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U4 Marktversagen beim Klimaschutz nicht länger dulden!

9.09.2020

Wir schreiben das Jahr 2020, was den diesjährigen 15. Geburtstag des europäischen Emissionhandels EU- ETS zur Folge hat. Jedoch gibt es dafür wenig Anlass zu feiern, denn mit dem Ablauf der dritten Phase des Emissionhandels (2013-2020) zeichnet sich noch keine Beendigung der marktbasierten Fehlanreize dieses Instruments ab. Noch immer wird ein eklatanter Teil der Emissionszertifikate den betreffenden circa 11.000 Beteiligten kostenlos zur Verfügung gestellt. Lediglich die zusätzlichen Emissionszertifikate kosten die Unternehmen Geld, wobei die Treibhauswirkung von Emissionen nicht erst bei der Kontingenzüberschreitung beginnt. Eine bedeutende Anzahl von Unternehmen macht sich die Unterschreitung ihrer Kontingente zum Auftrag um sich Gewinn aus dem Emissionshandel zu ziehen ohne jegliche Zahlung. Häufig geschieht dies mittels des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, anhand dessen sich Unternehmen in Industriestaaten eine Emissionsreduktion beispielsweise in Ländern des globalen Südens anrechnen lassen können, da dort CO2 Reduktionen kostengünstiger zu erzielen sind als im globalen Norden. Das steht im kompletten Widerspruch zu jeglichen Ansätzen der globalen Klimagerechtigkeit, die dem globalen Norden eine historische Verantwortung für die Anreicherung des CO2 in unserer Atmosphäre zu schreibt. Diese Verantwortung nötigt uns, eine führende Rolle beim Klimaschutz einzunehmen. Dementsprechend sollte es für uns Jungsozialist*innen vollkommen inakzeptabel sein, sich dieser Verantwortung durch Externalisierung von Emissionsreduktionen zu entziehen.

Des Weiteren findet der Emissionshandel lediglich in einigen Industriebranchen Anwendung, wie zum Beispiel in der Zement- und Kalkherstellung oder der chemischen Industrie.

Die vom Emissionshandel abgedeckten Branchen decken in etwa die Hälfte der CO2-Emissionen der 31 Teilnahmestaaten und schätzungsweise 40% der gesamten Treibhausgasemissionen ab. Somit fallen emissionsintensive Sektoren wie zum Beispiel der Verkehr, die Landwirtschaft, aber auch der Technologiesektor nicht mit ins System. Zusätzlich wird das 28-mal schädlichere Treibhausgas Methan nicht in den Handel mit einbezogen.

Die Folgerung erscheint logisch, dass ein solches Handelssystem wohl kaum das Mittel der Wahl sein kann, wenn dieser Markt die Preise unkontrolliertbilden kann. Der jetzige Stand von mageren 25 € pro Tonne gilt dabei schon vergleichsweise hoch, wobei dieser noch weit entfernt ist von den Preisen, die wissenschaftlich als angemessen und Folgekosten-deckend gelten. Die derzeitigen Cap-Grenzen sind so angelegt, dass die EU ihr Klimaziele einer Emissionsreduktion von 40% für 2030 verfehlen wird, wobei selbst dieses Ziel noch nicht mit dem Pariser Klimaabkommen konform ist.

Daher sollte es unser Anstreben als Jusos sein, der politischen Dimension des Klimaschutzes auf dem Weg zur klimaneutralen EU 2050 gerecht zu werden. Die zahlreichen nationalen Modelle wie unter anderem das schwedische, haben uns demonstriert als wie effektiv sich diesbezüglich eine CO2-Steuer herausstellt. Um die politische Dimension zu erfüllen fordern wir eine europäische CO2-Steuer, die:

  • anfangs einen Mindestpreis von 50€ pro Tonne CO2 garantiert
  • den Emissionshandel ersetzt
  • auf alle Treibhausgase bezogen wird
  • auf alle produzierenden Industrie- und Dienstleistungssektoren angewandt wird
  • keine Externalisierung von Emissionsreduktionen anrechnet
  • im Fall der Weitergabe von Preiserhöhungen transparenten Konsum für Verbraucher*innen ermöglicht, indem die Produkte preislich die Klimaauswirkungen abbilden und somit nachhaltige Konsumentscheidungen vereinfacht werden
  • sozialen Ausgleich fördert, indem den Bürger*innen eine Klimaprämie zurück gezahlt wird, von der insbesondere niedrige Einkommen mindestens in Höhe der Mehrausgaben entlastet werden
  • Einkommen oberhalb des Medianeinkommens keine zusätzliche Vermögensanhäufung durch die Rückzahlung eröffnet
  • jegliche Einnahmen, die nicht zurückgezahlt werden in den Ausbau einer CO2-neutralen Verkehrs- und Energieinfrastruktur fließen, die Mehrbelastungen niedriger Einkommen abwenden
  • durch eine gleichwertige Carbon Border Tax, die eingeführten Emissionen anrechnet und bepreist, deren Einnahmen in einen Fonds für Adaptionsmaßnahmen im globalen Süden einfließen

Eine Ansiedlung auf europäischer Ebene scheint sinnvoll, da ein Großteil der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten schon weit über nationale Grenzen hinaus geht und der europäische Wirtschaftsraum die erste Anlaufstelle für die hiesigen Unternehmen ist. Letztlich ist die CO2 Steuer dem Emissionshandel in ihrer Wirksamkeit, aufgrund ihrer geringeren Mussbrauchsanfälligkeit und der schnelleren Auswirkungen überlegen. Der häufige Einwand, dass die Emissionverringung durch eine CO2 Steuer zu ungewiss sei und der Emissionshandel mit den Emissionscaps zu bevorzugen gilt, lässt sich ebenfalls anhand empirischer Fakten zur Wirkung einer solchen Steuer widerlegen. Durch eine Abkehr vom Emissionshandel zur Gunsten einer solchen CO2-Steuer wird einerseits Transparenz geschaffen, sowie die Vermeidung von klimaschädlichen Verhalten finanziell reizvoll.

