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G1 Für eine lebensrettende Infrastruktur in Deutschland

2.09.2021

Welche Sofortmaßnahmen helfen bei Verbrennungen? Wie überprüfe ich die Vitalfunktionen, wie Bewusstsein, Atmung, Kreislauf? Was ist ein AED? Wie nehme ich überhaupt Kontakt zum Rettungsdienst auf? Hierbei handelt es sich um Fragen, die in einem Erste-Hilfe-Kurs besprochen werden und wo man konkrete Hinweise an die Hand bekommen würde. In Deutschland ist ein verpflichtender Erste-Hilfe-Kurs nach wie vor an den Erwerb des Führerscheins gekoppelt. Hierbei handelt es sich jedoch um ein veraltetes Modell. Nicht jede*r macht noch einen Führerschein und auch ist fraglich, warum der Erste-Hilfe-Kurs, wenn man ihn schon an den Führerschein koppelt, nicht in regelmäßigen Zeitabständen aufgefrischt werden muss. Die Bilanz zeigt, dass jede achte Person in Deutschland noch nie einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert hat und bei den anderen liegt er meist viele Jahre zurück. Auch haben wenige Menschen Kenntnis über Erste-Hilfe-Apps oder öffentliche Hilfsmittel wie einen Defibrillator. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele aus Angst und Unwissenheit etwas falsch zu machen in notwendigen Situationen nicht handeln. Doch feststeht: Das Einzige, was man falsch machen kann, ist nichts zu tun. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung könnten in Deutschland durch sofortige Hilfen von Laien jährlich bis zu 10.000 Menschenleben mehr gerettet werden.

Sensibilisierung der Gesellschaft

Bloß jede*r fünfte Deutsche traut sich die Ausübung von lebensrettenden Maßnahmen (Stoppen von starken Blutungen, bei Atemstillstand beatmen, Herzdruckmassage, etc.) zu. Die Reanimationsquote liegt hierzulande nur bei 40 Prozent, während der europäische Durchschnitt bei 52 Prozent liegt und in den skandinavischen Ländern sind es sogar 60 bis 80 Prozent. Expert*innen halten die Differenz für so groß, weil dort ein besseres Problembewusstsein herrsche und auch bereits in Schulen das Thema Erste-Hilfe behandelt wird. Überall kann etwas passieren: beim Sport, in der Kneipe, beim Reisen, im Haushalt, auf der Arbeit oder im Verkehr. Durch das Gesetz sind wir verpflichtet zu helfen, sonst drohen Strafen, aber haben wir verlernt Hilfe zu leisten?

2016 war der Fall einer Bankfiliale in Essen in vielen Medien zu sehen und hat eine Diskussion rund um das Thema Erste-Hilfe ausgelöst. Ein sterbender Mann war im Vorraum der Bank von weiteren Kund*innen ignoriert worden. Keine*r wollte helfen. Der Mann starb eine Woche später an den Folgen seines Zusammenbruchs und die Augenzeug*innen mussten eine Geldstrafe zahlen. Alle gaben an, dass sie dachten, es handele sich um einen schlafenden Obdachlosen. Doch obdachlos oder nicht, warum sind viele in der Gesellschaft nicht bereit zu helfen oder trauen sich noch nicht mal auf dem Boden liegende Menschen zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Auch zahlreiche Autounfälle werden von Menschen in vorbeifahrenden Autos zwar gerne bestaunt, geholfen oder zumindest der Notruf gewählt, wird nur selten. „Das macht schon wer anders.“

In vielen Fällen kommen Menschen erst auf die Idee ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse aufzufrischen, wenn sie selbst in eine unvorhergesehene Situation gekommen sind oder selbst Hilfe in Anspruch nehmen mussten. So gab es laut des Deutschen Roten Kreuzes eine hohe Nachfrage an Erste-Hilfe-Kursen nach der „Loveparade-Katastrophe“ in Duisburg. Doch warum gehört es in unserer Gesellschaft nicht völlig selbstverständlich dazu, dass beispielsweise alle fünf Jahre ein Erste-Hilfe-Kurs besucht wird.

Außerdem sollte es in den Schulen selbstverständlich zu den Lehrinhalten gehören. Etwa im Rahmen einer Projektwoche o.Ä. Denn je früher Menschen selbstverständlich mit dem Begriff Helfen konfrontiert werden, desto größer ist auch die Bereitschaft im Ernstfall wirklich Hilfe zu leisten. Auch wird das Gelernte zu Hause den Eltern oder Geschwistern gezeigt, wodurch das Thema insgesamt an Präsenz in deutschen Haushalten gewinnt. Außerdem besteht auch ein Eigeninteresse der Schulen an einem ganzheitlichen Erste-Hilfe-Konzept für Schulen, denn im Zuge des Ganztags spielt sich auch immer mehr Leben am Lernort Schule ab. Die Anzahl an Schulunfällen ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen, während jedoch bei Betrieben eine Ersthelfer*innen-Quote gesetzlich festgelegt ist und andere Auflagen für den Notfall erfüllt werden müssen, gibt es für Schulen keine einheitlichen Regelungen. Es reicht also nicht, wenn nur Sportlehrer*innen über ein Zertifikat verfügen.
Auch kommt der Rettungsdienst in Deutschland oft an seine Grenzen. Die Einsatzzahlen nehmen, bei gleichzeitig steigendem Personalmangel, zu. Das System Notfallversorgung krankt an vielen Stellen und in vielen Orten. Es wird daher immer wichtiger, dass wir als Laien in der Lage sind Wartezeiten zu überbrücken und uns gegenseitig zu helfen. Zehn Minuten können wertvolle Zeit für einen verletzten Menschen sein. Durch die stetige Übung in Kursen werden gewisse Abläufe, Techniken oder Handgriffe erlernt und die Teilnehmer*innen werden sich so auch ruhiger und überlegter in Extremsituationen verhalten können. Dabei geht es zu keinem Zeitpunkt etwa darum die Arbeit der Sanitäter*innen oder eine*r Notärzt*in zu übernehmen. Aber es fängt bereits beim richtigen Sichern einer Unfallstelle an. Durch Rollenspiele kann das Telefongespräch mit der Notzentrale erprobt werden. Was für Informationen sind relevant und gebe ich weiter? Welche Körpersignale deuten auf welches Krankheitsbild hin. Es geht darum, Menschen zu ermutigen im Ernstfall zu*r Lebensretter*in zu werden und Ängste und Hemmschwellen abzubauen.

Digitalisierung auch in der Ersten Hilfe!

Viele Orte verfügen bereits über die sogenannten Automatisierten Externen Defibrillatoren (AEDs). Es handelt sich dabei um ein hoch technisch entwickeltes Gerät, das den Herzrhythmus selbstständig analysiert und entscheidet, ob ein Impuls notwendig ist. Nur wenn erforderlich, wird diese Funktion des Gerätes freigegeben und die Anwender*innen mittels Sprachanweisung aufgefordert, den Impuls per Knopfdruck auszulösen. Eine wichtige Errungenschaft in der Ersten-Hilfe, denn der plötzliche Herztod, ausgelöst durch Kammerflimmern, ist außerhalb von Krankenhäusern die häufigste Todesursache. Meist ohne vorherige Anzeigen versterben jährlich über 100.000 Menschen am plötzlichen Herzstillstand. Die Erste-Hilfe in den ersten Minuten, vor allem mit Hilfe des Laien-Defibrillators, hat eine enorme Relevanz, denn das Gehirn beginnt bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand bereits nach nur drei bis fünf Minuten ohne Blutfluss unwiederbringlich zu sterben. Das Warten von bis zu 15 Minuten auf den Krankenwagen muss überbrückt werden.  Der Schockgeber kann hier die übliche Reanimation unterstützen. Durch ein leicht verständliches Display und akustische Aussagen werden Anweisungen zur Reanimierung gegeben. Das Gerät ist extra für Laien konzipiert! Dennoch trauen sich laut Umfragen nur 50% die Verwendung zu. Hier muss, wie bereits angesprochen, die Teilnahmefrequenz an den Erste-Hilfe-Kursen steigen und auch ist es besonders wichtig, dass die AEDs verpflichtend an möglichst vielen Orten (vor allem an Risikoorten wie Fitnessstudios, Bahnhöfen, etc.) zur Verfügung stehen. Auch ist vielen nicht bewusst, dass sie ihr Smartphone mit Erste-Hilfe-Apps ausstatten und so in Notfallsituationen benutzen können.  Diese sind von den bekannten Rettungsdiensten entwickelt worden, und erklären mit Hilfe von Bildern und sprachlichen Anweisungen, welche Handlungen Schritt für Schritt nötig sind. Bei vielen Anwendungen ist auch ein Notruf-Assistent integriert oder spezielle Notrufnummern wie die Giftnotrufzentrale o.Ä.

