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N2 Kinderrechte in sozialen Netzwerken durchsetzen!

3.09.2021

Können Eltern frei entscheiden, wie sie mit der Privatsphäre ihrer Kinder im Zeitalter der sozialen Medien umgehen? Dürfen bereits Kinder als Influencer tätig sein? Handelt es sich hierbei noch um ein Hobby oder schon um (regulierte bzw. zu regulierende) Arbeit?

Im Zusammenhang mit dem Auftauchen von Minderjährigen auf sog. Influencer-Kanälen verschmelzen mit dem Recht am eigenen Bild und dem Kinder- und Jugendarbeitsschutz zwei hochgradig grundrechtsrelevante, für eine gesunde kindliche Entwicklung bedeutsame Problemkomplexe. Trotz des Schlaglichts, welches die bereits länger geführte Diskussion um eine Verfassungsergänzung auf das Thema der Kinderrechte wirft, wird das Kind als Darsteller auf einem eigenen oder elterlichen Account in Recht und Politik bisher kaum adressiert, maximal ab und an z.B. durch Warnungen der Polizei. Jedoch: Mantra-artige Empfehlungen reichen nicht; professionelle, ausführliche Beratungsangebote, insb. in Schulen, Kitas etc. sind notwendig.

Kindliche Entwicklung schützen, Eltern aufklären
[Triggerwarnung: Sexuelle Gewalt gegen Kinder]

Prominente Beispiele, wie der YouTube-Kanal „Mileys Welt“ oder „Team Harrison“ zeigen, dass es im Zusammenhang mit Sharenting, Kinder-Influencing und Social Media massiven Aufklärungsbedarf gibt.
Insbesondere verschwimmen oft die Grenzen zwischen dem Kinderzimmer als Rückzugsort und dem Kinderzimmer als Arbeitsplatz. Das Kinderzimmer bzw. der kindliche Rückzugsort ist von besonderer Bedeutung für die kindliche Entwicklung, ein Eingriff in diesen Rückzugsort ist ein Eingriff in die Privatsphäre des Kindes, es gilt diesen Raum zu schützen und angemessen zu präsentieren, ein Eingriff ist sorgfältig abzuwägen.
Die Gefahr durch Sexualisierung von Kindern und Jugendlichen durch Dritte ist zwar etwas bekannter, allerdings sind sich viele Eltern nicht über die technische Funktionsweise von Social Media-Plattformen bewusst. Algorithmen, die vermeintlich „freizügige Inhalte“ belohnen und anderen Nutzer*innen somit häufiger anzeigen, sind häufig unbekannt, die daraus resultierende Gefahr, dass Bilder auf kinderpornografischen Plattformen gepostet werden, steigt in den vergangenen Jahren, das kann zur Traumatisierung und einer gestörten sexuellen Entwicklung des Kindes führen.
Ein dritter Aspekt umschreibt die Nutzung von Social Media für Kinder, hier ist wichtig zu betonen, dass die Nutzung von Social Media nicht den Status eines Hobbies oder einer Freizeitbeschäftigung überschreiten sollte, das bedeutet, dass es eine klare Reglementierung und Integration in den Alltag geben muss. Die Eltern sind angehalten, ihr Kind und sich zu überprüfen, ob es sich bei der Nutzung noch um eine Freizeitbeschäftigung handelt oder schon mit Arbeit zu vergleichen ist.
Außerdem gilt es für die Eltern sorgfältig abzuwägen, wie sie ihr Kind zeigen bzw. wie sich das Kind zeigt. Eltern sollten sich, insbesondere bei Kleinkindern, die Fragen stellen, ob sie die Privatsphäre des Kindes ausreichend schützen und die Gefahren abwägen können. Zeigen Sie das Kind eventuell in einer Situation die es als unangenehm empfindet oder die Schamgrenzen überschreitet? Diese Fragen sind besonders im Kontext der Beziehung zwischen Eltern und Kind in der fortschreitenden Entwicklung des Kindes von herausragender Bedeutung.

Damit Eltern in der Lage sind, eine angemessene kindliche Entwicklung zu gewährleisten und die Herausforderungen und Gefahren von Sharenting, Influencing und genereller Nutzung von Social Media einschätzen zu können, bedarf es die Unterstützung seitens der Politik, insbesondere der Institutionen, die der Staat als Begleiter*in kindlicher Entwicklung beauftragt hat, wie Kindertagesstätten, Schulen etc.

Deshalb fordern wir Aufklärungs- und Informationsangebote, die der Staat in Zusammenarbeit mit den Institutionen entwickeln soll. Diese sollen folgende Punkte umfassen:

  1. Herausstellen des Kinderzimmers als Rückzugsort von zentraler Bedeutung für die kindliche Entwicklung und des Bedarfs nach angemessener Abwägung bei Eingriffen in diesen, durch besondere Privatsphäre definierten Raum
  2. Aufklärung von Gefahren durch die Sexualisierung der Inhalte durch Dritte
  3. Die Notwendigkeit, die Rolle von Social Media im Alltag klar zu definieren, zu reglementieren und regelmäßig zu überprüfen
  4. Die regelmäßige (Selbst-)Überprüfung auf die Frage der angemessenen Darstellung, die die Privatsphäre und Schamgrenzen des Kindes achtet

Problemfelder erkennen und in Gesetzgebung und Verwaltung tätig werden

Wir fordern die Durchsetzung des Schutzes der Kinderrechte auch in sozialen Netzwerken, insbesondere im Zusammenhang mit dem Auftauchen von Minderjährigen auf sog. Influencer-Kanälen, sei es auf eigenen oder auf von den Eltern betriebenen. Dies ist die ganz praktische Umsetzung des Gedanken, der auch hinter der Kinderrechte-in-die-Verfassung-Debatte steckt: Kinder sind als Subjekte zu sehen, ihnen ist Beteiligung ermöglichen und ihr Recht auf eine offene Zukunft ist zu sichern.

Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG („Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvorderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“) enthält zweierlei: Das Recht der Eltern, ihre Erstverantwortung für das Kindeswohl auszuüben, dementsprechend alle Entscheidungen für das Kind zu treffen; aber auch das sog. Wächteramt des Staates, welcher (nur) im (Not-)Fall einer Kindeswohlgefährdung einschreitet. Das erwähnte Recht der Eltern ist jedoch, wie auch das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit mehrfach festgestellt hat, ein „dienendes“ Grundrecht, es wird durch seine Fremdnützigkeit für das Kind bestimmt. Eltern haben also bei ihren Entscheidungen die Rechte ihrer Kinder miteinzubeziehen, um ihr Bestes zumindest anzustreben.

Kinder sind Grundrechtsträger*innen, sie haben ein Recht auf (digitale) Entwicklung (Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 13, 17, 31 der UN-Kinderrechtskonvention) und auf Privatleben (Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention; Art. 7 EU-Grundrechtskonvention). Diese sind notwendigerweise zu schützen – um eine offene Zukunft zu gewährleisten und dem Kind zu ermöglichen, auch im digitalen Raum einen eigenen, sicheren Umgang mit der eigenen Privatsphäre und der anderer zu entwickeln.

