bilanzen von Banken stehen, fallen auch nur schwerlich bei Stresstests oder anderen Kontrollen auf. Dabei kann es gut sein, dass in Zweckgesellschaften, die vom Finanzinstitut gegründet und kontrolliert werden und für die dieses im Verlustfall auch haftbar ist, ihre Muttergesellschaft ins Wanken bringen. Für diese Tochterfirmen, die vor allem den Zweck haben, riskante Geschäfte oder Positionen nicht direkt mit der Eigentümerin in Verbindung zu bringen, besteht in vielen Bereichen deutlicher Nachholbedarf, was die Regulierung angeht.

Finanzberatungen kontrollieren und reformieren:

  • Ausbildungsstandards bei kleineren Finanzberatungen erhöhen
  • Neue Bezahlmodelle für Finanzberatung statt Provision pur

Beim Abschluss von Versicherungen, Geldanlagen oder Kreditverträgen bei privaten Finanzberater*innen spielen Provisionen eine große Rolle. Dass es dabei zu einem Interessenkonflikt zwischen den Bedürfnissen von Kund*innen nach günstigen oder sicheren Produkten und denen ihrer Berater*innen nach solchen, die eine hohe Provision nach sich ziehen, liegt auf der Hand. Wir befürworten daher andere Modelle wie die Bezahlung nach Zeit wie sie beispielsweise bei Anwält*innen üblich ist oder eine Verteilung der Provisionszahlungen auf mehrere Jahre. Letzteres hätte den Effekt, dass erste Zahlungen auf einen Versicherungsvertrag nicht nur die Provision decken, sondern direkt das Sparguthaben erhöhen, was bei einer frühzeitigen Kündigung sehr wichtig sein kann. Außerdem würde so das Interesse an einer langfristigen und funktionierenden Geschäftsbeziehung zu den Kund*innen gestärkt.

Vorher kommt es aber zuallererst darauf an, wie beraten wird. Hier braucht es gerade im Bereich von Strukturvertrieben wie tecis höhere Ausbildungsstandards, um Kund*innen aber auch möglicherweise leichtgläubige, gerade angefangene Mitarbeiter*innen zu schützen. Berufsschulen spielen hierbei eine wichtige Rolle, aber gerade auch die Ausbilder*innen und die gelebte Unternehmenskultur vor Ort.

Großbankenfusionen – Nein danke!

  • Grundsätzliche Ablehnung der Fusion von Großbanken

„Too big to fail“ war eines der Todschlagargumente, mit denen während der Finanzkrise Finanzinstitute alternativlos mit Steuergeldern gerettet werden mussten. Eine Lehre daraus muss also sein, diese Institute nicht wieder so groß werden zu lassen, dass eine mögliche Schieflage durch ihre schiere Größe und Verzahnung innerhalb des Wirtschaftssystems letzteres insgesamt in Gefahr bringt.

Die Fusionen bzw. Übernahmen der Dresdner Bank durch die Commerzbank und die der Postbank durch die Deutsche Bank zeigen, wie schwierig, teuer, riskant, ineffizient, schlecht geplant, amateurhaft durchgeführt, naiv, intransparent und wenig zielführend solche Transaktionen sind. In ersterem Fall wurden unüberschaubare Risiken in die Bilanz der Commerzbank eingekauft, die später maßgeblich zur Notwendigkeit von staatlichen Rettungsmaßnahmen führten. In letzterem Fall gestaltete und gestaltet sich die Integration der Postbank in den Deutsch Bank-Konzern nach wie vor als so schwierig, dass zwischenzeitlich ein Wiederverkauf stattfinden sollte, der mangels Interessenten wieder abgeblasen wurde. Auch die Planspiele um eine Fusion der beiden wankenden Riesen Deutsche Bank und Commerzbank im Frühjahr 2019, maßgeblich befeuert durch Finanzminister Olaf Scholz, haben gezeigt, wie widersinnig ein solches staatsmonopolitisch-kapitalistisches Vorhaben ist.

Regulierung gibt’s nicht für lau! Behörden handlungsfähig machen:

  • Massive Investitionen in Personal, Ausstattung, Fortbildung
  • Nationale und internationale Vernetzung ausbauen
  • Lobbyismus eindämmen und Transparenz schaffen

Bei allen diesen Vorschlägen muss es, um sie umsetzbar zu machen, zunächst grundsätzlich um eine bessere Ausstattung von Steuer-, Kontroll- und Regulierungsbehörden gehen. Beispielhaft seien hier der deutsche Ausschuss für Finanzstabilität (AFS), die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS) genannt.