Längst haben, bis auf einige Ausnahmesituationen, die Smartphones die Notrufsäulen abgelöst. Jedoch nicht, wenn man sich die speziell entwickelte Notrufsäule vom US-Konzern Google anschaut. Diese hat die Möglichkeit eine Drohne zur medizinischen Versorgung anzufordern. So haben Menschen die Möglichkeit diese Drohne mit Defibrillatoren, Pulsoximetern, Inhalatoren und Medikamente wie Adrenalin oder Insulin zu erhalten. Die Drohne soll direkt zum Unfallort fliegen und medizinische Unterstützung liefern, bevor Rettungssanitäter*innen vor Ort sind. Auch soll über die Notrufsäule der direkte Austausch mit eine*r Rettungsassitent*in möglich sein. So wird lebenswichtige Zeit gewonnen wie in Fällen eines anaphylaktischen Schocks.

Zusammenfassung

Wie der Antrag gezeigt hat, kann jede*r den Ausgang eines Notfalls beeinflussen und zum Überleben des Opfers beitragen. Dabei gibt es vielfältige Möglichkeiten bei der Ersten-Hilfe und auch neue Technologien können uns dabei unterstützen.

Deshalb fordern wir:

  • Die fachlich fundierte Thematisierung von Erste-Hilfe an KiTa’s und Schulen.
  • Öffentliche Kampagnen zur Sensibilisierung der Gesellschaft zu helfen und die Relevanz von Erste-Hilfe Kenntnissen ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken.[1]
  • Zum Erhalt des Führerscheins muss der Erste-Hilfe-Kurs alle fünf Jahre wiederholt werden.
  • Flächendeckender Zugang zu Automatischen Externen Defibrillatoren (AED). Besonders an öffentlichen Orten mit großer Menschenansammlung (Bahnhöfen, Flughäfen, etc.) oder an Orten mit besonders hohem Risikofaktor (Fitnessstudios, Sporthallen, etc.).
  • Defibrillations- und Insulindrohnen im ländlichen Raum einführen.
  • Europäische Standards für Erste-Hilfe.
  • Erste-Hilfe-Fortbildungspflicht für Erzieher*innen, Lehrer*innen und Trainer*innen.
  • Forschungsgelder für den Ausbau digitaler Hilfen in der Ersten-Hilfe (Drohnen, AED, etc.)

 

[1] Ähnlich wie bei der Kampagne zur Bildung einer Rettungsgasse auf Autobahnen.

F6 Powerhäuser? Nicht mit uns! – Für dezentralen, bedarfsgerechten Gewaltschutz für Frauen

2.09.2021

Triggerwarnung: Im Folgenden wird (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen* und Kinder thematisiert.

Als feministischer Verband finden wir es wichtig und richtig, dass die schwarz-gelbe Landesregierung den Gewaltschutz für Frauen* in Nordrhein-Westfalen voranbringen und stärken möchte. Die Förderung der Hilfs- und Beratungsstrukturen von der Landesseite ist unumgänglich, um eine flächendeckende Versorgung in ganz NRW zu gewährleisten. Unterstützungsangebote für Frauen* müssen vorhanden sein und in Anspruch genommen werden können – egal, ob in der Stadt oder in ländlichen Regionen. Sowohl während der Pandemie als auch unabhängig von dieser muss der Schutz von Frauen*, die Gewalt erfahren haben, jederzeit sichergestellt sein.

Als Jungsozialist*innen ist es unser erklärtes Ziel, die Unterstützungsleistungen für von Gewalt betroffene Frauen* und Kinder auszubauen. Allerdings teilen wir nicht das Verständnis der Landesregierung, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Einige Pläne des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung unter Leitung von Ministerin Scharrenbach sehen wir kritisch.

Zunächst wird vom Ministerium anerkannt, dass viele Menschen, denen Gewalt widerfahren ist, nicht wissen, an wen sie sich diesbezüglich wenden können. Häufig herrscht wenig bis keine Information darüber, welche Beratungs- und Schutzeinrichtungen professionelle Hilfe für Betroffene leisten. Zudem könne die Vielfalt und Differenziertheit der Unterstützungsangebote laut dem Ministerium zu einem Problem werden: zum einen könnte eine organisatorisch niedrigschwellige Versorgung für Menschen, die Beratung und Schutz von verschiedenen Stellen in Anspruch nehmen, erschwert sein. Zum anderen seien die Wege zu unterstützenden Einrichtungen aufgrund der Komplexität des Hilfssystems oft weit und schwierig zu erreichen.

Um diesen Problemen entgegenzuwirken, hat Gleichstellungsministerin Scharrenbach unterschiedliche Maßnahmen formuliert, die im Rahmen des sogenannten „Nordrhein-Westfalen-Pakt gegen Gewalt“ verwirklicht werden sollen. In einem ersten – noch nicht endgültigen – Entwurf des Anti-Gewalt-Paktes ist die Etablierung sogenannter „Powerhäuser“ vorgesehen, die der Weiterentwicklung des Gewaltschutzes für Frauen* dienen sollen. In den Powerhäusern will die Landesregierung diverse Hilfsangebote an einem Ort zentralisieren. Verschiedene Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen, die auf unterschiedliche Gewaltformen spezialisiert sind, sollen unter einem Dach zusammengebracht werden. Dadurch sollen die Einrichtungen an Bekanntheit gewinnen und der organisatorische sowie räumliche Zugang zu diesen soll erleichtert werden. Neben Unterstützungsangeboten für Frauen* und Kinder sollen auch Stellen gegen Gewalt gegen Männer und die Arbeit mit Täter*innen in den Powerhäusern einen Platz finden.

Umfassende, barrierefreie Information statt Zentralisierung

Als Jusos erkennen wir das Problem an, dass die nordrhein-westfälische Bevölkerung nicht hinreichend über Hilfsangebote und Beratungsstrukturen bei Gewalterfahrung informiert ist. Daran möchten wir entschieden arbeiten. Die geeignete Lösung für eine bessere Information kann aber nicht sein, die verschiedenen unterstützenden Stellen an einen Ort zu verlagern.

Wir wollen durch andere Maßnahmen auf die Angebote aufmerksam machen. Professionelle Hilfe bei Gewalterfahrung muss barrierefrei und inklusiv gestaltet sein. Das inkludiert sowohl vor Ort für einen Zugang ohne Treppen zu sorgen als auch auditive Informationen und Brailleschrift zu berücksichtigen. Informationen müssen in einfacher Sprache bereitgestellt sein, damit sie für alle Menschen verständlich sind – egal, welchen Hintergrund eine Person hat. Zusätzlich muss auf verschiedenen Sprachen aufgeklärt werden, um beispielsweise auch migrantisierte und geflüchtete Frauen* zu erreichen. Auch die spätere Beratung und Therapie muss muttersprachlich möglich sein, damit betroffene Frauen* ihre Erfahrungen und Gefühle schildern können, ihnen Angst genommen wird und mögliche Hemmnisse abgebaut werden. Das bedeutet auch, die Kosten für Dolmetscher*innen bereitzustellen, was bislang nicht immer der Fall ist. Damit alle Menschen und insbesondere Mitglieder der LGBTQI+ Community wissen, an welche Stellen sie sich wenden können, muss darüber auf Websites und Broschüren der Einrichtungen informiert werden.