C4 Anstellung von Lehrer*innen gerecht gestalten

9.09.2020

Nicht erst seit der Corona-Pandemie wissen wir: Lehrer*innen leisten sehr viel für die Ausbildung der nächsten Generation. Trotzdem ist uns bewusst, dass nicht alle Lehrer*Innen gleich angestellt sind. So gibt es neben verbeamteten Lehrer*innen auch Angestellte. Unter angestellten Lehrer*innen existiert jedoch eine Gruppe befristet angestellter Lehrer*innen. Manche davon werden jedoch nur für ein Schuljahr angestellt, d.h. sie erhalten keinen Vertrag bis Anfang des neuen Schuljahres, sondern nur bis Anfang der Sommerferien. Danach müssen sie meist sechs Wochen zum Arbeitsamt gehen, obwohl schon absehbar ist, dass sie nach den Sommerferien wieder (befristet) angestellt werden. Durch diese sechs Wochen entsteht bei den Betroffenen nicht nur eine Lücke im Lebenslauf sowie Einkommensverluste in dieser Zeit, am Ende ihrer Erwerbstätigkeit könnten dadurch auch Verluste in der Rente hingenommen werden müssen. Dies können wir als Partei der Gerechtigkeit nicht hinnehmen.

Daher fordern wir:

  • Alle betreffenden Lehrer*innen müssen ab sofort lückenlose Arbeitsverträge erhalten, d.h. es darf keine Lücken von Sommerferien o.Ä. geben, wenn absehbar ist, dass die betreffenden Lehrer*Innen auch im nächsten Schuljahr einen Arbeitsvertrag erhalten.
  • Alle ehemalig und aktuell betroffenen Lehrer*innen bekommen die Zeit zwischen zwei Arbeitsverträgen, die die oben angegebenen Kriterien erfüllen, auf ihre Rente zu den Konditionen angerechnet, als ob sie die ganze Zeit angestellt worden wären.

Das Ziel muss aber bleiben, dass Anstellungen vermieden werden und Lehrer*innen verbeamtet werden.

D4 Den 9. Mai zum Europatag erklären

9.09.2020

Europa ist ein großer – aber vor allem außerhalb der Europawahlen – leider zu unbeachteter Teil unseres Lebens. Die Privilegien, die wir durch die Europäische Union erhalten haben, aber auch die Probleme, die es innerhalb und um die EU gibt, werden viel zu oft entweder einfach so hingenommen oder aufgrund zu geringen Wissens nicht beachtet. Deswegen fordern wir, den 9. Mai als Europatag zum gesetzlichen Feiertag in NRW zu erklären, um damit der “Schuman-Erklärung”, eine Rede des ehemaligen französischen Außenministers Robert Schuman (am 9. Mai 1950 in Paris), aus der die sogenannte Montanunion hervorging, zu achten.

Durch die Einführung eines Europatages soll daran erinnert und das Gefühl gestärkt werden, dass wir alle auch Europäer*Innen sind, und damit entschieden für eine humanistische Wertvorstellung und den europäischen Zusammenhalt einstehen. So können wir auch ein Signal gegen populistische und nationalistische Bewegungen setzen, die zu heutigen Zeiten leider immer häufiger auftreten.

E2 Solidarität mit Taiwan!

9.09.2020

Die NRWJusos solidarisieren sich mit der unabhängigen und demokratisch legitimierten Regierung der Republik China (Taiwan) und seiner Bevölkerung gegen die Aggressionen der Volksrepublik China und der Kommunistischen Partei Chinas.

Seit dem Ende des chinesischen Bürgerkrieges 1949, an dessen Ende die Regierung der Republik China auf die Insel Taiwan geflohen ist, droht die Volksrepublik China regelmäßig mit einer Wiedereingliederung Taiwans – im Zweifel sogar mit militärischen Mitteln. Internationale Solidarität erfährt Taiwan jedoch nicht.

Taiwan wird von keinem Staat mit außenpolitischem Gewicht anerkannt und wurde zudem 1971 als UNO-Mitglied und Mitglied im UN-Sicherheitsrat durch die Volksrepublik China ersetzt. Seither haben sich viele Staaten der „Ein-China-Politik“ verschrieben, also der Anerkennung der Volksrepublik China als alleiniger chinesischer Staat. Dies hat die Konsequenz, dass Taiwan als eigenständiger Staat nicht anerkannt und damit von der Staatengemeinschaft lediglich als „abtrünnige“ Provinz gesehen wird.

Die aktuellen Ereignisse in Hongkong rund um das kürzlich verabschiedete Sicherheitsgesetz, durch das de facto die Autonomie von Hongkong endete und auch das Rechtssystem von Hongkong massiv untergraben wurde, zeigen, dass die Volksrepublik China willens ist, ihren Machtbereich mit allen Mitteln zu erweitern. Dies zeigt sehr eindringlich, dass endlich mehr politischer Druck auf China ausgeübt werden muss, um Taiwan und seinen Bewohner*Innen effektiv zur Seite zu stehen und China zu signalisieren, dass ein beabsichtigter Bruch des Selbstbestimmungsrechts der Völker Konsequenzen hat.

Daher fordern wir:

  • eine offizielle Solidaritätsbekundung mit Taiwan durch den Landesvorstand der Jusos NRW.
  • den Landesvorstand auf, entsprechende Solidaritätsbekundung auch beim Bundesvorstand der Jusos einzufordern.

Solidarität für ein demokratisches und unabhängiges Taiwan, dass in Anbetracht des Politikums in Hongkong heute mehr denn je unsere Solidarität und Unterstützung braucht!

O5 Reißt Barrieren und Stigmata ein!

9.09.2020

Unsere Gesellschaft ist vielfältig. Und genauso Vielfältig sind auch die Steine, die einem Menschen in den Weg gelegt werden. Aber je mehr Steine im Weg sind, desto schwerer wird der Zugang zu Bildung, einer Karriere oder dem politischen Engagement. Wenn wir jedoch für “Gleiche Chancen für Alle” kämpfen, müssen wir uns bestehende Stigmata und Barrieren anschauen. Denn Stigmata und Barrieren, die für Nicht-Betroffene unsichtbar sind, führen zu ungleichen Startbedingungen. Doch was können wir als Jusos tun? Dafür müssen wir uns die einzelne Bereiche anschauen.

(Wortdefinitionen: Stigmatisierungen führen dazu, dass einem Menschen Eigenschaften zugeschrieben werden, um diesen abzuwerten. Barrieren sind Hindernisse, um die man nicht herumkommt.)