Das Hase-und-Igel-Spiel zwischen Banken, die immer neue Lücken im Regulierungsdickicht finden und immer komplexere Finanzprodukte erfinden und staatlichen Institutionen auf der anderen Seite muss ein Ende haben. Dafür braucht es entschlossene (finanzielle) Investitionen in Know-How und personelle sowie technische Ausstattung. Auch der Austausch von Informationen und die Zusammenarbeit über Grenzen von Bundesländern und Staaten hinweg ist mitentscheidend für die Lösung der globalen Probleme des Finanzsektors.

Darüber hinaus ist kaum jemandem geholfen, wenn neue Regulierung und Gesetze so komplex geschrieben sind, dass sie für kleinere Banken zum ernsthaften und teuren Hindernis wird, große Institute aber darin immer neue Lücken finden. Besser und hilfreicher sind hier einfachere, aber strengere Regeln, die kleinere und ungefährlichere Institute nicht unnötig belasten und großen Marktteilnehmer*innen keine Schlupflöcher bieten.

Bei der Durchsetzung von mehr Regulierung des Finanzsektors sehen sich Abgeordnete und Regierungen in Berlin, Brüssel und anderswo regelmäßig Lobbyist*innen gegenüber, die versuchen, die Gesetzgebung nach ihren Interessen zu beeinflussen. Im Extremfall führt das dazu, dass Gesetzestexte Wort für Wort aus Empfehlungen von Lobbyverbänden stammen. Mehr Transparenz hinsichtlich Kontakten von Abgeordneten und Lobbyist*innen, ein Lobbyregister und eine Unterstützung von NGO’s wie Finanzwende e. V. können dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu verkleinern.

Im Idealfall würden die vorgeschlagenen Regulierungen weltweit gelten, um ein Ausweichen von Finanzinstituten in schlechter regulierte Regionen zu verhindern, nichtsdestotrotz wäre auch ein EU-weiter Geltungsbereich bereits ein großer Schritt für mehr Stabilität des Finanzsektors. Deutschland sollte hierbei vorangehen und deutlich machen, wie wichtig eine umfassendere und effektivere Regulierung der Finanzmärkte ist.

U4 Tiertransporte bei über 25 Grad Celsius stoppen

30.08.2019

Wir Jusos fordern, das Verbot von Tiertransporten von Masttieren bei über 30 Grad Celsius konsequent durchzusetzen. Die von dem zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft festgestellten Verstöße müssen von behördlicher Seite unterbunden werden.

A3 Die dritte Option bei Betriebsratswahlen unterstützen

30.08.2019

Leitsätze:

  1. Die §§2 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 4 S. 1 Wahlordnung BetrVG müssen geändert werden. Es darf keine gesetzliche Pflicht geben, das Geschlecht einer Person in einem Betrieb zu veröffentlichen. Ein möglicher Weg ist, die Geschlechtsangaben ohne Bezug zu den Namen bekannt zu geben. Die Aufgabe der Geschlechtsangabe kommt aufgrund des Minderheitenschutzes nicht in Frage.
  2. 15 Abs. 2 BetrVG muss geändert werden. Die Frauenförderung und das dritte Geschlecht müssen zusammen gedacht werden. Dies kann mit einem „Doppelte-Minderheiten-Modell“ erfolgen.

W3 Einmal einen fairen Welthandel, bitte!

30.08.2019

Eine Welt ohne Grenzen und ein Handel ohne Grenzen klingen gut, wenn es richtig gemacht wird. Internationaler Handel ist wichtig und kann dem Menschen dienen. Doch darf dieser Handel kein Selbstzweck sein: Er muss gerecht und fair sein und Wohlstand, wie auch Sicherheit, für alle ermöglichen und darf nicht nur dem Profit der Unternehmen dienen.

Rückblick auf den bisherigen Welthandel
Leider waren Handelsabkommen bislang vor allem den Profitinteressen von Unternehmen von Nutzen. Die Spielregeln waren einfach: Mehr Wettbewerb, weniger staatliche Regeln. Was hat dabei keine Rolle gespielt? – Faire Löhne, geregelte Arbeitszeiten, Mitbestimmung und sogar teilweise grundlegende Menschenrechte. Ebenfalls spielten öffentliche Dienstleistungen, wie Wasserversorgung oder Umweltstandards, eine geringere Rolle als die Interessen der Unternehmen.

Menschenrechte und gute Arbeitsbedingungen sind keine Lippenbekenntnisse!
Waren, Rohstoffe, Geld und Daten fließen fast ungehindert um die Welt. Profiteure dieser globalisierten Wirtschaft sind vor allem die wirtschaftlichen Akteur*innen im Globalen Norden. Am anderen Ende der Wertschöpfungskette stehen Millionen Menschen im Globalen Süden. In diesen globalen Lieferketten arbeiten Millionen Männer, Frauen und Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das ungerechte Machtverhältnis führt immer wieder dazu, dass deren Menschenrechte verletzt werden. Dieses Unrecht haben oft transnationale Unternehmen oder deren Tochterfirmen und Zulieferbetriebe im Ausland zu verantworten- auch deutsche Unternehmen.