Informationen über die verschiedenen Hilfsangebote müssen über ganz verschiedene Kanäle an von Gewalt Betroffene gelangen. Dazu zählen leicht verständliche Plakate und Broschüren an öffentlichen Orten, aber auch Information und Gewaltprävention in Schulen oder Unterkünften, wo beispielsweise geflüchtete Menschen untergebracht sind. Nur so kann beachtet werden, dass die Hürde, Hilfe in Anspruch zu nehmen, so niedrig wie möglich ist. Selbstverständlich muss im 21. Jahrhundert neben der analogen Welt auch über Social Media informiert werden.

Keine Bedarfsgerechtigkeit mit Powerhäusern!

Dass Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen für viele Frauen* aufgrund von weiter Entfernung und schlechtem Anschluss nicht gut zu erreichen sind, ist eine weitere Schwierigkeit, der wir uns widmen müssen. Allerdings lösen Powerhäuser dieses Problem nicht, sondern verstärken es. Durch zentralisierte Stellen an einem Ort wird kein flächendeckendes Angebot gewährleistet, dass Frauen* in allen Regionen Zugang zu Hilfe ermöglicht – so kann keine wohnortnahe Versorgung garantiert werden. Infolgedessen ist die Erreichbarkeit der Powerhäuser vor allem für Frauen*, die aufgrund ihres Alters, einer Erkrankung oder finanziellen Gründen weniger mobil sind, nicht sichergestellt. Auch Frauen* mit Kindern, die diese nicht aus ihrem gewohnten Umfeld (mit Schule und KiTa) reißen wollen, möchten wohnortnah untergebracht werden. Die Wege zu den Powerhäusern sind für viele Frauen* teurer und weiter, sodass insbesondere für Frauen* aus dem ländlichen Raum ohne Auto aufgrund von unzureichender ÖPNV-Anbindung weitere Schwierigkeiten entstehen. Die räumliche Niedrigschwelligkeit, die sich die Landesregierung durch die Zentralisierung der Hilfsangebote erhofft, wird in vielen Fällen nicht erfüllt werden können. Zudem schränken Powerhäuser die Wahlfreiheit der Betroffenen ein, die bei ihrer Hilfesuche gegeben sein muss.

Die Beratungsstruktur würde durch die Zentralisierung nicht nur räumlich nicht mehr bedarfsgerecht sein. Um die Bedarfsgerechtigkeit der Unterstützungsangebote zu bewahren, muss ihre Komplexität und Differenziertheit aufrechterhalten werden. Wesentlich dafür ist die Autonomie und Diversität der verschiedenen Träger und Kooperationspartner*innen, denn nur mit einer Vielfalt an Angeboten kann auf die Vielfalt an Bedarfen reagiert werden. Vom Patriarchat marginalisierte Gruppen wie Frauen*, die Gewalt im Migrations- und/oder Fluchtprozess erfahren haben, Frauen* mit Behinderung, illegalisierte Frauen*, Frauen mit psychischen und/oder physischen Erkrankungen, Menschen, deren geschlechtliche Identität und Sexualität nicht der heteronormativen Vorstellung entspricht, und weitere müssen durch differenzierte, spezialisierte Beratung Berücksichtigung für ihre spezifischen Bedürfnisse finden.

Eine Vernetzung der Hilfsangebote untereinander ist essenziell, um die Versorgung von Betroffenen bestmöglich zu gewährleisten. Verschiedene Einrichtungen an einem Ort unterzubringen, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, um Vernetzung zu erreichen. Diese muss durch die Erhöhung finanzieller, zeitlicher und personeller Ressourcen ermöglicht werden.

Powerhäuser bedeuten Unsicherheit für Frauen*

Um eine Erhöhung der Sicherheit für von Gewalt betroffene Frauen* zu erreichen, wie sie sich die nordrhein-westfälische Landesregierung von der Etablierung der Powerhäuser verspricht, ist es gerade wichtig, dass Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen an unauffälligen Orten gelegen sind. Wenn betroffene Frauen* Unterstützung in Anspruch nehmen, ist dies eine private und persönliche Angelegenheit, von der nicht jede und jeder wissen muss, wenn dies nicht gewünscht ist. In vielen Fällen ist es gerade diese Privatsphäre, die Leben rettet, wenn eine Frau* vor Gewalt in den eigenen vier Wänden flüchten muss. Diskretion und Privatsphäre können besser bewahrt werden, wenn Hilfsangebote dezentral und nicht an einem Ort lokalisiert sind. Plan des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung ist es, zahlreiche Beratungsstellen, Behörden, Schutzeinrichtungen und Kooperationspartner*innen unter einem Dach anzuordnen, sodass ein solches Gelände riesig und auffällig wäre. Die Landesregierung strebt an, einen hohen Bekanntheitsgrad für die Powerhäuser zu erreichen, sodass jede*r über die dort ansässigen Unterstützungsangebote für Gewaltschutz Bescheid wüsste. Frauen*, Mädchen* und Kinder, die zu einem Powerhaus laufen oder mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, könnten dabei beobachtet oder im schlimmsten Fall verfolgt werden. Ihre Privatsphäre und Anonymität werden verletzt, ihr Schutz wird bedroht. Weil Sicherheit für Frauen* und insbesondere für von Gewalt betroffene Frauen* für uns als feministischen Verband gewährleitet werden muss, lehnen wir eine Zentralisierung der Hilfsangebote entschieden ab, denn diese gefährden die Sicherheit von Frauen* und Kindern.

Ungleiches auch ungleich behandeln!

Die Unsicherheit, die Frauen* durch eine Zentralisierung der unterstützenden Einrichtungen widerfährt, wird darüber hinaus dadurch verstärkt, dass Täter*innenarbeit und Gewaltschutz für Männer ebenso Raum in den Powerhäusern finden sollen. Ohne die Bedeutung von Täter*innenarbeit negieren zu wollen, darf diese keinen Platz an dem Ort haben, an dem von Gewalt betroffene Frauen* Schutz suchen. Der safer space, den Frauen*beratungsstellen und Frauen*häuser für Betroffene aufbauen, wird durch die Präsenz der (überwiegend männlichen) Täter*innen und Hilfsangebote für Männer stark bedroht.

In einer heteronormativen Gesellschaft mit patriarchalen Machtverhältnissen wie der unseren muss geschlechtsspezifische Gewalt anerkannt werden. Frauen* werden häufiger gestalkt und sexuell belästigt. Catcalling gehört für viele Frauen* zum Alltag. Das Ermorden von Frauen* aufgrund ihres Frau*seins, Femizide, haben einen Namen bekommen. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend waren etwa 115.000 der 141.792 erfassten Opfer von Partnerschaftsgewalt im Jahr 2019 weiblich, was mehr als 81% ausmacht. Von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexuellen Übergriffen in Paarbeziehungen waren zu 98,1% Frauen* betroffen. 76,4% der Opfer von Mord und Totschlag in Partnerschaften waren weiblich. Gewalt gegen Frauen* und Gewalt gegen Männer darf niemals gleichgesetzt werden und muss ungleich behandelt werden, denn sonst wird Gewalt gegen Frauen* verharmlost.

Trotzdem muss auch die Existenz von Gewalt gegen Männer anerkannt werden – sie ist Realität und wird häufig nicht wahrgenommen und ausgeblendet. Um für von Gewalt betroffene Männer Unterstützungsangebote bereitzustellen, die ihren Bedarfen entsprechen, ist es umso wichtiger, zwischen Gewalt gegen Frauen* und Gewalt gegen Männer zu differenzieren. Nur so können spezifische Hilfsleistungen für Männer geboten werden, die an ihre männlich sozialisierten Lebenswelten anknüpfen.