Sie sind auch Träger*innen des Rechts am eigenen Bild als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Problem ist, dass nirgendwo explizit geschrieben steht, wer denn zuständig dafür ist, die Einwilligung in eine Bildveröffentlichung zu erteilen. Wegen der weiten Elternverantwortung liegt der Gedanke an die Eltern natürlich nahe; die Reife des Kindes (zur Selbstentscheidung) ist jedoch ebenso einzubeziehen wie das Spannungsfeld, welches sich im Kontext der Veröffentlichung auf elterlichen Accounts darstellt: Die Eltern erteilen die Erlaubnis sich selbst. In anderen (insb. finanziellen) Kontexten spricht man hier von einem sog. Insichgeschäft; Konsequenz ist, dass nicht die Eltern entscheidungzuständig sind, sondern vom Familiengericht ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist, der die Entscheidung trifft (z.B. ein vom Kind geerbtes Haus an die Eltern zu übertragen). In Fällen wie diesen, die für das Persönlichkeitsrecht relevant sind, wird dies jedoch leider oft übersehen. Dabei ist auch hier der Interessenkonflikt offensichtlich: Die Eltern sich zugleich Beschützer*innen als auch Manager*innen bzw. Unternehmer*innen gleichzeitig. Sie haben starke Eigeninteressen, die die Fremdnützigkeit ihrer Entscheidungen vielleicht in den Hintergrund treten lassen.

Zudem gilt das Verbot von Kinderarbeit und dem Kindeswohl abträglicher Ausbeutung (u.a. Art. 32 und 36 UN-Kinderrechtskonvention, Art. 32 EU-Grundrechtskonvention, Jugendarbeitsschutzgesetz). Kinder sind, schon wegen ihrer andauernden Entwicklung, auch in diesem Bereich besonders  zu schützen. Eine Ausbeutung in Form des „Mitverdienens“ des Familienunterhalts kann schädliche Rollenerwartungen und einen daraus resultierenden Druck auf das Kind ausüben; zudem besteht die Gefahr, dass entwicklungs- und zukunftsrelevante Tätigkeiten, wie der Schulbesuch, der Kontakt zu Peer-Groups, Hobbies etc. vernachlässigt werden. Das Problem ist jedoch im Kontext von Kindern im Influencer-Marketing das Folgende: Liegt hier eine „Arbeit“ vor bzw. eine „Beschäftigung“, die für die Anwendbarkeit des Jugendarbeitsschutzgesetzes vonnöten ist? Es handelt sich um eine komplizierte juristische Prüfung des Einzelfalls mit hinzutretenden praktischen Ermittlungsproblemen. Jedenfalls zeigen die Reaktionen der zuständigen Landesministerien auf eine Anfrage hin, dass sie die Lage der im Influencer-Marketing tätigen Kinder nicht wirklich auf dem Schirm haben und z.B. bei Kindern U3 – die besonders gefährdet sind (willenloses Objekt) – gar nicht erst eine Anwendbarkeit des JArbSchG annehmen (s. dazu z.B. auch – öffentlich zugänglich – LT-Drs. 17/10300 (NRW) sowie Lemmert, Die Vermarktung des Kindes im Influencer-Marketing, Buch im Erscheinen, vssl. Anfang 2022).

Wir stellen fest, dass die derzeitige Rechtslage nicht hinreichend deutlich oder unzureichend ist. Dies steht in Konflikt zu geltendem Verfassungs- und Völkerrecht. Auch die exekutive Durchsetzung bestehender Gesetze lässt zu wünschen übrig: Insbesondere kontrollieren die Jugendämter und die Gewerbeaufsicht derzeit nicht proaktiv die Kindeswohlverträglichkeit bzw. die Einhaltung der Regelungen des Kinder- und Jugendarbeitsschutzes bei solchen Auftritten. Dies ist jedoch erforderlich: Angesichts der zunehmenden Verbreitung entsprechender Aufnahmen im Internet und der vielfältigen damit verbundenen Risiken, darf der Staat es nicht dem Zufall überlassen, ob er hiervon Kenntnis erlangt und auf Basis dessen seinem grundgesetzlichen Schutzauftrag nachkommen kann. Dies muss gerade in Anbetracht der quasi non-existenten Hindernisse für Sachverhaltsermittlung und -sicherung gelten, die durch die von den Accountinhabern selbst gewählten Öffentlichkeit und nahtlosen Dokumentation herbeigeführt werden.

Wir fordern die Erarbeitung eines Schutzkonzepts, welches die folgenden Aspekte umsetzt:

  1. Es ist angemessen in Rechnung zu stellen, dass die Eltern als natürliche Sorgeberechtigte unmittelbarer Akteur sind; vor dem Hintergrund des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG, aber auch der Tatsache, dass keine weitere, verlässliche Kontrollinstanz vorhanden ist (Verantwortungsdiffusion).
  2. Es gilt, das richtige Maß zu finden zwischen Kindesschutz sowie Sensibilisierung für die Gefahren der Veröffentlichungen und der Tatsache, dass das Kind für kommerzielle Zwecke vermarktet wird, auf der einen Seite und dem Belassen von genügend Freiräumen für kreatives Ausprobieren und für die Familie auf der anderen Seite.
  3. Hierfür muss die Basis sein, dass eine Abgrenzung des privaten und des (auch) kommerziellen Sharentings erfolgt; die Gefährdungslage ist nämlich unterschiedlich.
  4. Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen sich graduell an die Gefährdungslage anpassen – von (im Fall des rein privaten Sharenting) freiwilligen zu (bei zumindest auch-kommerziellen Sharenting) verpflichtenden Beratungsangeboten und Genehmigungserfordernissen bei gleichzeitiger proaktiver Überwachung.
  5. Denkbar sind folgende Maßnahmen:
    1. Anwendung des JArbSchG auf alle Gruppen der kommerziell im Internet auftretenden Kinder: als „Beiwerk“ elterlicher Account, als (vermeintlich) selbstständige Kinder-Influencer*innen und insbesondere auch Kleinkinder
    2. gesetzliche Klarstellung des Rechts auch des Kindes am eigenen Bild
    3. Sicherstellung des finanziellen Profits von rechtmäßigerweise als Influencer tätigen Kindern, z.B. durch Einführung eines Treuhandkontomodells
    4. Stärkung der Verantwortung der Plattformbetreiber, insbesondere Pflicht zur Kontrolle von Arbeitserlaubnis etc.
    5. Einführung eines (subsidiären) Verbandsklagerecht für Kinderschutzorganisationen

Dringlichkeit der Regulierung

Die Reaktionen der Landesregierungen und anderer Akteur*innen in der Vergangenheit zeigen, dass Digitalpolitik oft von Menschen gemacht wird, die sich kaum mit dem digitalen Raum auskennen, dies gilt insbesondere für den digitalen Kinderschutz, der bisher kaum als Problem anerkannt wird. So fehlen bisher konkrete Bemühungen, Kinderschutz im digitalen Raum zu gewährleisten und die Gefahren für Kinder zu minimieren, sowie Familien aufzuklären. Dabei ist das Internet schon lange kein „Neuland“ mehr.
Die Social Media-Plattformen versuchen weder technisch noch in der Kommunikation ihrer Verantwortung gerecht zu werden und verweisen konsequent auf selbstauferlegte, aber leicht umgehbare Altersgrenzen. Eltern und Kinder sind nicht hinreichend sensibilisiert oder es besteht ein Interessenkonflikt. Hier muss die Politik konsequent eingreifen und einen rechtlichen Rahmen schaffen und die Verantwortung der Plattformen einfordern.