Behinderungen, Chronische Erkrankungen und Neurodiversität

Bei dem Wort Barrieren denken die meisten wahrscheinlich als erstes an Behinderungen. In den letzten Jahren hat sich der Blickwinkel geändert. Man geht nicht mehr nur davon aus, dass eine Person aufgrund einer Diagnose Behindert ist. Vielmehr wird das Soziale Umfeld betrachtet und wie sehr dieses Umfeld mit Barrieren einen Menschen in seiner Teilhabe behindert. Das Bedeutet, dass wir alle in der Verantwortung sind, Barrieren einzureißen und eine höchstmögliche Teilhabe zu ermöglichen. Und das können wir nicht nur, in dem wir uns für Inklusion in Schulen und dem Arbeitsmarkt einsetzen. Wir Jusos können im eigenen Verband beginnen und diesen Barrierearm gestalten. Deshalb fordern wir:

  • Rollstuhlgerechte Veranstaltungsorte, mit einer Anmerkung auf der Veranstaltungseinladung. Sollte eine Rollstuhlgerechte Veranstaltung nicht uneingeschränkt möglich sein, muss auch dies auf der Einladung vermerkt werden.
  • Werden weitere Angebote zur Barriere-reduzierung verwendet, sollen diese auch in der Einladung erwähnt werden und zu Beginn einer Veranstaltung erklärt werden.

Barrierefreiheit bedeutet viel mehr, als nur eine Rampe zu bauen, um einen Rollstuhlgerechten Zugang zu ermöglichen. Vor allem im Bereich der “unsichtbaren Behinderungen” gibt es vieles, was wir noch tun können. Hier sind einige Beispiele, die umgesetzt werden können, wenn es die Kapazitäten dafür gibt: Safer-Spaces zur Reizreduktion bzw. um aus der Situation rauszukommen, Bereitstellung von Texten in einer Legasthenie-freundlichen Schriftart, Skills-Notfallkasten bereitstellen bei akuten psychischen Problem auf einer Veranstaltung, Essen im Vorfeld ankündigen damit sich Menschen mit Stoffwechselerkrankungen oder Intoleranzen Essen mitbringen können.

Auch bei Printmedien und Social-Media können Barrieren überwunden werden, in dem z.B. gut lesbare Schriften verwendet werden, die Texte in einfacherer Sprache und mit einer reduzierten Anzahl an Fachworte geschrieben werden, Farbkontraste eingehalten werden, die Farben für Farbenblinde unterscheidbar sind, Bildunterschriften in Postings gesetzt werden und Untertitel bei Videos eingefügt werden.

Um diesen Kampf möglichst effektiv zu gestalten, brauchen wir mehr Bildungs- und Aufklärungsarbeit. Denn nur durch Wissen und offene Kommunikation können Stigmata, die wir alle als Vorurteile in uns tragen, brechen. Zusätzlich dazu bekommen wir so auch die Möglichkeit besser auf die Probleme von anderen Genoss*innen in unserem Umfeld zu reagieren und diese weiterhin in unsere Arbeit zu einzuschließen.

Sprache als Barriere

Nicht immer muss eine Behinderung der Grund für eine Barriere sein. Auch Sprache kann eine Barriere sein.

Fachbegriffe, zum Beispiel, haben nicht nur den Zweck Sachverhalte möglichst kurz zu beschreiben. Die Verwendung von bestimmten Fachbegriffen innerhalb einer Gruppe führt zu einem Zugehörigkeitsgefühl. In unserem Verband haben wir die unterschiedlichsten Bildungshintergründe. Ist jetzt eine Fachsprache dominierend, führt dazu, dass sich einige Menschen nicht als Teil der Gruppe verstehen. Deshalb fordern wir:

  • Bei Workshops, dass möglichst wenig Fachsprache verwendet wird. Sollten diese unumgänglich sein, können sie als Fußnote erklärt werden. Dies gilt natürlich nicht für Workshops, bei denen angekündigt wird, dass diese ein bestimmtes Vorwissen voraussetzen.
  • Bei Anträgen, dass Fachworte definiert werden
  • Bei Veranstaltungen, dass ein Handzeichen vereinbart wird, dass signalisiert, dass eine Definition für ein Fachwort oder eine Abkürzung gerade benötigt wird.
  • Erstellung eines Abkürzungsverzeichnisses mit Parteikürzeln und den dazugehörigen Erklärungen

Aber nicht nur Fachsprache kann eine Barriere darstellen. Menschen, die mit einer anderen Muttersprache bzw. Bilingual aufgewachsen sind oder auch Menschen, die in einem Nicht-Akademiker*innen- Haushalt groß geworden sind, haben nicht immer denselben Wortschatz, wie ein Mensch, der in einem akademischen Haushalt mit nur einer Sprache aufgewachsen ist. Deshalb können wir nicht davon ausgehen, dass jeder Mensch im Umgang mit Sprache ein ähnliches Selbstbewusstsein hat. Wir müssen uns stets daran erinnern, dass einige Menschen Sprachbarrieren spüren, wenn sie einen Text schreiben, einen Wortbeitrag leisten oder sich in einer Diskussion beteiligen. Was aber nicht bedeutet, dass diese Menschen keinen wertvollen Beitrag leisten können.

Klassismus 

Klassismus beschreibt (strukturelle) Diskriminierung und Ausbeutung von Menschen aufgrund der sozialen Herkunft oder Position. Denn Armut schränkt in der Teilhabe ein. Wenn wir es uns jedoch zur Aufgabe machen wollen, Barrieren einzureißen, müssen wir uns auch innerhalb unseres Verbandes damit auseinandersetzen, wie wir möglichst viele Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen integrieren können. Aktuell ist der dominierende Anteil der Jusos studiert. Wenn jetzt z.B. jemand eine Ausbildung macht, hat diese Person nicht immer das Privileg ein NRW-Ticket zu haben. Die Anfahrt zu einer Landesveranstaltung kann somit nicht nur wegen der Uhrzeit, die sich mit der Arbeitszeit überschneidet, schwierig werden, sondern es kann auch teuer werden. Und wenn dann das Geld fehlt, überlegt man es sich natürlich mehrfach, ob man dann zu einer Veranstaltung fährt oder nicht. Aber auch eine Delegationsreise kann von vielen nicht kurzfristig finanziert werden, was dann wieder Mitglieder ausschließt. Aber auch kleinere Situationen können dazu führen, dass Menschen sich in ihrer Teilhabe eingeschränkt sehen. Wenn man nicht betroffen ist, sind einem diese Situationen nicht bewusst. Deshalb fordern wir:

  • Organisation von Fahrgemeinschaften und die Mitnahme über ÖPNV-Tickets, für Menschen, die kein Ticket haben
  • Veranstaltungen, die mehr kosten, müssen frühzeitig angekündigt werden, um zu sparen
  • Endgeräte zum Verleih zur Verfügung stellen bei Veranstaltungen
  • Extra-Kosten auf Veranstaltungen bei der Einladung ankündigen, wie z.B. Kosten für das Bier am Abend oder Kosten für Auswärtsessen

Safer-Space

Immer noch haben viele ein Bild von politischer Arbeit im Kopf, dass sie “knallhart” ist und man viel aushalten muss. Diese Vorstellung soll aber nur verschleiern, dass diese Arbeitsatmosphäre vor allem Diskriminierung gegenüber bestimmten Gruppen bedeutet. Dies ist ein Raum, wo sich vor allem weiße heterosexuelle cis Männer wohlfühlen und dann wundert es auch nicht, dass sie die Räume dominieren. Wenn wir wollen, dass diskriminierte Gruppen mehr teilhaben können, müssen wir dafür sorgen, dass unser Verband ein Safer-Space und diskriminierungsfreien Raum wird. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass nicht-binäre oder intersexuelle Personen sich genötigt sehen, wenn sie sich zu Veranstaltungen anmelden wollen, männlich oder weiblich anzugeben. Hier müssen wir massiv in Awareness-Arbeit investieren und dabei vor allem die Perspektiven von diskriminierten Gruppen in den Vordergrund stellen und intersektional denken.

S9 Deklarationspflicht der Inhaltsstoffe von Menstruationsartikeln

9.09.2020

Jede menstruierende Person hat durchschnittlich 2000 Tage im Leben ihre Menstruation. Trotzdem fehlt es an Transparenz über Gesundheits- und Umweltverträglichkeit von Menstruationsartikeln: Die Inhaltsstoffe von Tampons, Binden, Menstruationstassen und Co. müssen auf der Verpackung nicht angegeben werden. Ein Grund dafür könnte in der immer noch vorherrschenden Tabuisierung der Menstruation liegen.

Die fehlende Deklarationspflicht der Inhaltsstoffe kann zu schweren allergischen Reaktionen führen. Ausschläge, Pilze und Entzündungen können auftreten. Dies kann umgangen werden, wenn sie vorab wissen, welche Inhaltsstoffe und Zwischenprodukte im gewählten Menstruationsartikel enthalten sind.

Daher fordern wir eine Deklarationspflicht der Inhaltsstoffe und Zwischenprodukte auf allen Menstruationsartikeln, äquivalent zu den Inhaltsangaben bei Lebensmitteln. Potentiell allergene und schädliche Stoffe sollen dabei gesondert hervorgehoben werden.

D3 Rassismus gehört nicht auf die Straße! Im wahrsten Sinne des Wortes

9.09.2020

Nach dem grausamen und rassistisch motivierten Mord mehrerer Polizisten an dem US-Amerikaner Georg Floyd wurden weltweit antirassistische Proteste laut. Im Zentrum steht dabei die Black-Lives-Matter-Bewegung, welche die Stimmen der von Rassismus betroffenen Menschen sichtbar macht und sich stark gegen Rassismus engagiert. Im Rahmen dieser Proteste kam es auch dazu, dass Statuen, welche mit Rassismus in Zusammenhang gebracht werden, gestürzt wurden. So zum Beispiel die Statue eines Sklavenhändlers in Bristol, welche im Hafenbecken landete. Aber auch hier in Deutschland finden antirassistische Proteste statt und besonders um Straßennamen wurde die Diskussion wieder neu belebt. Wir Jusos sind ein antirassistischer Verband, darum solidarisieren wir uns mit der Black-lives-matter-Bewegung!

Auch Deutschland hat eine Kolonialgeschichte. Das Deutsche Kaiserreich hat sich ab 1884 Kolonien in Ostafrika, Ozeanien und Ostasien angeeignet. Diese Kolonialzeit war geprägt von Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung. Der durch das deutsche Kaiserreich verbrochene Genozid an den Herero und Nama stellt heute wie damals eine Zäsur dar. Weiterhin wurden viele grausame Kriege gegen die indigene Bevölkerung der Kolonien geführt. Diese grausame Kolonialgeschichte ist den meisten Menschen in Deutschland nur vage bekannt. Allein deshalb muss eine ausführliche und breite Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Deutschlands stattfinden. Diese Aufarbeitung muss sich maßgeblich mit den deutschen Verbrechen und Grausamkeiten und den bis heute währenden Folgen wie der Ausbeutung ehemaliger Kolonialgebiete und Rassismus auseinandersetzen und unsere historische Verantwortung deutlich machen.

Ein besonders großes Problem diesbezüglich ist die Reproduktion vom kolonialistischen Denken und von Rassismus durch Straßennamen und anderen Benennungen. Viele Straßen sind nach Menschen, die maßgeblich an den Kolonialverbrechen beteiligt oder federführend waren, benannt und lassen ihnen dadurch eine unreflektierte Ehrung zukommen. Damit werden die Verbrechen der Kolonialzeit in Deutschland weiterhin geehrt. In Münster z.B. der Lüderitzweg. Aber auch explizit rassistische Begriffe finden ihren Platz. Da Rassismus ein omnipräsentes Problem ist, muss eine kritische Auseinandersetzung mit dem Problem stattfinden. Dazu gehört auch die Umbenennung aller Straßen, Plätze, Geschäfte etc., die nach Kolonialverbrecher*innen, NS-Verbrecher*innen oder explizit rassistischen Begriffen benannt sind.