Aus unserer Sicht lässt sich durch viele Punkte, die im Rahmen des „Nordrhein-Westfalen-Pakts gegen Gewalt“ vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung formuliert werden, das eigentliche Ziel des Paktes nicht erreichen: mehr Gewaltschutz für Frauen*. Einige Maßnahmen erschweren die Situation für Frauen*, statt sie zu verbessern. Insbesondere die angestrebten Powerhäuser sind ein Schritt zurück für alle, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für den Schutz von Frauen* einsetzen. Wir solidarisieren uns mit den Verbänden, Kooperationspartner*innen und Trägern, die die geplante Zentralisierung der Hilfsangebote ablehnen.

Wir fordern:

  • Umfassende Information und Aufklärung über Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Menschen: barrierefrei, in zahlreichen Sprachen und über verschiedene analoge sowie digitale Kanäle verbreitet.
  • Die Sicherstellung der Übernahme von Kosten für Dolmetscher*innen, wenn diese bei der Beratung und dem Schutz von von Gewalt Betroffenen benötigt werden.
  • Dass die Versorgung von von Gewalt betroffenen Menschen bedarfsgerecht nach den Maßgaben der Istanbulkonvention für alle Menschen zugänglich ist. Die Umsetzung von zentralisierten Powerhäusern lehnen wir ab, um flächendeckend und insbesondere in ländlichen Regionen Gewaltschutz zu garantieren.
  • Dass die Sicherheit von Frauen* und Kindern an oberster Stelle stehen. Da die geplanten Powerhäuser den Schutz von betroffenen Frauen* und Kindern bedrohen, fordern wir, dass Hilfsangebote weiterhin dezentral organisiert und lokalisiert bleiben.
  • Dass die Differenziertheit und Komplexität von Hilfsstrukturen bewahrt bleibt, um bedarfsgerechte Unterstützung zu gewährleisten.
  • Dass Gewalt gegen Frauen* und Gewalt gegen Männer differenziert betrachtet und behandelt werden. Täter*innenarbeit und Schutz von Frauen* und Kindern, denen Gewalt widerfahren ist, darf niemals am gleichen Ort stattfinden.

F4 "If it isn’t intersectional, it isn’t feminism" - Gegen antimuslimischen Rassismus im Feminismus

2.09.2021

Antimuslimischer Rassismus ist in unserer Gesellschaft sehr präsent. Nicht nur für muslimische Menschen, auch für die, die als muslimisch gelesen werden.

Er funktioniert durch eine grundlegende Abgrenzung: Die einen, die vermeintlich der Mehrheitsgesellschaft angehören, und die anderen. Dieses Othering meint „Strategien und Rhetoriken, die allesamt dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf Prozesse der Rassifizierung, also der Konstruktion als ‚Andere‘, aufbauen“ (Ozan Zakariya Keskinkilic). Aufgrund des Aussehens, des Namens und/oder der zugeschriebenen Herkunft werden Menschen als muslimisch eingeordnet und kollektiv mit Zuschreibungen versehen. Im Zuge der Abgrenzung bzw. des Othering entsteht so ein Rassismus ohne Rassen (Étienne Balibar), bei dem nicht die Biologie, sondern die Kultur als zentrale Differenz gesehen wird. Eine Kultur, die scheinbar integrationsunwillig, gewalttätig, aber auch sexistisch und frauenfeindlich geprägt ist. Insbesondere der Sexismus wird in diesem Narrativ als Wesenszug des Islam erklärt. So entsteht im antimuslimischen Rassismus ein klares Bild, das die einen zugleich auf- und die anderen abwertet. Auf der einen Seite steht der aufgeklärte, tolerante und fortschrittliche Westen und ihm gegenüber der Islam als rückständig, frauenfeindlich, irrational.

Auch im Feminismus existiert antimuslimischer Rassismus. Zu oft prägen (weiße) Feminist*innen das Narrativ des „muslimischen Mannes“, der rückständig und frauenverachtend ist. Oft wird der „muslimische Mann“ als Macho und Bedrohung für Frauen in westlichen Ländern dargestellt. Auf der anderen Seite sind die muslimischen Frauen, die unterdrückt werden und nicht emanzipiert sind. Feminist*innen sehen sich oft als white saviors für muslimische Frauen. Als Symbol der Unterdrückung gilt das „Kopftuch“ und wird somit zur Projektionsfläche für antimuslimischen Rassismus im Feminismus.

Besonders bei Feminist*innen der sogenannten Zweiten Welle (Frauenbewegung der 60er und 70er Jahre) ist antimuslimischer Rassismus verbreitet. Als wohl bekanntestes Beispiel gilt Alice Schwarzer. Immer wieder hetzt sie gegen das „Kopftuch“ und bezeichnet es „als Flagge des militanten Islamismus“. Frauen, die einen Hijab tragen, sind für Schwarzer per se unterdrückt. Weiter thematisiert sie immer wieder die Gefahr für Frauen in Deutschland durch muslimische Männer. Die Täter der Silvesternacht 2015 nannte sie „fanatisierte Anhänger des Scharia-Islam“, die den deutschen Staat gedemütigt hätten.

Auch wenn sich im materiellen Feminismus schon einiges bewegt hat, findet sich auch dort verbreitet antimuslimischer Rassismus. Die starke Fokussierung auf das Subjekt „Frau“ führt teilweise zu einer Ablehnung des Intersektionalen Feminismus und so werden oft queerfeministisch und/oder antirassistische Perspektiven vernachlässigt. Antimuslimischer Rassismus im Feminismus tritt oft auf durch Paternalismus gegenüber muslimisch markierten FINTA. Wie z.B. Koschka Linkerhand, Vertreterin des materiellen Feminismus, die schrieb: „da die (ex)muslimischen Feministinnen […] ihre Forderungen meist unter sehr hohem persönlichem Einsatze vertreten […] bleibt es vorderhand die Aufgabe westlicher Frauenrechtlerinnen, diesen Realuniversalismus der Moderne feministisch auszuloten.“

Immer wieder in der Kritik ist auch die Frauen-Menschenrechtsorganisation Terre des femmes. Vor allem durch transfeindliche Haltungen wird Terre des femmes häufig kritisiert, aber eben auch durch rassistische. Auch für Tdf ist die Bekämpfung des „Kopftuchs“ zentral. 2018 starteten sie zum Beispiel die Petition “Den Kopf frei haben”, für ein Kopftuchverbot für Mädchen in Schulen und Kindergärten.

Intersektionaler Feminismus darf für uns im Verband nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, er muss auch gelebt werden. Dazu gehört die Anerkennung, dass FINTA, die einer marginalisierten Gruppe angehören, nicht nur der Ungleichheit durch ihr Geschlecht ausgesetzt sind, sondern sich ihnen durch weitere diskriminierungsbehaftete Merkmale Ungleichheiten in den Weg stellen.

Wir erkennen also an, dass marginalisierte FINTA, nicht nur durch Sexismus, sondern auch durch Rassismus, Ableismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Klassismus ungleich behandelt werden.

Wir wollen patriarchale Strukturen aufbrechen und hinter uns lassen. Das Problem ist aber: Beim weißen cis Feminismus kommt es nur zu einer Verschiebung der patriarchalen Strukturen. So gibt es Ungleichheiten zwischen weißen und nicht-weißen FINTA. Unter den wenigen FINTA in Führungspositionen gibt es noch weniger FINTA of Color, was eine direkte Folge der mehrfach  Diskriminierung (oder intersektionalen Diskriminierung) ist.

Als intersektionale Feminist*innen verurteilen wir unter anderem das neue Neutralitätsgesetz, dass es ermöglicht, FINTA aufgrund des Kopftuchs die Einstellung zu verweigern.

Wer sich für die Berufsausübung als Lehrerin oder Juristin etc. qualifiziert hat, muss auch das Recht haben, den Beruf als die Person auszuüben, die sie ist. Das Argument, dass die Neutralität durch ein religiöses Symbol, wie das Kopftuch (Hijab), nicht mehr geboten ist, ist außerdem unhaltbar.