Eine Reaktion seitens aller Akteur*innen ist notwendig, besonders in Situationen, in denen das Kinderzimmer nicht mehr Rückzugsort, sondern Arbeitsplatz ist, in denen das Kind für das Haushaltseinkommen mitverdient, in denen das Kind Gefahren, wie Sexualisierung oder Cyber-Mobbing ausgesetzt wird und in denen die Privatsphäre und Schamgrenzen des Kindes nicht geachtet werden. Die Hauptverantwortung liegt hier weiterhin bei den Eltern, jedoch sind Staat und Plattformbetreiber*innen angehalten, diese zu unterstützen, unter anderem durch Reglementierung, Gesetzgebung, Anpassung von Algorithmen, sowie Aufklärung und Information in den Räumen, in denen sich Eltern und Kinder bewegen.
Es gilt die kindliche Entwicklung digital zu denken und optimale Bedingungen zu schaffen.

N1 [zurückgezogen] Staatliche Digitalkompetenz: Der Weg zu ‚Public Money, Public Code‘

3.09.2021

Heutzutage gibt es für (fast) alles eine App. Wir als Jusos begrüßen, dass die zunehmende digitale Entwicklung es begünstigt, dass öffentliche Verwaltungen, Schulen und Anstalten öffentlichen Rechts immer mehr Software verwenden und digitale Dienste und Services anbieten. Das Neuland Internet soll schließlich erobert werden und für uns alle dazu beitragen, dass Verwaltungsakte einfacher, schneller und barrierefreier werden, dass in Schulen digitale Medien richtig beigebracht und genutzt werden können und dass  die staatlichen Medien auch für junge Menschen interessant und modern präsentiert werden. Ebenso selbstverständlich ist für uns der Grundsatz, dass diese Softwareanwendungen unter eine freie- und open-source-Lizenz gestellt werden; Public Money, Public Code eben.

Die Entwicklung der Corona-Warn-App hat allerdings gezeigt, dass die Bundesregierung mit der Umsetzung dieser Standards überfordert war. Dass der von kommerziellen Unternehmen neu entwickelte Teil der App unter die open-source-Lizenz gestellt wurde, haben digitale Aktivist:innen unter anderem von der SPD erwirkt. Dass die App vollständig und ohne proprietäre Komponenten von großen Digitalkonzernen zur Verfügung gestellt werden kann, hat dann aber erst ein Entwickler:innenteam um den Informatiker Marvin Wißfeld in ihrer Freizeit realisiert.

Dieses Beispiel zeigt vor allem, dass es bei der Softwareentwicklung für öffentliche Zwecke weniger daran hapert, dass die zu lösenden Probleme so kompliziert sind, sondern viel mehr, dass den Entscheider:innen das Wissen über Softwareentwicklung fehlt und sie so auch nicht dazu in der Lage sind, unter Umständen sogar sozialdemokratische Werte auf Software zu übertragen.

Deswegen fordern wir die Gründung einer Institution des Bundes, die Kompetenzen in der Informatik und Softwareentwicklung vereinigt und so staatliche Institutionen bei der Umsetzung der ‚Public Money, Public Code‘-Maxime unterstützen kann. Das hat den Vorteil, dass so grundlegende Software nicht doppelt und dreifach entwickelt werden muss. Zudem kann diese Institution Behörden bei der Umsetzung und Erstellung von Software beratend zur Seite stehen. Essentiell für eine solche Institution ist, dass sie in ihrem Aufbau und ihrer Infrastruktur zu dem Arbeitsumfeld von modernen Softwareentwickler:innen passen muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass es auch möglich ist, Kompetenzen in Bereich der Programmierung anzusiedeln.

Als eine konsequente Umsetzung der ‚Public Money, Public Code‘-Maxime fordern wir außerdem, dass eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden soll, dass der Quellcode staatlich finanzierter Apps unter die freie und open-source Lizenz gestellt wird. Darüber hinaus sollen diese Apps auch in einem von großen Digitalkonzernen unabhängigen App Store, wie zum Beispiel F-Droid, zur Verfügung gestellt werden.

M6 CO2 Produktionssiegel für PKWs

3.09.2021

Die Jusos Landeskonferenz möge beschließen dass:

Für PKWs ein neues CO2 Siegel eingeführt wird um darzustellen, wieviel CO2 bei der Produktion ausgestoßen worden ist.

M5 Grundwasserversorgung sicherstellen

3.09.2021

Die Jusos Landeskonferenz möge beschließen dass:

Die Grundwasserversorgung auf Einwohnerzahl gebundene Wasserspender in Städten und Dörfern erweitert wird.

M3 Das Ende der Verbrennungsmotoren zeitlich klar benennen – 2030!

3.09.2021

Die Jusos bekennen sich zu dem Ziel, dass in Deutschland nach 2030 keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr neu verkauft und zugelassen werden.

„In Zeiten von Dieselgate, konkreten Klimazielen, drohenden Fahrverboten, einer stärker werdenden ausländischen Konkurrenz im Bereich der alternativen Antriebe und der Suche nach einer Vision für die Mobilität der Zukunft scheint das Festhalten am Verbrennungsmotor eher rückwärtsgewandt. Der Diesel ist ein zunehmend europäisches Phänomen. Auf den internationalen Absatzmärkten ist der Verbrennungsmotor hingegen auf dem Rückzug. Das wirft die Frage auf, ob sich Autohersteller und Politik ihrer Verantwortung wirklich so bewusst sind.– Stefan Heimlich, Vorsitzender des zweitgrößten Automobilclubs Auto Club Europa e.V. (ACE).

In Deutschland verursacht der Verkehr rund ein Fünftel der Gesamt-Treibhausgasemissionen. Die vom Verkehr verursachten Emissionen sind 28 Prozent höher als 1990.

Damit Deutschland seinen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen gewährleisten kann, muss der Verkehrssektor seine Emissionen drastisch reduzieren. Insgesamt steht der Verkehrssektor global vor einem gewaltigen Umbruch, der schon im vollen Gange ist. Während sich einige Nachbarländer bereits klar zum Ende des Verbrennungsmotors positioniert haben – auch durch die Verabschiedung von Gesetzen – hängt Deutschland gewaltig hinterher. Ambitionierte Länder, wie Irland, Schweden und Großbritannien möchten 2030 Verbrennungsmotoren verbieten. Überlegungen zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor in Deutschland sind nicht neu. Markus Söder sagte schon 2007, dass er keine Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ab 2020 möchte. Vor einigen Monaten äußerte er sich, dass 2035 ein gutes Datum sei. Eine von Greenpeace veröffentliche Studie aus 2020 belegt, dass eine Verkehrswende schnellstmöglich vollzogen werden muss, damit der Verkehrssektor in Europa die Pariser Klimaschutzziele einhält. Demnach dürfen ab dem Jahr 2028 keine weiteren Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden.

„Die Studie zeigt, dass wir viel schneller als bislang aus dem Verbrennungsmotor aussteigen und gleichzeitig die Zahl der Autos insgesamt deutlich senken müssen, damit der Verkehr auf Klimakurs kommt.“ – Benjamin Stephan.