Besonders wichtig ist hierbei die Berücksichtigung und Anerkennung der Perspektiven Betroffener. In der Diskussion werden Stimmen von BPoC laut, welche sich klar für eine Umbenennung aussprechen. Wenn von Rassismus betroffene Menschen sich durch Begriffe und Straßennamen diskriminiert und verletzt fühlen, dann obliegt der weißen Mehrheitsgesellschaft nicht die Deutungshoheit über diese Wörter. Stattdessen muss eine Auseinandersetzung mit Ursprung, Hintergrund und Verwendung dieser Wörter stattfinden. Dazu gehört ggf. auch diese Wörter nicht mehr zu verwenden. Dies hat nichts damit zu tun, dass die Geschichte unsichtbar gemacht werden soll. Im Gegenteil: die Geschichte soll durch die Anerkennung der Betroffenenperspektiven und der Diskussion um Umbenennungen endlich sichtbar gemacht werden. Dabei müssen Betroffene in der Diskussion besonders gehört und supportet werden. Es gibt zahlreiche Verbände und Organisationen für von Rassismus betroffene Menschen, wie z.B. die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland. Wenn diese sich zur Debatte äußern, dürfen sie nicht ignoriert werden. Einhergehend mit der Umbenennung sollen auch Gedenk- und Informationstafeln aufgestellt werden, welche die Umbenennung erläutern. So wird die Geschichte nicht versteckt, aber auch der Rassismus nicht weiter reproduziert. Die Umbenennung soll entweder in neutrale Straßennamen erfolgen oder die Namen von Opfern und Betroffenen von Rassismus tragen oder von bekannten BPoC wie z.B. Anton Wilhelm Amo, der erste deutsche Gelehrte mit afrikanischer Herkunft. In Münster wird deshalb die Umbenennung der “Danziger Freiheit” in “May-Ayim-Platz” gefordert. Dadurch sollen die empowert werden, die jahrhundertelang diskriminiert wurden und leider immer noch werden.

Sowohl die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte, als auch die Auseinandersetzung mit Rassismus wird nicht leicht. Dazu gehört unabdinglich auch die Reflexion und Auseinandersetzung von weiß gelesenen Personen mit ihren eigenen Privilegien. Das wird wehtun und ein harter Prozess, dennoch gibt es dazu keine Alternative. Der antirassistische Kampf ist ein Kernanliegen von uns als Jusos, deshalb werden wir immer für eine diskriminierungsfreie Welt und gegen Rassismus kämpfen!

Darum fordern wir:

  • eine kritische Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Deutschlands.
  • die Umbenennung aller Straßen, Plätze, Geschäfte und Orte, welche explizit rassistische Begriffe beinhalten oder nach Menschen benannt sind, die an den deutschen Kolonialverbrechen, NS-Verbrechen und anderen Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren.
  • die Benennung dieser Straßen, Plätze, Geschäfte und Orte nach Opfern und Betroffenen von Rassismus und rechter Gewalt.
  • Gedenktafeln, welche die Umbenennungen erläutern und das Problem des Rassismus und den historischen Hintergründen aufarbeiten.
  • die Beteiligung anti-rassistischer Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft bei der Umsetzung dieser Maßnahmen
  • innerhalb der Umbenennungsdebatte eine klare Positionierung auf Seite der von Rassismus betroffenen Menschen.
  • unbedingte Solidarität mit allen von Rassismus betroffenen Menschen.

S6 Verbeamtung oder mentales Wohlbefinden? - Gegen die Stigmatisierung von angehenden Beamt*innen mit psychischen Vorerkrankungen

9.09.2020

Der Staat will sehr genau wissen mit wem er bei der Verbeamtung einen lebenslangen Vertrag eingeht. Dies betrifft beispielsweise Lehrer*innen, Polizist*innen oder Jurist*innen. Im Detail geht es bei den Anforderungen der Verbeamtung um die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung.

Vor allem die medizinische Beurteilung kann da für viele Personen zum Problem werden, besonders wenn es sich dabei um psychische Belastungen handelt. Amtsärzt*innen prognostizieren dabei aus der medizinisch dokumentierten Vorgeschichte sowie der aktuellen gesundheitlichen Situation die Wahrscheinlichkeit, dass Anwärter*innen frühzeitig aus dem Dienst ausscheiden oder lange Unterbrechungen drohen. Die Richtlinien dafür sind derzeit jedoch für viele Anwärter*innen nicht durchschaubar und scheinen willkürlich. Aufgrund mangelnder verbindlicher Regelungen hängt eine Entscheidung oft von dem*der untersuchende*n Amtsärzt*in ab. Durch Änderungen der Gesetzeslage im Jahr 2013 hat sich zwar die Beweislast umgekehrt, sodass nunmehr die Gründe für eine Nichteignung dargelegt werden müssen, jedoch sehen sich Anwärter*innen immer noch mit vielen Problemen konfrontiert.

So versuchen viele Personen psychische Vorerkrankungen und damit verbundene Behandlungen aus ihren Krankenakten herauszuhalten, da sie Angst haben, dass diese einer Verbeamtung im Weg stehen könnten. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Entwicklungen, die Therapie für immer mehr Menschen notwendig macht, ist dies problematisch. So ist beispielsweise eine*r von sechs Studierenden auf psychische Betreuung angewiesen.

Infolgedessen zögern Betroffene, ärztliche Hilfe vor ihrer amtsärztlichen Untersuchung in Anspruch zu nehmen. Sie versuchen mit ihren Problemen selbst zurechtzukommen oder müssen auf teure und/oder nicht staatlich bzw. verbandlich regulierte Anlaufstellen zurückgreifen. Dies kann zu einer weiteren Verschlechterung der mentalen Gesundheit führen, wenn die nötigen finanziellen Mittel zu seriösen Alternativen fehlen, die nicht aktenkundig werden.

De facto führt nicht jede therapeutische Behandlung automatisch zu einer Nicht-Verbeamtung, vor allem bei erfolgreichem Verlauf oder weniger schwerwiegenden Beeinträchtigungen. Aufgrund jedoch von Intransparenz und Einzelfallentscheidungen bleibt das Verfahren weiterhin unvorhersehbar. Dadurch schrecken auch bei den derzeitigen Regelungen viele Menschen vor einer Therapie zurück, deren Verbeamtung eigentlich nicht in Gefahr stünde.

Aus einer jungsozialistischen Position darf es nicht sein, dass Menschen aufgrund ihrer psychischen Verfassung in diesem Maße diskriminiert werden. Besonders Menschen, die besonderem Stress und besonderer Verantwortung ausgesetzt sind, sollten nicht davon abgehalten werden, sich bei gesundheitlichen Problemen die für sie passende Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist äußerst fraglich, ob diese Praxis dazu führt, mental stabile Personen zu verbeamten. Denn vielmehr ist davon auszugehen, dass eventuelle Vorerkrankungen verheimlicht und unbehandelt bleiben.