Es ist ein Skandal, dass für die Geltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 GG sowie der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG für kopftuchtragende FINTA gekämpft werden muss.

Die Geltung ihrer Grundrechte muss selbstverständlich sein.

Berufsverbote bewirken gesellschaftliche Ausgrenzung und Unterdrückung. Es schiebt kopftuchtragenden FINTA einen Riegel vor die Tür zur Entscheidungsfreiheit. Wenn sie davor stehen einen Berufsweg zu wählen, darf die Entscheidung nicht zwischen Glauben und Beruf gefällt werden. Das eine darf das andere nicht verhindern.

Wir stehen gegen Berufsverbote und für gesellschaftliche Inklusion.

Wir Jusos sind ein antirassistischer Verband. Jegliche Formen von Rassismus, dazu zählt auch antimuslimischer Rassismus, werden abgelehnt und bekämpft. Genau das, sollte stets in der Arbeit unseres Verbands widergespiegelt werden. Dementsprechend verpflichtet sich der Landesverband dazu sich mit Referent*innen, die er zu seinen Veranstaltungen einladen möchten kritisch auseinanderzusetzen. Sollten antimuslimisch rassistische Aussagen von Referent*innen bekannt sein oder bekannt werden, so werden diese nicht eingeladen oder sie werden ausgeladen und ihnen wird keine Bühne geboten.

Bekanntermaßen gibt es einige wichtige Feminist*innen, wie bspw. Koschka Linkerhand, die eine grundlegende Arbeit für unseren Feminismus geleistet haben, sich aber antimuslimisch rassistisch äußern. In solchen Fällen sollten keine Feminist*innen und all ihre Arbeit aufgrund von antimuslimisch rassistischen Aussagen komplett abgelehnt werden. Da Teile ihrer Arbeit eine große und wichtige Rolle für unseren Feminismus spielen, müssen wir uns auch weiterhin mit diesen beschäftigen. Das bedeutet aber, dass immer auf antimuslimisch rassistische Aussagen in Texten und Aussagen aufmerksam gemacht werden muss und ein kritisches Bewusstsein geschaffen werden muss.

Für uns ist klar: Als Verband dürfen wir uns nicht nur intersektionalen Feminismus auf die Fahne schreiben, wir müssen ihn auch leben!

E2 Bundeswehr: Nie aus Geldnot und nur mit Moral!

2.09.2021

Mit eigenen YouTube-Serien wie “Die Rekruten”, „Mali“ oder „Besatzung Bravo“ und dem gefühligen Slogan “Wir.dienen.Deutschland.” wirbt die Bundeswehr um Interessierte – insbesondere um junge Menschen ab 17 Jahren. Mit der Realität im Krieg und bewaffneten Konflikten hat beides wenig zu tun – Gefährdungen wie posttraumatischer Belastungsstörungen(PTBS) oder Tod und Verwundung kommen dabei zu kurz und werden in Berufsinformationen gar nicht erwähnt. Dabei kann die Entscheidung für eine Berufstätigkeit bei der Bundeswehr weitreichende Folgen für das eigene Leben und die eigene Gesundheit nach sich ziehen.

Mit der langjährigen Verpflichtung stellen sich auch die Weichen hier bereits sehr früh. Aufgrund der verknüpften ethischen Fragen sollten Angehörige der
Bundeswehr ihr eigenes Verhältnis zur Bundeswehr gerade in jungen Jahren jederzeit neu bewerten dürfen. Dies jedoch ist durch hohe
Rückzahlungsforderungen im Falle einer vorzeitigen Auflösung der Verpflichtung nicht gegeben.

Aus diesen Umständen leiten wir folgende Forderungen für die Bundeswehr und die dortige Ausbildung ab:

Ethisch-moralische Fragen thematisieren – wieder und immer wieder!

Durch den Auftrag der Bundeswehr nach Art. 87a GG und die daraus resultierende Vorbereitung auf und die aktive Teilnahme an bewaffneten Konflikten werden bei der Bundeswehr angestellte Menschen zwangsläufig an diesen Konflikten auf unterschiedlichste Weise beteiligt. Die Beteiligten müssen sich der Reich- und
Tragweite solcher Konflikte bewusst sein, denn diese nehmen einen immanenten Teil der Aktivitäten der Bundeswehr ein und bedürfen einer kontinuierlichen
Legitimation und kritischen Auseinandersetzung. Moralische und ethische Angelegenheiten im Sinne des Völkerrechts der Menschenrechte, des deutschen und europäischen Demokratieverständnisses und der Vereinten Nationen müssen bei einer Auseinandersetzung zentraler Bestandteil sein und bleiben. Die Grundkenntnisse dieser Themen, die während der Schulzeit vermittelt werden, reichen dafür nicht aus und erweiterte Kenntnisse können nicht vorausgesetzt
werden. Die derzeitigen Schulungs- und Bildungsangebote der Bundeswehr zu diesen Themen werden dem Spektrum und Umfang nicht gerecht. Die bisherigen Maßnahmen, wie die befristeten Lehrveranstaltungen zu diesem Thema während der Ausbildungsphasen und ein obligatorisches Bekenntnis zum deutschen Grundgesetz, genügen ebenso wenig. Daher bedarf es zusätzlicher Schulungs- und Bildungsmaßnahmen während der Arbeits- und Berufsverhältnisse. Es sollen
vertieft Inhalte der Ethik und Moral behandelt werden, um so den Beteiligten eine erweiterte Perspektive ermöglichen zu können. Diese Bildungsangebote sollen
regelmäßig und verpflichtend für alle bei der Bundeswehr beschäftigten Menschen stattfinden.

Wir fordern daher, das Angebot an Schulgängen, Seminaren, Unterrichtseinheiten und weiteren Lehrgängen mit dem Schwerpunkt Ethik und Moral auszubauen bzw. eine stärkere Auseinandersetzung mit diesem Thema. Um die damit verknüpften Fragestellungen dauerhaft im Bewusstsein zu halten, fordern wir eine
verpflichtende regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Lehrgängen während der gesamten Berufslaufbahn innerhalb der Bundeswehr. Dies betrifft neben
Soldat*innen auch Menschen in zivilen Berufslaufbahnen, Ausbildungen und Studiengängen der Bundeswehr.

Probezeit verlängern!

Der Dienst in der Bundeswehr geht meiste mit einer Verpflichtungzeit von 12 oder 13 Jahren einher. Dabei besteht derzeit eine sechs monatige Probezeit, in der
die Soldat*innen ihren Dienstvertrag widerrufen und ohne Rückzahlungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis aussteigen können. Wir wollen die Möglichkeit des
problemlosen Ausstiegs für junge Angehörige der Bundeswehr zeitlich ausweiten. Deshalb fordern wir, die bestehende Probezeit mit einem einseitigen
Kündigungsrecht für den*die Soldat*in bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres zu verlängern. Somit steht es jungen Erwachsenen in einer entscheidenden
Lebensphase länger frei, ihren beruflichen Weg neu zu wählen.

Keine Rückzahlung von Ausbildungskosten!

Bildung sollte grundsätzlich kostenfrei sein. Das gilt insbesondere für staatliche Bildungseinrichtungen, und somit auch für Bildungseinrichtungen der
Bundeswehr. Derzeit ist das aber nicht gegeben, denn Soldat*innen, die eine Fachausbildung beim Bund absolviert haben, gehen damit eine Wehrverpflichtung
von in der Regel 13 Jahren ein. Wenn sie dieser zu einem späteren Zeitpunkt nicht nachkommen möchten, müssen sie die Ausbildungskosten anteilig
zurückzahlen. Wir fordern hier ein Umdenken: Die Berufsausbildung bei der Bundeswehr muss von einer Wehrverpflichtung nach Ausbildungsabschluss entkoppelt werden. Der Zugang zu Bildung darf auch bei der Bundeswehr nicht an andere Bedingungen geknüpft werden als bei zivilen staatlichen Bildungseinrichtungen. Stattdessen muss die Entscheidung, ob sie nach ihrer Ausbildung weiterhin beim Militär arbeiten möchten oder nicht, den Einzelpersonen zurückgegeben werden, genau, wie es auch auf dem regulären Arbeitsmarkt der Fall ist. Gerade die Entscheidung für eine militärische Laufbahn sollte jederzeit frei und ohne finanzielle Zwänge aufgekündigt werden können. Daher: Ausbildung nicht länger an Wehrverpflichtung knüpfen – Übernahmeverpflichtung bei abgeschlossener Ausbildung einführen!