Ein weiteres Schweigen der deutschen Politik setzt tausende Arbeitsplätze aufs Spiel! Ein Ausstiegsdatum schafft hingegen Sicherheit und Klarheit für die Industrie. Die deutsche Automobilindustrie hat in der Vergangenheit fahrlässig gehandelt und die Abkehr von den Verbrennungsmotoren verschlafen. Diese kurzfristigen Gewinne hatten zur Folge, dass die deutsche Autoindustrie in den wichtigen Trends hinterherhinkt. Hersteller aus den USA und China haben aktuell einen technischen Vorsprung.

Das Festhalten am Verbrennungsmotor ergibt aufgrund der geplanten Verbote in anderen Ländern sowie das Fortschreiten des Klimawandels keinen Sinn und ist fatal. Neue Untersuchungen von Greenpeace belegen, dass die deutsche Automobilindustrie den Umbruch noch nicht ausreichend unterstützt. Demnach soll Volkswagen den Verkauf seiner E-Autos nicht genug fördern, weshalb die Händler*innen eher vom Kauf eines E-Autos abraten. Die Politik ist gefragt, den Wandel in der Automobilindustrie zu fördern und klar einzufordern! Ein weiteres Schweigen und Aussitzen gefährdet nicht nur das Klima und die Umwelt, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland.

„Ein Neuzulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2030 hält Knie für notwendig – die Autoindustrie, sagt er, brauche „einen engen Handlungsrahmen“, an dem sie sich „entlanghangeln“ könne. Selbst in der Ifo-Studie geht man davon aus, dass eine solche Vorgabe „den Handlungsbedarf der deutschen Autobauer zweifelsohne erhöhen“ würde. Für Knie steht fest: „Wenn jetzt nicht gehandelt wird und das Auto der Zukunft nur noch in anderen Ländern gebaut wird, dann stehen noch viel mehr von den 880.000 Arbeitsplätzen auf der Kippe.“ – Andreas Knie, Sozialwissenschaftler und Mobilitätsforscher.

M1 Photovoltaik-Pflicht bei privaten Neubauten und kommunalen Gebäuden

2.09.2021

Angesichts der Klimakrise setzen wir uns für einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien ein. Dabei gibt es vor allem bei der Nutzung von Solarenergie noch viel ungenutztes Potenzial, denn mit den Hausdächern und -wänden unserer Städte und Gemeinden stehen genügend Freiflächen zur Verfügung. Wir fordern daher:

  • Gebäude der öffentlichen Hand sollen flächendeckend mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden. Wir Jusos suchen den Kontakt zu den SPD-Ratsfraktionen und den kommunalen Verwaltungen, um diese Position überall in Ostwestfalen-Lippe durchzusetzen.
  • Bei der Planung von Neubaugebieten soll die Ausstattung mit Photovoltaik verpflichtend berücksichtigt werden. Dazu gehört auch, die Ausrichtung der Gebäude sowie die Neigung der Dächer dazu passend zu gestalten.
  • Für bestehende Gebäude in Privatbesitz sollen möglichst weitreichende, finanzielle Förderungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Installation und Nutzung von Photovoltaik ins Leben gerufen oder – sofern bereits existent – ausgebaut werden.

Deutschland wird 2022 aus der Kernenergie aussteigen. Die anderen Energiequellen, insbesondere die Erneuerbaren Energien, werden voraussichtlich die Kernenergie kompensieren können[1]. Nie war es essentieller, den Anteil der Erneuerbaren Energien drastisch zu erhöhen, um schneller als 2038 aus der Kohleenergie aussteigen zu können. Die Kommunen müssen als Vorbild vorangehen und alle geeigneten kommunalen Gebäude ausrüsten. Dabei müssen Neubauten in der Zukunft verpflichtend mit Photovoltaikanlagen gebaut werden. Mit einem Kohleausstieg im Jahr 2038 wird Deutschland sein CO2-Budget zum Erreichen des 1,5-Grads nicht gewährleisten können[2]. Daher ist es zwingend notwendig, schneller eine Energieversorgung ohne Kohlestrom zu schaffen.

Das Gutachten „Photovoltaik-Pflicht mit Verpachtungskataster: Optionen zur Gestaltung einer bundesweiten Pflicht zur Installation und zum Betrieb neuer Photovoltaikanlagen“ von Oktober 2020 vom Umweltbundesamt kommt zu dem Ergebnis:

„Eine PV-Pflicht für Gebäudeeigentümer und -eigentümerinnen kann unter Beachtung der dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäbe als vereinbar mit der Eigentumsgarantie und der Berufsfreiheit ausgestaltet werden.“ [3]

[1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/energiewende/fragen-und-antworten/kernkraft#:~:text=Deutschland%20hat%202011%20den%20schrittweisen,dass%20es%20unabsehbare%20Restrisiken%20gibt.

[2] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.725608.de/diwkompakt_2020-148.pdf

[3] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/photovoltaik-pflicht-verpachtungskataster-optionen

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2020_10_26_climate_change_34_2020_pv-pflicht_mit_verpachtungskataster.pdf S. 55

M2 Pilotprojekt „Autofreie Innenstädte“

2.09.2021

Die Jusos setzten sich dafür ein, Pilotprojekte für autofreie Innenstädte am Beispiel von Bielefeld und Paris einzuführen. Es soll dazu beitragen die Attraktivität der Innenstädte zu erhalten und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Nach Beendigung der Pilotprojekte muss evaluiert werden, ob die aufgeführten Probleme verbessert wurden.

In Deutschland verursacht der Verkehr rund ein Fünftel der Gesamt-Treibhausgasemissionen. Die vom Verkehr verursachten Emissionen sind 28 Prozent höher als 1990.

Damit Deutschland seinen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen gewährleisten kann, muss der Verkehrssektor seine Emissionen drastisch reduzieren.

Insgesamt steht der Verkehrssektor global vor einem gewaltigen Umbruch, der schon im vollen Gange ist. Erst vor kurzem verurteilte der EuGH Deutschland wegen zu hohen Stickoxid-Werten. Die Pilotprojekte können diverse Vorteile mit sich bringen und bieten eine Chance zur Lösung der vorhandenen Probleme.

M4 [zurückgezogen] Mehr kommunale und landeseigene Grundstücke für sozialen Wohnungsbau

2.09.2021

Der Mangel an preisgünstigem Wohnraum in Ballungsräumen wird immer akuter. Durch den Fokus der Mitte-Rechts Parteien auf der Eigenheimförderung wird sich die Nachfrage nach Baugrund Zusehens weiter verschärfen. Um dem entgegenzuwirken und um eine aktive Wohnraumgestaltung zu erhalten, die Lebensraum mit vielfältigem Nutzen für alle schafft, ist eine aktive Wohnungsbaupolitik und das Beschreiten neuer (alter) Wege unausweichlich.

Aus diesem Grunde fordern wir, dass bei der Überlassung von kommunalen und landeseigenen Grundstücken, wie zum Beispiel stillgelegten Straßenbahndepots, eine Vergabequote von mindestens 50% zu Gunsten des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus festgeschrieben wird. Die damit einhergehende Sozialbindung muss darüber hinaus auf bis zu 30 Jahre verlängert werden.

Darüber hinaus muss bei der Vergabe der Schwerpunkt auf mehrgeschossiges Familienwohnen und alternative Wohnkonzepte wie dem Mehrgenerationenhausmodell gelegt werden.