Insgesamt ist diese Form der ‚Auslese‘ ohnehin zu problematisieren, da sie eine Vielzahl an Menschen aufgrund antiquierter Vorstellungen von psychischer Eignung vorverurteilt und zu destruktivem Handeln anregt.

Daher fordern wir:

  • Vorläufig die Schaffung einer höheren Transparenz der Verbeamtungskriterien, um Anwärter*innen eventuelle Bedenken bei der Inanspruchnahme einer Therapie zu nehmen bei gleichzeitiger Absage an Pauschalisierungen
  • eine Institutionalisierung von diesbezüglicher Aufklärung für Anwärter*innen
  • umfangreichere ärztliche Gutachten
  • die Sensibilisierung von Amtsärzt*innen für dieses Thema hinsichtlich einer gesamtgesellschaftlich zielführenden Urteilsfindung
  • ein generelles Umdenken bei Verbeamtungskriterien bezüglich mentaler Gesundheit und Eignung, die therapeutischen Bedarf und psychische Diversität normalisiert
  • Psychotherapeutische Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Amtsarzt erfolgreich abgeschlossen sind, dürfen nicht zum Nachteil der Anwärter*innen in den Entscheidungsprozess um eine Verbeamtung einbezogen werden.

I3 Radikalisierung durch Dark Social ernstnehmen und angehen

9.09.2020

Corona hat auf viele Probleme, die wir in der Gesellschaft und Deutschland haben, das Brennglas geworfen. Mittlerweile sind die Namen von besonders lauten Verschwörungserzählern (nein, hier muss nicht gegendert werden) deutschlandweit bekannt und sie scheinen gerade im Netz immer mehr Menschen von ihren kruden Ideen und ihrer rechten sowie menschenverachtenden Ideologie zu begeistern. Doch dies ist natürlich kein neues Problem, so war das Internet sehr schnell ein Ort, der rechte Menschen aus ganz Deutschland mühelos zusammenbringt – und vor allem eben radikalisiert. Unsere Aufgabe als antifaschistischer Verband ist es, diese Entwicklungen im Blick zu haben und politisch darauf zu reagieren.

Was ist Dark Social? 

Eine besondere Rolle bekommt immer mehr das „Dark Social“. Dabei handelt es sich um den Teil vom Internet, den wir alle täglich nutzen – Messengerdienste, Mails, bspw. geschlossene Facebook-Gruppen. Jene Teile, die nicht öffentlich oder nur teilöffentlich sind. Gerade Telegram hat in den letzten beiden Jahren eine enorme Bedeutung für die rechte Szene bekommen. Hier können ungefiltert und unmoderiert rechte Gedanken ausgetauscht werden. Durch die fehlende Einordnung, wie es etwa bei Facebook, Instagram oder YouTube allein durch die Anwesenheit von anderen Nutzer*innen teilweise geschieht, befeuern Telegram-Gruppe eine schnelle Radikalisierung. Ein hohes Identitätsgefühl durch die Gruppe, eine schnelle gefühlte persönliche Bindung zu den Hauptakteur*innen sowie den Anschein von Privatheit, stoßen Menschen immer mehr in ein rechtes Denken, wo rechte Behauptungen, Erzählungen etc. nicht mehr hinterfragt werden. Zudem kommt es zu Aufrufen, die verbale Gewalt im digitalen Bereich auch zu realer Gewalt auf der Straße umschlagen lassen. Dies alles gilt es dringend zu verhindern und zu bekämpfen.

Verantwortung von Sicherheitsbehörden

Um diese Entwicklungen im Blick zu haben, müssen die Sicherheitsbehörden diese auch endlich ernstnehmen. Rechte Strukturen ändern sich permanent und diese Veränderungen müssen auch von Sicherheitsbehörden begleitet werden, wenn Deutschland es ernstmeint mit dem Kampf gegen Rassismus und rechtes Gedankengut. Unser Bekenntnis als Jusos ist dabei ganz klar, dass dies aber niemals mit einer Einschränkung der allgemeinen Freiheitsrechte einhergehen darf. Sicherheitsbehörden dürfen nicht noch mehr und eigentlich keine Befugnisse auf Privatnachrichten erhalten, indem sie zum Bespiele Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen problemlos übergehen und knacken dürfen. Dies ist unter anderem auch gerade bei Telegram nicht notwendig, da die meisten Kanäle öffentlich zugänglich sind. Allerdings sind trotzdem Schritte von Seiten der Sicherheitsbehörden dringend notwendig. Zuerst muss das Problem erkannt und ernstgenommen werden. Es braucht mehr Investitionen in Ausbildung und Personal, um solche Entwicklungen im Blick zu haben und um eine Überwachung dieser Gruppen personell stemmen zu können. Zusätzlich braucht es auch mehr finanzielle Mittel für Forschung, um eine wissenschaftlich fundierte Arbeit zu ermöglichen. Und nicht zuletzt müssen Bedrohungen, die von Rechten aus dem Netz an Privatpersonen und für die Allgemeinheit ausgehen, von der Polizei konsequent verfolgt und nicht von jenen bagatellisiert werden. Nur wenn die Polizei ihre Verantwortung wahrnimmt, können die Täter*innen endlich auch Konsequenzen spüren für ihr menschenverachtendes und bedrohendes Verhalten online.