Realistische Darstellung des Berufs

Wir fordern, die Berufsinformationen um Darstellung der Gefahren (Tod, Verwundung, Krankheiten, Unfälle) und den entsprechenden Daten zu erweitern. Im
Einzelnen sind das:

  • Die Zahl im Einsatz gefallener Soldat*innen
  • Die Zahl verwundeter Soldat*innen
  • Die Zahl der Soldat*innen mit psychischen Erkrankungen (zusätzlich seperat PTBS)
  • Die Zahl der in Übungen oder Ausbildungen gestorbener Soldat*innen
  • Die Zahl der in Übungen oder Ausbildungen verletzten Soldat*innen

E1 Schnelle Hilfe für die Menschen in Afghanistan

1.09.2021

In den letzten Tagen und Wochen gab es ein vorherrschendes politisches Thema: die dramatische Situation in Afghanistan. Nach dem raschen und – wie sich nun zeigt – falsch geplanten Abzug der US-amerikanischen und NATO-Truppen (darunter auch die Soldat*innen der deutschen Bundeswehr) seit Mai diesen Jahres hat die menschenfeindliche Terrorgruppe Taliban innerhalb kürzester Zeit fast ganz Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht. Aufgrund einer massiven Fehleinschätzung der Regierungen und Geheimdienste des sog. “Westens” kam es zu einer Situation, auf die auch die Bundesregierung wohl nicht vorbereitet war.

So sagte Außenminister Heiko Maas noch im Juni, dass er nicht davon ausgehe, dass die Taliban in ein paar Monaten das Zepter in der Hand hätten. Ähnlich meinte auch der US-amerikanische Präsident Joe Biden, dass es keinen zweiten Saigon-Moment (am Ende des Vietnam-Kriegs mussten US-amerikanische Botschaftsmitarbeiter*innen mit Militärhubschraubern evakuiert werden) geben werde. Dies hat sich als massive Fehleinschätzung erwiesen. Man kann es nicht anders als eines der größten diplomatischen und geopolitischen Niederlagen des “Westens” im 21. Jahrhundert beschreiben.

Sicherheit der Ortskräfte

Die aktuelle Situation ist vor allem eine reale Bedrohung für Leib und Leben für die Menschen vor Ort – insbesondere für viele Menschen, die für die Bundeswehr und deutsche Hilfsorganisationen gearbeitet haben (sog. Ortskräfte). Schon jetzt mehren sich Medienberichte, dass Mitglieder der Taliban durch Häuser auf der Suche nach ehemaligen Ortskräften streifen. Sie befinden sich in der ausweglosen Situation zunächst in die vermeintlich auf Monate hin sicher geglaubte Hauptstadt Kabul geflüchtet zu sein, nur um dann festzustellen, dass Kabul innerhalb kürzester Zeit auch von den Taliban erobert wurde. Nun werden sie von der Bundesregierung und den anderen vor Ort stationierten Staaten im Stich gelassen.

Erschreckend ist, dass es bis dato erst wenige Visaverfahren für Ortskräfte gegeben hat. Daran wird deutlich, dass die Vergabe von Visaverfahren deutlich zu langsam abläuft. Der eigentliche Plan der Bundesregierung und des Auswärtigen Amts lautete eine Außendienststelle der deutschen Botschaft in Masar-e Sharif einzurichten, die die Visaverfahren koordinieren sollte. Dieser Plan sowie die generelle Möglichkeit eine Botschaft in Afghanistan aufrechtzuerhalten, wurden jedoch durch das schnelle Vorrücken durch die Taliban zunichte gemacht.

Für viele Ortskräfte kam es so zu einer nun lebensbedrohlichen Situation, weil die deutschen Behörden es ablehnten, Ortskräfte großzügig nach Deutschland auszufliegen – wohl aus Angst, dass man auch nicht berechtigte Menschen somit nach Deutschland bringen würde. Daher saßen Mitte August noch 7000-8000 Ortskräfte und ihre Familien in Afghanistan fest. Neben der Fehleinschätzung der Lage vor Ort war der Grund hierfür vor allem  die Visa-Problematik, da das Innenministerium nicht bereit war frühzeitige Änderungen vorzunehmen und Visaanträge auch in Deutschland stellen zu lassen. Gleichzeitig konnten die Ortskräfte, denen die sichere Ausreise von den Staaten für die sie während des Einsatzes gearbeitet hatten, versprochen wurde, das Land nicht verlassen, da ihre Visa-Ansprüche außerhalb von Afghanistan nicht anerkannt werden würden. Explizit das bisherige deutsche Verfahren bringt die Ortskräfte in zusätzliche Gefahr: Um nachweisen zu können, für den Westen gearbeitet zu haben, müssen sie ihren Arbeitsvertrag bei sich tragen. Alleine dies bedeutet eine lebensbedrohliche Gefahr für sie, wenn die Taliban sie mit einem solchen Arbeitsvertrag entdecken.

Nun besteht Medienberichten zufolge ein Ring der Taliban um den Flughafen Kabul herum, durch den die Ortskräfte den Flughafen (der einzige Ort in Kabul, der noch nicht unter der Kontrolle der Taliban ist) also nicht mehr erreichen könnten. Die, die den Flughafen in Kabul noch rechtzeitig erreicht haben, und auch viele weitere Menschen, die aus purer Angst zum Flughafen geflüchtet sind, können sich jedoch auch noch nicht in Sicherheit wähnen. Bilder von verzweifelten Menschen, die sich an ein startendes Flugzeug klammern sprechen Bände und rechtfertigen von einer humanitären Katastrophe zu sprechen.  Des Weiteren gefährden die bisherigen Terroranschläge, die vermeintlich dem IS zuzuschreiben sind, als auch mögliche weitere Terroranschläge, die Lage vor Ort erheblich und machen den Aufenthalt am Kabuler Flughafen für alle, sowohl Zivilist*innen als auch Soldat*innen, zu einer lebensbedrohlichen Situation.

Es muss jetzt darum gehen, dass alle Ortskräfte noch ausgeflogen werden; die Taliban haben derweil ein Enddatum dafür festgesetzt, der 31.08. Eins ist also klar: Es müssen auch Wege gefunden werden Menschen aus Afghanistan nach diesem Datum zu evakuieren. Dies könnte zum Beispiel durch Wege über Drittstaaten erreicht werden.

Zukunft der Ortskräfte und Geflüchteten

Für die Ortskräfte muss die Möglichkeit geschaffen werden eine unbedingte und unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu erhalten- egal wie lange man schon für deutsche Organisationen oder die Bundeswehr arbeitet. Hierfür muss sich die SPD in der Bundesregierung einsetzen – auch muss dies eine Bedingung für den möglichen Eintritt in eine künftige Bundesregierung sein. Die aktuelle Regelung, dass nach jedem Jahr überprüft wird, ob die dann ehemaligen Ortskräfte ihren Aufenthaltsstatus in Deutschland behalten dürfen, muss abgeschafft werden. Es zeugt von einer unhumanen Geflüchtetenpolitik gegenüber den Menschen, die teilweise unter lebensbedrohlichen Bedingungen deutschen Organisationen und der Bundeswehr halfen. Diese Einstellung, die wohl dem rechts-konservativen CDU-Mantra “2015 darf sich nicht wiederholen” (an Verachtung gegenüber menschlichen Leben ist diese Aussage nicht zu überbieten) entstammt, kann und darf nie die Position der SPD sein!