Um diese Schwerpunktlegung besser durchsetzen zu können und über einen langen Zeitraum zu erhalten, sollten bei gefördertem Wohnungsbau auf Grundstücken der öffentlichen Hand alternative Überlassungsmöglichkeiten wie eine symbolische Erbpacht in Erwägung gezogen werden. Dies würde die unverhältnismäßig hohen Grunderwerbsanteile beim sozialen Wohnungsbau reduzieren und es damit Trägern wie Wohnungsbaugenossenschaften erleichtern sich stärker im sozialen Wohnungsbau zu engagieren, da seit den 60-er Jahren der Anteil des Grunderwerbs an den Baukosten von 20% auf teilweise über 70 % gestiegen ist. Zugleich erleichtert dieses Modell es der Kommune ein Vorkaufsrecht bei einer nicht Verlängerung der Pacht wahrzunehmen.

I3 Wider der Fortsetzung politischer Rhetorik – Für eine wissenschaftsbasierte Kriminalpolitik!

2.09.2021

Die Regionalkonferenz möge beschließen:

Seit 1949 gab es lediglich eine Legislaturperiode, in der das Bundesministerium des Innern von Sozialdemokrat*innen geführt wurde. Innenpolitik ist seit jeher ein Politikfeld, welches von der CDU/CSU kontrolliert wird, es ist an der Zeit dies zu ändern!

Insbesondere die Kriminalpolitik hat in den letzten Jahrzehnten unter der Dominanz konservativer Blickwinkel gelitten. In den 1960er und 1970er Jahren sprachen konservative Politiker von einer „Drogenepidemie“, der man den „Kampf“ ansagen müsse und in den 1980er bzw. 1990er Jahren von steigender Jugendkriminalität der man mit „entschiedener Härte“ entgegentreten müsse. In den 2000er Jahren wurden Gesetzesverschärfungen und -ausweitungen, sowie die Herabsetzung der Strafbarkeitsgrenze gefordert. Auch wurde die Vorverlagerung der Strafbarkeit forciert und die Terrorismusbekämpfung verschärft. Seit den 2010er Jahren und bis heute fordern Konservative die Ausweitung der Anwendung von Staatstrojanern, mehr Videoüberwachung und immer weiter ausufernde Kompetenzen für die Polizei. Nicht zuletzt ist hier der neu geschaffene §114 StGB zu erwähnen, der Polizist*innen im Dienst vor tätlichen Angriffen schützen soll, aber offensichtlich Täter und Opferrolle in sein Gegenteil verkehrt. Und auch jetzt verstecken sich CDU und CSU vor den drängenden kriminalpolitischen Problemen unserer Zeit und blockieren jede Debatte: Sie dementieren grundsätzlich die zunehmende, rechtswidrige Polizeigewalt, sowie den Rechtsextremismus in der Polizei. Sie geben sich der Lächerlichkeit Preis, indem wissenschaftliche Untersuchung zu „racial profiling“ mit dem Argument abgelehnt werden, diese „seien gesetzlich verboten“. Damit führen CDU und CSU den sicherheitspolitischen Diskurse ad absurdum. Dabei ist die von konservativ geführte Innenpolitik von Ideenlosigkeit geprägt. Dies wird nicht zuletzt durch den seit Jahrzehnten aus konservativen Kreisen, in ermüdender Regelmäßigkeit paraphrasierten sinnbefreiten Slogan „Null-Toleranz“ deutlich.

Konservative Innenpolitik ist die Summe kriminalpolitischer Fehlentwicklungen, die dringend eines sozialdemokratischen Korrektivs bedarf.

Daher fordern wir:

Eine sachliche und evidenzbasierte Kriminalpolitik

In der Kriminalpolitik ist evidenzbasiertes Handeln besonders wichtig. Staatliche Reaktionen können tiefgreifende Grundrechtsverletzungen darstellen und bedürfen daher guter Begründung. Dabei muss der Staat gewonnene, wissenschaftliche Erkenntnisse beachten und sich nicht von episodenhaften, medial aufgeheizten Stimmungsbildern leiten lassen.

Auch müssen relevante Kriminalitätsbereiche stetig erforscht werden. Zum einen muss die Kriminalwissenschaft daher mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden, zum anderen darf es keine Bereiche geben, die der Wissenschaft aus fragwürdigen Gründen verschlossen bleiben. Wir begrüßen daher, dass die TU-Berlin mit einer Studie zum strukturellen Rassismus innerhalb der Berliner Polizei beauftragt wurde und fordern weitere Studien zu Rassismus und Diskriminierungsmechanismen innerhalb der Polizei.

Zentral ist, dass sich die Ausrichtung sicherheitspolitischer Entscheidungen stets an der objektiven Sicherheitslage und aktuellen wissenschaftlichen Befunden orientiert.

Prävention und Repression

Die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik. Daher gilt es gerade auch die Ursachen und nicht nur die Symptome von Kriminalität anzugehen. Für die Jugendkriminalität bedeutet dies anzuerkennen, dass Jugenddelinquenz kein Indiz für ein erzieherisches Defizit sein muss, sondern eine entwicklungsbedingte Auffälligkeit sein kann, die mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter abklingt. Nicht selten ist sie auch Resultat von Stigmatisierung und Etikettierung, beispielsweise durch Institutionen und Autoritäten, mit der Jugendliche aus bestimmten sozialen Milieus oder migrantischer Wurzeln aufwachsen. Im Hinblick auf polizeiliche Repressionen ist hier überwiegend „nichts tun, besser als etwas tun“. Ein Zusammentreffen der Jugendlichen mit Polizei oder Justiz erhöht eher noch das Risiko, dass die Bindung an einen delinquenten Freundeskreis verstärkt wird. Auch sogenannte jugendliche Intensivtäter benötigen alles andere als die „volle Härte des Gesetzes“. Eine vermehrte Anzahl von Straftaten im jugendlichen Alter ist Ausdruck erheblicher Entwicklungsprobleme, die häufig im Zusammenhang mit dem schwierigen sozialen Umfeld des jungen Menschen stehen. Hier spielt unter anderem die Jugendhilfe eine zentrale Rolle. Wichtig ist ihre Eigenständigkeit und Leistungsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Auch in anderen Bereichen ist es von besonderer Bedeutung, soziale Hilfen und Präventionsprogramme zu fördern: Menschen mit multiplen Suchtproblematiken, die in vermeintlicher Ausweglosigkeit Straftaten begehen, benötigen Hilfe, keine Repression (Dabei ist natürlich die Schwere der Straftat miteinzubeziehen). Hier muss die Suchtberatung gestärkt und frühzeitige Hilfen flächendeckend ermöglicht werden. Ebenso gilt dies für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen, die für sich und für die Menschen in ihrer Umgebung eine Gefahr darstellen. Der Bedarf an ambulanten und stationären psychologischen Therapieplätzen ist groß, daher muss das Angebot hier deutlich ausgebaut werden.

Nur auf Gesetzesverschärfungen und auf eine „Null-Toleranz-Linie“ zu setzen, ist dagegen ein Zeichen von Ignoranz und Desinteresse gegenüber den Menschen mit multikomplexen, kriminogenen Problemen.