Beispielsweise starben 2012 258 Arbeiter*innen bei einem Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises. Hierbei wurden 32 Menschen wurden verletzt, teilweise lebensgefährlich. Wichtigster Kunde der abgebrannten Fabrik war das deutsche Textilunternehmen KiK, das nach eigenen Angaben 2011 mindestens 70% der Produktion kaufte. Der Brand ist ein drastisches Beispiel dafür, wie menschenunwürdig die Arbeitsbedingungen in den globalen, kapitalistischen Produktions- und Lieferketten sind: Löhne unter dem Existenzminimum, extreme Überstunden, Misshandlungen und Diskriminierungen am Arbeitsplatz, immer wieder schwere Arbeitsunfälle und die Unterdrückung gewerkschaftlicher Organisation – das ist die ungerechte Realität von Millionen von Arbeiter*innen im Globalen Süden.

Transnationale Unternehmen stehen mit diesen Zuständen in unmittelbarem Zusammenhang, weil sie über harte Preisvorgaben und kurzfristige Liefertermine die Arbeitsbedingungen vor Ort verschärfen. Der Preis- und Lieferdruck wird von den Fabrikbesitzer*innen direkt an die Arbeiter*innen weitergegeben. Deutsche Unternehmen müssen zwar nach dem NAP (Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte) Verantwortung für ihre globalen Beschaffungs- und Produktionsketten übernehmen, denn der NAP sieht eine Menschenrechtsprüfung entlang der gesamten Lieferkette vor. Problematisch ist leider, dass der NAP trotz positiver Akzente voller Lücken ist und hinter anderen Ländern sogar zurückbleibt. Der NAP kodifiziert nur eine Erwartung zur Sicherung von Menschenrechten und beinhaltet keinerlei Regelungen dafür entstandene Schäden zu beheben oder zu begleichen. Um dieser Erwartung gerecht zu werden und Skandale zu verhindern, berufen sich deutsche Unternehmen gerne auf Zertifikate von Prüfdienstfirmen und verpflichten zuliefernde Fabriken zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen und Einhaltung von Mindeststandards. Diese Zertifikate haben sich offensichtlich als einen zahnlosen Tiger erwiesen, da diese oft einwandfrei und lückenlos vorliegen.

Einen Ausblick wagen!
Diese internationalen Standards müssen weitergedacht werden! Klar ist, dass ein fairer, gerechter und demokratischer Welthandel nur jenseits von Abschottung und nationalen Alleingängern möglich ist! Auch ist klar, dass ein internationaler Handel allen Menschen dienen muss.

Daher fordern wir:

1. Menschenrechte ernst nehmen:
Es muss ein neues Gesetz verabschiedet werden, dass die Regelungen zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht grundlegend reformiert, da freiwillige Selbstverpflichtungen, wie im NAP geregelt, nicht reichen! Wir brauchen eine klare Regelung zur Einhaltung von Menschenrechten. Wenn schon der Arbeitgeberpräsident der Meinung ist, dass die Verpflichtung zu Menschenrechten „Unsinn“ und „faktische Unmöglichkeit“ ist, muss hier dringend eine sozialistische Antwort her, denn Menschenrechte sind keine Erwartungen, die erfüllt werden müssen, sondern grundlegende Pfeiler, an denen aufgrund von den Profitinteressen von Unternehmen nicht gerüttelt werden darf! Auch muss geprüft werden, inwieweit Prüfdienstunternehmen bei Menschenrechtsverletzungen, trotz ausgestelltem, einwandfreien Zertifikat, haften sollen. Zudem müssen die praktischen und rechtlichen Hürden für Klagen vor deutschen Gerichten aus dem Weg geräumt werden und Sanktionsmechanismen entwickelt werden. Zuletzt ist es von großer Bedeutung, dass Regellungen bezüglich dem Schutz von Menschenrechten in Handelsabkommen selbst verankert werden müssen!

2. Die Demokratisierung der Handelsabkommen:
Internationale Handelsabkommen dürfen nicht mehr hinter verschlossenen Türen verhandelt werden, sondern müssen von Anfang bis Ende transparent unter Beteiligung von nationalen und EU-Parlamentarier*innen verhandelt werden!

3. Faire Spielregeln:
In internationalen Handelsabkommen müssen verbindliche Regeln für faire Arbeit und gegen Lohndumping, für Arbeitsschutz, für soziale Sicherheit und für Umwelt- und Verbraucherschutz geregelt sein! Wer sich nicht an diese Spielregeln hält, muss mit Sanktionen rechnen.

4. Unternehmensinteressen nicht auf Platz 1:
Meilenweit vor den Markt- und Profitinteressen muss die öffentliche Daseinsvorsorge, wie die Wasserversorgung und ein funktionierendes Gesundheitssystem stehen!