Des Weiteren müssen weiterführende Sprachkurse zur Qualifizierung für den deutschen Arbeitsmarkt sowie die Eingliederung in selbigen aktiv unterstützt werden. Das soll natürlich auch für alle Geflüchteten aus Afghanistan gelten, die zwar keine Ortskräfte waren, jedoch auf Grund der Machtergreifung durch die Taliban das Land verlassen mussten. Die Geflüchteten aus Afghanistan dürfen unter keinen Umständen abgeschoben werden. Daher lehnen wir ebenfalls eine Abschiebung in weitere EU Länder, bei denen unklar ist, ob sie den Geflüchteten eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erteilen, ab. So sollen jegliche Abschiebungen der Schutzbedürftigen verhindert werden und ihnen eine langfristige Perspektive ermöglicht werden. Zugleich muss auch festgestellt werden, dass nicht nur die Ortskräfte, sondern auch viele weitere Menschen unter dem Regime der Taliban leiden werden, insbesondere Frauen, LGBTQIA*,  Aktivist*innen, Anwält*innen, Journalist*innen und viele weiter mehr. Diese Menschen, die lange Zeit auf die Hilfe des politischen Westens vertraut haben, müssen jetzt um ihr Leben fürchten. Dies ist eine humanitäre Katastrophe! Daher fordern wir, dass nicht nur den Ortskräften und ihren Familien Schutz gewährt wird, sondern auch allen weiteren Flüchtlingen aus Afghanistan, die zu besonders gefährdeten Gruppen gehören und/oder dem Regime der Taliban entfliehen.

Die Luftbrücke nicht aufgeben!

Aufgrund dieser Gefährdung verschiedenster Gruppen muss klar sein, dass alle möglichen Bemühungen unternommen werden, um den Schutzbedürftigen zu helfen! So muss es eine Luftbrücke geben, die es allen ermöglicht, das Land – so gut wie es nach den katastrophalen Umständen der letzten Tage noch geht – sicher zu verlassen. Und auch nach einer möglichen Beendigung einer Luftbrücke müssen sichere Fluchtwege geschaffen werden! Dies kann durch Verhandlungen mit Drittstaaten vor Ort gelingen oder in Zusammenarbeit mit anderen Staaten, die noch Teile der Luftbrücke aufrecht erhalten.

Auch diesen Menschen und weiteren die nach der Beendigung der Luftbrücke nach Deutschland fliehen, muss eine dauerhafte Bleibeperspektive ermöglicht werden; nicht nur eine Duldung. Es gilt auch hier, dass unsere humanitäre Verantwortung keine Grenzen kennen darf. Es darf keine Obergrenze geben!

Bemühungen von NGOs und privaten Initiativen, die zur Zeit Flugzeuge chartern und mit diesen Kabul anfliegen (wollen) zeigen wieder einmal deutlich, dass von staatlicher Seite nicht genügend getan wird. Doch es sind die Regierungen von Deutschland, den USA und weiteren Staaten, die den Einsatz in Afghanistan zu verantworten haben. Sie müssen nun auch in der Pflicht stehen alles dafür zu tun die notwendige Evakuierung bestmöglich voran zu treiben. Notfalls auch gegen den Widerstand der Taliban.

Umgang mit den Taliban

Die Bundesregierung darf unter keinen Umständen das Regime der Taliban als die legitime Regierung Afghanistans anerkennen. Zwar ist es nicht anders möglich, um möglichst vielen Menschen Hilfe zu leisten, dass man mit den Taliban jetzt darüber verhandelt, dass schutzbedürftige Menschen Afghanistan sicher verlassen können. Dies darf jedoch keine Anerkennung bedeuten. Es ist fester Bestandteil jungsozialistischer Außenpolitik, dass ein terroristisches, frauenfeindliches, homofeindliches, transfeindliches, undemokratisches, radikalreligiöses, gewaltbereites Regime niemals anerkannt werden darf.

Dies beinhaltet auch, dass wir Maßnahmen, die die Taliban durch die Hintertür unterstützen ablehnen. Eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten (wie etwa dem Iran), die die Taliban finanzieren und/oder als legitime Regierungsmacht anerkennen und somit unterstützen, lehnen wir ab.

Umgang mit Budeswehrsoldat*innen

Untersuchungen zeigen, dass bei ehemaligen Bundeswehrsoldat*innen, die in Afghanistan im Einsatz waren, aktuell eine überdurchschnittlich hohen Radikalisierung hin zum rechten Rand erkennbar ist. Dieser Radikalisierung müssen wir etwas entgegensetzten. Um dieser Problematik entgegenzuwirken fordern wir ausreichende psychologische Beratung für die Bundeswehrsoldat*innen, damit sie mit möglichen Traumata nicht alleine gelassen und den politisch Rechten überlassen werden. Die Soldat*innen müssen die Möglichkeit erhalten über ihre Erlebnisse zu sprechen und diese mit fachspezifischer Hilfe zu überwinden. Diese psychologischen Beratungsangebote müssen für die Soldat*innen leicht erreichbar sein und dürfen unter keinen Umständen mit berufliche Konsequenzen verbunden sein.

Für eine feministische Außenpolitik

​Studien zeigen, dass sich sexualisierte Gewalt, Armut und etwa ungewollte Schwangerschaften dezimieren, wenn alle Geschlechter gleichgestellt sind. Auch bei der Entscheidungsfindung über politische Lösungen. Auch konnte belegt werden, dass (bewaffnete) Konflikte in einem Zusammenhang mit Ungleichheiten innerhalb einer Gesellschaft stehen. Nach der Machtergreifung der Taliban ist vor allem für Frauen und Queere Menschen Afghanistan kein Schutzraum mehr.

Bereits vor über 20 Jahren, beschloss der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325, die sicherstellen sollte, dass Frauen an allen „internationalen, nationalen und regionalen Entscheidungsgremien und Mechanismen zur Vermeidung, Behandlung und Lösung von Konflikten stärker repräsentiert sein müssen.“ Eine Reihe von Nachfolgeresolutionen wurden erfolgreich in den Sicherheitsrat eingebracht und beschlossen; das Thema feministische Außenpolitik ist also kein neues. Doch was passierte? Leider herzlich wenig. Die zuletzt von Deutschland zum 20-jährigen Jubiläum der Resolution 1325, initiierte Resolution 2467, wies auf die noch immer gigantischen Leerstellen hin, die sich gerade auch wieder in Afghanistan auftun. So ist die Verbindung zwischen (bewaffneten) Konflikten und der Gefahr von sexualisierter Gewalt für Frauen und Mädchen evident, genauso wie sich nachweisen lässt, dass der ökonomische Status von Frauen und nicht-männlichen Personen diese in besonders prekäre Lagen versetzt in denen sie sich Gewalt und Unterdrückung gegenüber gestellt sehen.

Unsere feministische Außenpolitik versteht Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen und nicht-männliche Personen, sowie gegen queere Menschen nicht als zufällig, sondern als Symptom des Patriarchats. Deshalb stehen wir auch im Zusammenhang mit der aktuellen Lage in Afghanistan für eine feministische Außenpolitik ein, die bei all ihren Maßnahmen die Zerschlagung patriarchaler Machtverhältnisse berücksichtigt. Grundlage dieser feministischen Außenpolitik ist die Annahme struktureller Ungleichheit (vor allem aber nicht nur) in Bezug auf das Geschlecht. Auch intersektionale Diskriminierungen wie Rassismus oder Ableismus müssen dabei berücksichtigt werden.