Je stärker die sozialen Einrichtungen in allen Bereichen gefördert werden, desto spürbarer wird eine Entlastung der Polizeikräfte eintreten. Dementsprechend müssen die präventive Infrastruktur, sowie die betroffenen Berufsgruppen dahingehend gestärkt und unterstützt werden, dass elementaren und strukturellen Anliegen wie Personaldeckung, guter Bezahlung sowie der bedarfsorientierten Ausstattung, Rechnung getragen wird.

Polizeiausbildung strukturell verändern

Polizeieinsätze sind in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden: Rechtswidrige Polizeigewalt bei Einsätzen, sowie gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit innerhalb der Polizei wurde in den letzten Jahren vermehrt beobachtet. Deshalb ist es unausweichlich, die Polizeiausbildung in Deutschland strukturell zu verändern.

Die Studienlage zeigt, dass junge Menschen, die zur Polizei gehen, überwiegend keine menschenfeindlichen, rassistischen oder andere nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren Einstellungen teilen,, jedoch nach dem ersten Praxissemester einen sogenannten „Praxisschock“ erleben woraufhin sich im Anschluss persönliche, politische Einstellungen radikal ändern. Hier werden Praxiserfahrungen von Ausbildern, die teils Jahrzehnte im Dienst sind, weitergegeben. Um dem entgegenzuwirken, sollen zum einen die Ausbilder*innen nur für einen befristeten Zeitraum Polizeianwärter*innen anlernen. Außerdem müssen diese im Rahmen eines Rotationsprinzips in regelmäßigen Abständen Kontakt zu wechselnden Ausbilder*innen haben. Daneben sollte versucht werden, den theoretischen Teil der Ausbildung an regulären Universitäten durchzuführen. So können Polizeianwärter*innen während ihrer Ausbildung auch in Kontakt mit Studierenden anderer Fachrichtungen kommen und der Abschottung durch externe Polizeikasernen kann entgegengewirkt werden.

Des Weiteren bedarf es einer intensiven wissenschaftlichen Prüfung, wie dem Phänomen des Praxisschocks in der praktischen Polizeiausbildung am besten begegnet werden kann. Fest steht nur, dass die theoretische Ausbildung im Polizeistudium (Vorlesungen in der Kriminologie etc.) allein, keinen nennenswerten Einfluss auf die Einstellungen ausüben kann. Hilfreich können jedoch mehrjährige, interkulturelle Kompetenz- und Kommunikationstrainings sein, um angehende Polizist*innen im Hinblick auf das Wissen um die Zusammenhänge von dienstlichen Begegnungen und der Entstehung von Vorurteilen zu schulen. Eine Studie an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in NRW konnte für diese Art des Trainings einen signifikanten Rückgang von gruppenbezogenen, menschenfeindlichen Einstellungen bei den Kommissaranwärter*innen während des Kurses zeigen.

Ein weiterer zentraler Punkt sind befristete Verwendungszeiten an Dienststellen in Kontexten, in denen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit negativer Kontakterfahrungen mit ethnischen Minderheiten zu rechnen ist. Hier muss auf eine zeitlich begrenzte Platzierung an den betroffenen Dienststellen geachtet werden.

Bessere Kontrolle der Spezialeinheiten

Spezialeinheiten müssen kontrolliert und in ihrem Handeln und ihrer Struktur im Hinblick auf ihre Verfassungskonformität besser überwacht werden. Bei der Manifestierung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Corps gilt es, konsequent zu handeln und die betroffenen Beamt*innen aus dem Beamt*innenverhältnis zu entlassen. Auch hier ist ein Rotationsprinzip sinnvoll. Insbesondere Einheiten wie SEK oder MEK sollten spätestens nach fünf Jahren personell neu strukturiert werden.

Militarisierung der Polizei stoppen

Es darf keine weitere Militarisierung der Polizei geben. Barett und Panzerfahrzeuge erfüllen weder einen inhaltlichen Zweck, noch haben sie eine sinnvolle und notwendige Funktion. Stattdessen dienen sie lediglich der martialischen Abschreckung, das ist unpassend und unangemessen. Für die von der DPolG häufig angeführten Argumente, dieses Vorgehen ziehe Abschreckungseffekte nach sich und stärke das subjektive Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung gibt es keinerlei wissenschaftliche Befunde.

Testweise Einführung eines Ticket-Systems

Wir wollen untersuchen und prüfen, inwieweit ein Ticket-System, Probleme wie „Racial Profiling“ und die vorurteilsbehaftete, erneute Kontrolle von Menschen aus marginalisierten Personengruppen verhindern kann. Dazu möchten wir das Ticket-System testweise in NRW einführen und die Effektivität der Maßnahme im Anschluss evaluieren.

Bei diesem System bekommt jede Person, nachdem sie von der Polizei kontrolliert wurde ein Ticket. Dieses enthält Angaben zu Ort, Zeit, Datum, Grund und Umfang der Kontrolle.

Keine Einführung von Tasern

Ausdrücklich lehnen wir die Einführung und die Nutzung von Tasern im alltäglichen Polizeidienst ab. Diese werden häufig als ungefährliche Alternative zum Pistoleneinsatz beworben, tatsächlich stellen aber auch diese ein nicht unerhebliches Gesundheitsrisiko dar. Außerdem verleitet dieses Zwangsinstrument aufgrund der niedrigeren Hemmschwelle zu häufigerem und unverhältnismäßigem Gebrauch.

Abschaffung des sogenannten Vermummungsverbots

Das Vermummungsverbot dient häufig als polizeitaktisches Argument für die Auflösung von friedlichen Versammlungen. Dies führt häufig zu einer unnötigen Eskalation friedlicher Proteste. Angesichts dessen fordern wir die Aufhebung der Strafbarkeit des „Vermummens“. Stattdessen ist es als Ordnungswidrigkeit einzustufen. An die Verhältnismäßigkeit polizeilicher Maßnahmen werden damit höhere Anforderungen gestellt und ein Verwarngeld entspricht dem Vergehen als Bestrafung auch unabhängig davon eher als eine Verurteilung.

Wiedereinführung der Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen

Um rechtswidrige Gewaltanwendungen durch Polizeibeamt*innen besser verfolgen zu können, bedarf es der Wiedereinführung einer im Dienst jederzeit verpflichtend zu tragenden Kennzeichnung für alle Polizeibeamt*innen, eingeschlossen derer, die im Rahmen der Amtshilfe eingesetzt werden. Diese Kennzeichnung muss einerseits zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamt*innen und andererseits zur besseren Verfolgbarkeit durch eine einfach zu merkende Zahlen- bzw. Buchstabenkombination erfolgen.

Einführung unabhängiger Kontrollinstanzen

Es gehört zu den Aufgaben der Polizei bei gewissen Dienstausübungen unmittelbaren Zwang anzuwenden. Dabei wird die Grenze zwischen rechtmäßigem polizeilichem Handeln und unverhältnismäßigen Gewalteinsatz teilweise überschritten. Insbesondere in den letzten Jahren ist der ernstzunehmende Eindruck in der Gesellschaft entstanden, dass die Anzahl rechtswidriger Gewaltanwendung durch die Polizei zugenommen hat. Es ist dringend erforderlich dies weiter durch die Kriminalwissenschaft untersuchen zu lassen.