Verantwortung von Social-Media-Konzernen und Messengerdiensten

Doch die Verantwortung geht nicht allein von Sicherheitsbehörden aus. Auch die Social-Media-Konzerne und Messengerdienste müssen sich ihrem Beitrag bewusstwerden und sich zuallererst vor allem an geltende Gesetze halten. Dafür ist es von wichtiger Bedeutung, dass es auf europäischer Ebene endlich einheitliche Regelungen gibt, die Konzerne, vor allem aus Nicht-EU-Ländern, in die Schranken weisen. Vor allem Telegram, ein russischer Anbieter, steht stark in der Kritik, da es hier kaum Schritte zur Bekämpfung von den beschriebenen Problemen gibt. Dass die Anbieter nicht machtlos sind, zeigen die ersten Maßnahmen von beispielsweise WhatsApp, YouTube und Instagram. So beschränkt beispielsweise WhatsApp die Weiterleitungsfunktion und markiert diese Nachrichten auch, um Falschmeldungen zu bändigen, außerdem wurden Gruppengrößen beschränkt. Für viele Rechte ist Telegram eine Ausweichplattform geworden, wenn sie von anderen Kanälen gelöscht wurden, zum Beispiel im Fall der Identitäten Bewegung. Es braucht allerdings bei allen Plattformbetreiber*innen mehr Transparenz und Konsequenz, wenn es um die Sperrung von Accounts geht, die gegen die Richtlinien verstoßen, um rechte Accounts auch langfristig zu bekämpfen. Denkbare wäre ebenfalls Falschinformationen zu markieren, z.B. durch eine Einblendung bei YouTube und die Richtlinien zu erweitern, so dass bspw. auch Videos mit antisemitischen Inhalten oder Verschwörungserzählungen gelöscht werden können. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre ebenfalls die Demonetisierung, damit solche Inhalte nicht sogar Geld für ihre Falschinformationen bekommen. Dies ist nur ein Teil von möglichen Maßnahmen. Es bedarf jedoch dringend eines Handelns, vor allem von staatlicher Seite, um die Konzerne zu Maßnahmen zu bewegen.

Weitere Informationen und Quellennachweis: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/podcast-11dark-social-59757/

S7 Verhütung ist Frauensache?! - Ein Aufschlag für gerechte Verhütung

9.09.2020

Die Pille feiert 2020 ihren 60. Geburtstag. Sie war damals ein historischer Gewinn der Frauenbewegung, sie ermöglichte damals eine sexuelle Revolution. Weibliche Sexualität wurde offener diskutiert, Familienplanung konnte selbstbestimmt stattfinden. Inzwischen ist die Pille eines der weit verbreitetsten Verhütungsmittel; insbesondere bei jungen Frauen. Seit ihrer Erfindung hat sich zwar gesellschaftlich vieles geändert, aber die Pille ist nicht die feministischste aller Errungenschaften.

Kondom und Pille sind heutzutage die am meisten genutzte Verhütungsmethode. Dabei gibt es inzwischen verschiedene Arten der Verhütung. Zu diesen gehören hormonelle, mechanische, chemische, natürliche und die operative Methode. Viele dieser Optionen werden von Frauen wahrgenommen. Männer haben die Möglichkeit Kondome zu nutzen oder eine Vasektomie durchführen zu lassen. Ein riesiges Ungleichgewicht ist hier zu finden.  In Anbetracht dessen, dass Nebenwirkungen, anfallende Kosten und Verantwortung (meist) von der Person getragen wird, die das Verhütungsmittel benutzt, sind besonders Frauen davon betroffen, nehmen doch gerade sie mehrheitlich hormonelle Verhütungsmittel.

Nebenwirkungen

Die Pille als hormonelles Verhütungsmittel birgt erhebliche Nebenwirkungen. Dabei geht es von noch relativ harmlosen Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen oder Aggressivität bis hin zu Depressionen oder sogar Suizidalität. Oft werden diese verharmlost und für reinen Profit in Kauf genommen. Dies ist nur ein kleiner Teil der Nebenwirkunge, die Liste könnte noch lange weitergeführt werden.

Wer steckt hinter der Forschung

Ein Vorzeigebeispiel der Strukturen in der Forschung ist Bayer. Laut Webseite sind zwei von 20 Forscher*innen weiblich. [1] Jenapharm, welche Teil des Bayer- Konzerns sind, stellen den Großteil der Pillen und Kondome in Deutschland her. Hier sieht es beim Frauenanteil geringfügig besser aus, im  achtköpfigen Management sitzen zwei Frauen. Die Pille wurde in der Vergangenheit von Männern entwickelt und auch ihre etwaige Fortentwicklung wird hauptsächlich von Männern verantwortet – sofern diese denn stattfinden würde. Somit ergibt sich für die Verteilung von Geldern als auch für die Forschung eine vom Mann dominierte Sichtweise. [2] Um diesen Missstand zu korrigieren ist eine Frauenquote ein geeignetes Mittel.

Dies zeigt sich vor allem problematisch, da die Forschung über Verhütungsmittel sich auf Frauen bezieht. Gleichzeitig werden oftmals Forschungen an männlichen Verhütungsmitteln eingestellt, bei denen sich die Nebenwirkungen für Männer und Frauen gleichen. Es lässt sich vermuten, dass die männerdominierte Forschung mehr Verständnis gegenüber Beschwerden von Männern als von Frauen zeigt.

Trotzdem gibt es einzelne Forschungsprojekte, die versuchen neue Verhütungsmethoden für den Mann zu etablieren. Diese werden jedoch zumeist beendet, weil sie sich als nicht rentabel erweisen.

Ein Bespiel hier ist wie Bayer die Schering AG eingekauft hat und eine laufende Forschung die „in der klinischen Studie als […] wirksam und mit tolerierbaren Nebenwirkungsprofil“ beschrieben wurde aufgrund eines „unangenehmen Anwendungsschemas“ nicht auf den Markt brachte, da man davon ausging, dass sie nicht angenommen werden würde. [3] Die Nebenwirkungen sind Männern nicht zuzumuten. In der Tat, etliche – zum Teil sehr unangenehme und gefährliche – Nebenwirkungen sind Grund genug, ein Medikament nicht auf den Markt zu bringen. Doch genau dies war doch auch bei der Pille der Fall.

Unser Anspruch an die Forschung ist aber ein anderer. Patriarchale Forschungskreise müssen durchbrochen werden. Forschung kann nie frei sein von einem subjektiven Blickwinkel. Es muss allerdings dafür gesorgt werden, dass durch Diversität der Forschenden ein so objektiver Blickwinkel wie möglich garantiert ist. Solange Frauen die Hauptverantwortung über funktionierende Verhütung tragen, sollte garantiert sein, dass diese als Betroffene gehört werden. Nebenwirkungen von ihnen müssen genauso gewertet werden wie die von Männern. Dabei ist uns auch bewusst, dass das Ziel ist Verhütungsmittel zu entwickeln, die so wenig Nebenwirkungen wie möglich haben. Zudem muss auch die Forschung in Richtung männlicher Verhütungsmittel vermehrt werden, sodass diese benutzt werden können.