Gleichzeitig müssen die rechtlichen Möglichkeiten der Bürger*innen sich gegen rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen zur Wehr zu setzen unbedingt gestärkt werden, denn die Fälle der Körperverletzung im Amt weisen eine besorgniserregende justizielle Erledigungsstruktur auf. In über 90% der Fälle wird das Verfahren eingestellt. Weniger als 2% der eingeleiteten Verfahren enden mit einem Strafbefehlsantrag oder einer Anklage. Demgegenüber liegt die bundesweite Anklagequote für Körperverletzung um das zehnfache höher. Namenhafte Kriminologen sprechen hier sogar von einem „Graubereich“ der justiziellen Strafverfolgung.

Zentraler Aspekt ist hier die schnelle Einführung landesweiter Polizeibeauftragten, vergleichbar mit dem Vorbild des Wehrbeauftragten. Diese sollen nicht, wie in NRW beim Innenministerium angesiedelt, sondern allein dem Parlament gegenüber verpflichtet und damit unabhängig sein. Zudem ist es von essenzieller Bedeutung, diese Stellen mit genügen Personal und Ressourcen auszustatten.

Hier können alle Bürger*innen, die Opfer von rechtswidriger Gewalt geworden sind, aber auch Polizist*innen selbst anonym, Beschwerde einreichen.

Dies allein reicht jedoch nicht aus. In Deutschland führt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsverfahren gegen potenzielle Straftäter*innen innerhalb der Polizei. Zur Ermittlung des Sachverhalts muss sie sich der Polizeibeamt*innen selbst als Ermittlungspersonen bedienen. Dies führt zum einen dazu, dass Polizist*innen gegen ihre eigenen Kolleg*innen ermitteln müssen und zum anderen zeichnet sich dadurch eine mögliche Konfliktquelle zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei ab, da die Staatsanwaltschaft auf ihre Ermittlungsbeamt*innen auch in allen anderen Fällen angewiesen ist. Ermittlungsverfahren gegen ihre eigenen Ermittlungspersonen können das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei beschädigt, was eine effektiven Strafverfolgung zusätzlich erschwert. Außerdem könnte die Staatsanwaltschaft dadurch geneigt sein, Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamt*innen eher einzustellen, um eine intakte Kooperation nicht zu beeinträchtigen. Um diese „Zwitter“-Stellung aufzulösen, bedarf es einer unabhängigen Kontrollinstanz, die ihre eigenen Ermittlungsbeamt*innen hat. Dänemark geht seit 2012 mit gutem Beispiel voran: Die Polizeibeschwerdebehörde in Aarhus hat 34 Ermittler*innen, mit einem Jahresbudget von 2,8 Mio. Euro, für gerade einmal 11.000 Polizist*innen. Zum Vergleich: In NRW hat der Landespolizeibeauftrage gerade einmal zwei Mitarbeitende und ein Jahresbudget von 150.000 Euro für rund 54.000 Polizeibeschäftigte.

Mit ihren weitreichenden Kompetenzen ist die dänische Polizeibeschwerdestelle vollständig unabhängig und stärkt so das Vertrauen der Gesellschaft in polizeiliche Arbeit. Und entgegen populistischen Argumente aus den Kreisen mancher Polizeigewerkschaften, solche Institutionen seien reine „Misstrauensorganisationen“, genießt die dänische Behörde auch in den Reihen der eigenen Polizei Ansehen. In Fällen polizeilichen Fehlverhaltens müssen Polizeibehörden in Dänemark nun keine eigenen Beamt*innen mehr zur Ermittlung interner Angelegenheiten abstellen, was einerseits das Arbeitsklima in der Behörde stärkt und andererseits benötigtes Personal nicht länger bindet.

Zusammenfassend fordern wir:

  • Eine sachliche und evidenzbasierte Kriminalpolitik
  • Förderung kriminalwissenschaftlicher Untersuchungen
  • Förderung von Präventionsprogrammen und Ausbau ambulanter Hilfemaßnahmen
  • Ein Ende ewiger „Null-Toleranz“-Rhetorik und ein kollektives Bewusstsein in der Innenpolitik für die Ursachen kriminogener Phänomene.
  • Eine Umstrukturierung der Polizeiausbildung
  • Stärkere Kontrolle der polizeilichen Spezialeinheiten
  • Keine Militarisierung der Polizei!
  • Eine testweise Einführung eines sogenannten Ticket-Systems
  • Keine Einführung von Tasern
  • Die Abschaffung des sogenannten Vermummungsverbots
  • Die Wiedereinführung der Kennzeichnungspflicht
  • Die Einführung landesweiter nur dem Parlament verpflichteten Polizeibeauftragten
  • Eine vollständig unabhängige Polizeibeschwerdebehörde nach dänischem Vorbild

I2 Links sein heißt kein Vaterland zu haben: Herkunft-DNA-Tests in der Strafverfolgung verbieten und als Dienstleistung regulieren

2.09.2021

DNA-Tests zur genetischen Erforschung der eigenen Herkunft erfreuen sich weltweit wachsender Beliebtheit. Doch das ist ein Problem. Denn wo Daten, zumal genetische, einmal erhoben, verarbeitet und auswertbar gemacht werden, da nutzt man sie auch. Zwar bleiben die Ergebnisse bislang in den Händen der Personen und Unternehmen, die sie erheben – doch auch Staaten beginnen zunehmend, die „biogeographische Herkunft“ von Personen zu ermitteln und, bislang ausschließlich, in der Strafverfolgung einzusetzen.

Wissenschaftler*innen zweifeln an der Seriosität der genutzten Methoden zur Ermittlung der “biogeographischen Herkunft”: Unternehmen laden die genetischen Informationen in ihre (wachsenden) Datenbanken und prüfen sie auf Übereinstimmungen mit anderen DNA-Daten aus unterschiedlichen Regionen der Welt. Je nach Datenbank weichen das Ergebnis und die damit ermittelte „Herkunft“ also voneinander ab. Der Genetiker Mark Stoneking führt dazu aus: „Diese Daten sind nicht realistisch, sondern modellbasiert. […] Die Prozentangaben sind nur eine ungefähre Einschätzung und sollten nicht zu ernst genommen werden. […] Was man kann, ist großflächige geografische Räume festzulegen, aber so viel Prozent britisch, deutsch oder irisch, das sind Märchen. Das ist nicht korrekt.“(1) Zumal Menschen die Grenzen zwischen Staaten gezogen haben – mit der DNA hat das nichts zu tun.

Für den Privatgebrauch sind DNA-Tests zur „Entdeckung“ der eigenen „Ahnengeschichte“ bereits seit längerem erhältlich. Dabei entstehen riesige DNA-Datenbanken, die Unternehmen neben den eigentlichen Ahn*innenforschungsanliegen der Käufer*innen unter anderem „für interne Geschäftszwecke, zur Verbesserung und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, [und] zur Durchführung interner Datenanalysen“ verwenden können (AGB MyHeritage; 08.02.2021). Das Verlangen danach, mehr über die eigene Herkunft zu erfahren, wird somit für kommerzielle Zwecke mit nicht absehbaren Konsequenzen genutzt – die Käufer*innen zahlen dafür nicht nur mit viel Geld, sondern auch mit ihrer DNA – und somit gleichzeitig auch mit der DNA ihrer Angehörigen, was deren Rechte verletzt und etwa Krankenkassen und ähnlichen Playern neue Möglichkeiten der „Risikoermittlung“ erschließt. Die Weitergabe von Daten an Versicherungen und weitere Institutionen ist den AGB mehrerer Anbieter*innen zufolge derzeit nur mit Zustimmung der Käufer*innen möglich, was jedoch nicht für die Ewigkeit festgeschrieben sein muss. Das Risiko einer (zwangsweisen) Anzapfung derartiger Datenquellen durch entsprechende staatliche Erlasse ist ebenso real wie die Bedrohung durch Hacker*innenangriffe.