Profitgeilheit und Kapitalismus

Durch die Privatisierung von Pharmakonzernen liegt der Profit bei diesen im Vordergrund. Für die Pharmaindustrie zeigt sich kein Grund neue Verhütungsmittel auf den Markt zu bringen, solange die bisherigen genug Profit hervorbringen. D.h., dass Projekte, Forschungen, etc. sobald der Verdacht besteht, dieser Logik nicht zu folgen, eingestellt werden. Oftmals wird fehlendes Interesse von Männern als Grund angegeben.

Wir verstehen Verhütungsmittel als Bestandteil medizinischer Produkte. Sie funktionieren als Vorsorge gegenüber STIs Bei bestimmten Krankheiten ist die Pille ein Medikament unabhängig von der Verhütung. Gesundheitsvorsorge gehört für uns nicht in die private Hand. Die Forschung nach verträglichen Verhütungsmitteln darf nicht an der Finanzierung scheitern. Als Jungsozialist*innen fordern wir eine Forschung, die, nicht der Logik des Profits folgen darf. Bis eine Entprivatisierung der Pharmakonzerne gelingt, sehen wir uns aber auch dazu verpflichtet, die Pharmaindustrie zu verpflichten mehr Mittel in die Forschung nach alternativen Verhütungsmitteln einzusetzen. Diese liegen bei ca. 20% des gesamten Budgets. Bei Verhütungsmitteln ist dies deutlich geringer, dies soll angeglichen werden, damit mehr Ressourcen dafür genutzt werden, dass es für alle Geschlechter Verhütungsmethoden gibt, die mit möglichst geringen Nebenwirkungen anwendbar sind. Das Geld ist definitiv bei den Konzernen vorhanden, es muss nur richtig verteilt werden, um unseren feministischen Ansprüchen zu gerecht werden.

Gleichzeitig sehen wir auch die Notwendigkeit, dass innovative Ansätze staatlich gefördert werden müssen. Wo Geld fehlt, kann der Staat Abhilfe schaffen. Hierbei muss garantiert sein, dass der daraus entstandene Profit nicht nur dem Unternehmen ausgezahlt wird. Auch der Staat muss von seiner Beteiligung profitieren.

Wie und wo Aufklärung betrieben werden soll

Aufklärung sollte nach professionellem Standard betrieben werden. Geschultes Personal ist dabei eine Prämisse. Doch auch in gynäkologischen Praxen herrscht Zeitdruck. In Beratungsstellen ist dies nicht in dem Ausmaß der Fall. Dort können die Mitarbeiter*innen ausführlich jede*n Patient*in beraten. Durch das geschulte Personal entfällt das Risiko Falschinformationen zu bekommen. Gleichzeitig kann der alleinigen Fokussierung der Pille als Verhütungsmittel entgegengewirkt werden. Durch das Vermitteln an Informationen kann es deutlich leichter fallen, eine andere Verhütungsmethode zu entdecken. Hierbei soll im Fokus stehen, dass diese Methode der eigenen Gesundheit so wenig wie möglich schadet.

Gleichzeitig steht für uns im Vordergrund, dass durch Aufklärung auch das sexuelle Selbstbild immens geprägt wird. Sexualaufklärung muss diskriminierungsfrei sein. Sie ist mehr als Wissensvermittlung, denn Sexualität verstehen wir auch als einen zentralen Baustein der eigenen Identität. Jegliche Aufklärung muss daher frei von Vorurteilen sein.

Wie kommt man an Verhütungsmittel, Wer bezahlt diese?

Das Modellprojekt Biko [4] zeigt wie die finanzielle Übernahme aussehen kann und somit Verhütungsmittel kostenlos bereitgestellt werden. Hierbei wurden Frauen unterstützt, die einkommensschwach waren oder staatliche finanzielle Unterstützung bekamen. Bei dem Projekt konnten Frauen mit dem Rezept für das Verhütungsmittel nach einem Beratungsgespräch bei ProFamilia in der Apotheke das Verhütungsmittel kostenlos erhalten. Bei z.B. einer Spirale wurde diese in der Praxis nach dem Beratungsgespräch eingesetzt. Es zeigte sich, dass eine heterogene Gruppe an Frauen das Projekt in Anspruch nahm. Der Bedarf an einer Kostenübernahme ist also in der breiten Gesellschaft vorhanden. Gleichzeitig gaben diese an, dass sie ohne Kostenübernahme weniger sichere Verhütungsmittel nutzen würden. Hiermit würde die sexuelle Selbstbestimmung deutlich zurückgehen.

Uns Jusos geht dieses Projekt noch nicht weit genug. Verhütung ist eine subjektive, persönliche Entscheidung. Jede*r sollte frei wählen können. Hierzu muss Verhütung kostenfrei sein. Nur so ist eine wahre Entscheidungsfreiheit garantiert, wie die Ergebnisse aus dem Modellprojekt zeigen. Diese Entscheidungsfreiheit ist erforderlich, da jede Person andere Nebenwirkungen, Vorerkrankungen, etc. haben kann, die die Entscheidung beeinträchtigen. Die Überprüfung der finanziellen Situation, wie bei Biko vorgenommen, kann oftmals eine Stigmatisierung hervorrufen. Das Angebot von Verhütungsmitteln und die Beratung sollen so niederschwellig wie möglich konzeptioniert sein. Eine Finanzüberprüfung widerspricht dem. Die Kostenübernahme soll hierbei bundesweit einheitlich geregelt werden. Eine Finanzierung durch das Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist zu begrüßen. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass jede*r selbst einschätzen kann, ob sie*er noch einen weiteren Informationsbedarf hat. Beratungsgespräche sollen freiwillig geschehen und nicht durch den Druck von außen.

 

[1] https://www.bayer.de/de/eine-auswahl-unserer-forscher.aspx (Zugriff: 16.08. 2020 16:30 Uhr)

[2] https://www.jenapharm.de/unternehmen/management-board (Zugriff. 16.08.2020 16: 30 Uhr)

[3] https://www.youtube.com/watch?v=4GtZd4wCX8k&t=760s (Zugriff: 16.08.2020, 16: 30 Uhr)

[4] https://www.biko-verhuetung.de/ (Zugriff: 16.08.2020 18:30 Uhr)