Im Kontext der Auswertung von DNA-Daten im Zuge strafprozessualer Ermittlungen ergeben sich zusätzliche Probleme: Erstens sind viele DNA-Spuren an Tatorten verunreinigt oder mit anderen DNA-Spuren vermischt und somit nicht eindeutig auswertbar. Zweitens sind die Proben geographisch nur so unspezifisch auswertbar, dass lediglich große Abweichungen in der DNA sauber identifiziert werden können. Somit sind nur Spuren, die zu Täter*innen mit von der Mehrheitsbevölkerung „abweichender“ DNA führen, in der polizeilichen Fahndung mit Mehrwert verwertbar. Aus diesem Grund ist auch die Nutzung genetischen Materials zur Fahndung nach Täter*innen anhand phänotypischer (also äußerlich erkennbarer) Merkmale wie Augen-, Haar- und Hautfarbe kritisch zu sehen, da sie Racial Profiling in ähnlicher Weise befeuert. Auch diese Merkmale sind bei der Fahndung nur hilfreich, wenn sie den Personenkreis, nach dem gefahndet wird, merklich einengt. Aufgrund des fehlenden Mehrwerts der Auswertung von DNA-Proben weißer Menschen zu Fahndungszwecken wird so in der Berichterstattung wie im Ermittlungsgeschehen selbst ein Fokus auf BIPoC gelegt. Die Validität der DNA-Auswertung zu Fahndungszwecken ist somit sehr begrenzt, bietet allerdings dennoch eine Grundlage für Racial Profiling, da die Polizei aufgrund der biogeographischen DNA-Analyse einen begründeten Verdacht von Tatverdächtigen etwa aus dem afrikanischen Raum aussprechen kann, der Fahndungserfolg bei diesen Personen somit wachsen dürfte und sich somit (straffällige) BIPoC häufiger in den Kriminalstatistiken wiederfinden werden.

Mit diesen „wissenschaftlichen“ Methoden im Rücken lassen Rechte schon jetzt Gesetze verabschieden. Wie real die Gefahr einer staatlichen Nutzung von DNA-Auswertungen zur Abstammung von Personen bereits heute ist, zeigt etwa der Freistaat Bayern. Dieser umgeht im BayPAG (Bayerisches Polizeiaufgabengesetz) die ansonsten hohen Nutzungsanforderungen an die DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamtes, indem er „zum Zwecke der Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters, [die Erfassung] des Geschlechts, der Augen-, Haar- und Hautfarbe, des biologischen Alters und der biogeographischen Herkunft des Spurenverursachers“ ermöglicht. (2,3,4,5) Diese Zwecke gehen weit über die reine 1:1-Überprüfung der Passung zweier Proben miteinander hinaus. Zwar scheiterte Bayerns Versuch, dies 2019 auch in der Strafprozessordnung des Bundes zu implementieren und somit bundesweit DNA-basiertes Racial Profiling zu ermöglichen. Eine im Koalitionsvertrag vereinbarte „Ausweitung“ der DNA-Analyse haben CDU und SPD in diesem Zuge allerdings bereits beschlossen.

Nach Recherchen von belltower.news gab es in Deutschland bis vor wenigen Jahren bislang eine Untersuchung der „biogeographischen Herkunft“: bei der Ermordung durch den NSU der Polizistin Michelle Kiesewetter. Die DNA deutete angeblich auf „eine Frau osteuropäischer Herkunft“ als Täterin hin, was Sintize und Romnja einem Generalverdacht aussetzte (mindestens 800 Personen mussten eine Speichelprobe abgeben). Die DNA stammte von einer Mitarbeiterin der Firma, die die Wattestäbchen für die forensische Abteilung der Polizei herstellte. Die NSU- Mörder*innen blieben unentdeckt, der Zentralrat der Sinti und Roma beklagte noch 2018, Minderheiten würden „dadurch pauschal kriminalisiert und massiv verdächtigt.“ (6)

Schlussendlich gilt: Humanität entsteht nicht durch Herkunft. Wer aufgrund seiner vermeintlich anteilig nicht-deutschen Herkunft glaubt, gegen Rassismus immun zu sein, weiß ebenso wenig über Humanität und Anstand wie der Blut-und-Boden-Nazi. Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht nach seiner Herkunft -weder im Stammbaum, noch in der DNA.

Die Jusos fordern daher alle Parteiinstanzen dazu auf, sich für die Einhaltung des geltenden Datenschutzrechts durch die Anbieter privater DNA-Tests einzusetzen. Das gilt insbesondere für den Grundsatz der Datenminimierung, der eine Anonymisierung der erhobenen Daten nach Abschluss des Auftrags der Käufer*innen vorschreibt, und für das Verbot, ohne Einwilligung der Käufer*innen Daten an Krankenkassen oder sonstige Dritte weiterzugeben. Es muss verhindert werden, dass umfangreiche Datenbanken mit den DNA-Informationen bestimmbarer Personen entstehen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Käufer*innen über die bestehenden Zweifel an der Aussagekraft der Analyseverfahren informiert werden. Die Rückführung auf bestimmte Nationalitäten ist nicht seriös und im Sinne des Verbraucher*innenschutzes zu untersagen.

Für den strafprozessualen Rahmen fordern die Jusos weiterhin, auch hier auf Tests zur methodisch umstrittenen Ermittlung der “biogeographischen Herkunft” zu Fahndungszwecken zu verzichten und auch die genetische Ermittlung von Haut-, Augen- und Haarfarbe zu Fahndungszwecken zu untersagen.. Ein direkter Abgleich zweier DNA-Proben miteinander, wie er bereits seit vielen Jahren zur Identifizierung von Täter*innen im Zuge von Ermittlungsverfahren vorgenommen wird, soll weiterhin möglich sein. Ein entsprechendes Verbot der Ermittlung der „biogeographischen Herkunft“ muss schließlich im Gefahrenabwehrrecht der Länder verankert werden. Vor allem bei der Prävention von Straftaten besteht sonst die Gefahr rassistischer Diskriminierungen. Regelungen wie Art. 32 Abs. 1 S. 2 BayPAG sind daher zu unterlassen bzw. aufzuheben.

 

Quellennachweise:

(1) https://taz.de/Genetiker-ueber-Herkunftsnachweise/!5550032/

(2) https://netzpolitik.org/2018/bayern-als-vorbild-polizei-soll-bald-nach-genetischer-herkunft-fahnden-duerfen/

(3) https://netzpolitik.org/2019/dna-ist-kein-augenzeuge-der-eine-aussage-machen-moechte/

(4) https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/vertiefte-dna-analyse-verbot-bayern-polizei-rechtsgrundlage-landesrecht-umgehung/

(5) https://www.dr-datenschutz.de/bayerische-polizei-nutzt-dna-analyse-schlupfloch-datenschutz-ja-mei/

(6) https://zentralrat.sintiundroma.de/racial-profiling-und-erweiterte-dna-analysen-in-kriminalpolizeilichen-ermittlungen/