Des Weiteren versteht unsere feministische Außenpolitik das Individuum als Fokus ihrer Arbeit und nicht den einzelnen Staat. Denn, wie das Centre for feminist foreign policy zusammenfasst, muss feministische Außenpolitik sich „gegen die im realpolitischen Diskurs vorherrschende Annahme [stellen], dass sichere Staaten automatisch zu Sicherheit der Menschen führen und [anerkennen], dass auch – und vor allem – Staaten und staatliche Strukturen Unsicherheiten für Menschen schaffen.“ Denn selbst wenn es den Taliban gelingen sollte eine Regierung zu formieren und einen vermeintlich autarken Staat zu führen, heißt dass noch lange keine Sicherheit für Frauen und Queers. Schließlich zeigt sich gerade deutlich: Nicht nur jene Frauen und queeren Menschen, die sich in den vergangenen 20 Jahren für eine gleichgestellte Gesellschaft vor Ort eingesetzt haben, sind nun in Gefahr. Die Taliban verachten auf Grundlage ihrer islamistisch-extremistischen Gesinnung generell Frauen und queere Menschen. Sie alle können nicht auf ein emanzipiertes Leben in Unversehrtheit hoffen und ihnen allen muss unsere Solidarität gelten. Darüber hinaus müssen schnell Rettungsmöglichkeiten für diese besonders vulnerablen Gruppen gefunden werden.

D4 Solidarität mit Sinti*zze und Rom*nja -- Antiziganismus bekämpfen!

1.09.2021

Einleitung

Am 19. Februar 2020 erschoss ein Rechstextremist neun Menschen in Hanau aus rassistischen Motiven. Der mediale Aufschrei war groß und viele Menschen positionierten sich gegen Rassismus. Was in der medialen Berichterstattung allerdings unterging war, dass drei der neun Opfer, Vili Viorel Păun, Kaloyan Velkov und Mercedes Kierpacz, Rom*nja waren[1]. Sint*zze und Rom*nja kommen in der medialen Bearbeitung von Themen wie Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung kaum vor, obwohl sie davon sehr betroffen sind. Geht es wiederum um Integrationsprobleme oder Armutsmigration wird schnell mit dem Finger auf Sinti*zze und Rom*nja gezeigt. Dies sind Auswirkungen von Antiziganismus.

Von Antiziganismus betroffen sind überwiegend Sinti*zze und Rom*nja, aber auch andere Gruppen. Meist werden die Betroffenen unter einem rassistischen Sammelbegriff stigmatisiert.

Die Geschichte der Sinti*zze und Rom*nja ist schon seit Jahrhunderten durch Diskriminierung geprägt. Die Sprache der Sinti*zze und Rom*nja, das Romanes, ist mit dem indischen Sanskrit verwandt. Die Wurzeln der Sinti*zze und Rom*nja liegen also vermutlich im heutigen Indien und Pakistan. Seit dem 8. Jahrhundert migrierten die Sinti*zze und Rom*nja nach Europa und später auch nach Amerika. Gründe für diese Migration waren vor allem Krieg, Verfolgung, Vertreibung und wirtschaftliche Not.

Die Kultur der Sinti*zze und Rom*nja ist durch das Bewusstsein der jahrhundertelangen Diskriminierung geprägt. Wissenschaftliche Ansätze, die sich mit der heterogenen Kultur der Sinti*zze und Rom*nja auseinanderzusetzen sind meist durch rassistische Voreingenommenheit geprägt. So wurden Versuche die mündliche Sprache Romanes zu verschriftlichen meistens ohne den Einbezug von Sinti*zze und Rom*nja unternommen.

Schätzungen zufolge leben derzeit 8 bis 12 Millionen Sinti*zze und Rom*nja in Europa, davon 70 000 bis 150 000 in Deutschland.

Der Begriff “Antiziganismus” bezeichnet die strukturelle Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja, Jenischen und anderen Gruppen, die mit dem Z-Wort in allen Bereichen der Gesellschaft stigmatisiert werden. Die Bezeichnung wird seit den Achtzigerjahren als Analogie zum “Antisemitismus”-Begriff verwendet. Antiziganismus umfasst die homogenisierende Wahrnehmung und Darstellung der betroffenen Gruppen, die Zuschreibung spezifischer Eigenschaften an diese und die Entstehung diskriminierender sozialer Strukturen und Gewalt. Die geläufigste Fremdbezeichnung stammt mutmaßlich vom altgriechischen “Anthiganoi”, was “die Unberührbaren” bedeutet. Über Jahrhunderte hinweg verwendet stellte es stets ein abschätziges, rassistisches Wort der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Sinti*zze und Rom*nja sowie weiterer Gruppen dar und trug deren Diskriminierung in die Sprache und damit in die Wirklichkeit. Als antirassistischer Verband stehen wir konsequent für die Nichtverwendung des Z-Worts und die Aufklärung dessen Hintergrundes ein.

Die Grundpfeiler unseres Verbandes, namentlich Antidiskriminierung, Inklusivität und Toleranz sowie Antifaschismus verpflichten uns, das Thema “Antizigansimus” auch verbandsintern aufzuarbeiten. Wir stellen uns konsequent gegen  antiziganistische Positionen und Aussagen und setzen uns zum Ziel, durch eine offene Behandlung dieses Themas auch in unseren eigenen Reihen für mehr Sichtbarkeit der Betroffenen zu sorgen und einen gesellschaftlichen Diskurs, vor allem aber auch eine Sensibilisierung bezüglich der anhaltenden Diskriminierung zu fördern.

[1] vgl. Hammel, Ina. Der Anschlag von Hanau und seine Folgen. 2021. Im Internet: https://zentralrat.sintiundroma.de/der-anschlag-von-hanau-und-seine-folgen/

Verbreitetste Diskriminierungsform in Europa und am wenigsten bekannt

Antiziganismus hat in Europa eine lange Tradition und dessen gängigen Vorurteile als Bettler*innen, Kinderräuber*innen oder Betrüger*innen reichen bis Mitte des 17. Jahrhunderts. Mit dem Entstehen der ersten Nationalstaaten in Europa nahm die Diskriminierung deutlich zu, da den jungen Nationen die in Europa teilweise nomadisch lebenden Romvölker als Negativbeispiel dienten. Im Nationalsozialismus erreichte die antiziganistische Diskriminierung ihren beispiellosen Höhepunkt und mündete in einer systematischen Verfolgung und der Ermordung einer halben Millionen Rom*nja und Sinti*zze in deutschen Vernichtungslagern.

Auch heute werden Angehörige der Rom*nja und Sinti*zze in vielen gesellschaftlichen Bereichen und in der Job- oder Wohnungssuche diskriminiert oder sind aufgrund ihrer ethnischen Herkunft Beleidigungen oder körperlichen Angriffen ausgesetzt. Im europäischen Vergleich erfahren laut einer Studie, die explizit Antiziganismus in Bezug auf Rom*nja untersucht, diese meist die höchste ablehnende Haltung in der Bevölkerung. In Italien haben 83% eine ablehnende Haltung gegenüber Rom*nja und im Vergleich hierzu 55% gegenüber Muslim*innen und 15% gegenüber Jüd*innen. In Bulgarien haben 68% eine ablehnende Haltung gegenüber Rom*nja, im Vergleich dazu 21% gegenüber Muslim*innen und 19% gegenüber Jüd*innen.[2] Dies soll keine Gewichtung oder Abwägen zwischen den Diskriminierungsformen sein, aber soll mit dem Vorurteil aufräumen, dass antiziganistischer Rassismus ein ausschließliches osteuropäisches Phänomen sei – er ist ein gesamteuropäisches Problem. In mindestens zehn europäischen Ländern hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine schlechte Meinung über Rom*nja.

Pogrome und antiziganistische Übergriffe sind auch heute in vielen europäischen Ländern Alltag. Im Mai 2008 sorgte ein Gerücht über „Kinderdiebstahl“ der Rom*nja in Neapel für ein Pogrom, bei denen ein Rom*nja-Lager komplett niedergebrannt wurde. In der Vergangenheit formierten sich beispielsweise in Ungarn oder in Slowenien „Bürgerwehren“, mit dem Ziel Rom*nja aus ihren Gemeinden und Ländern zu vertreiben. Auch zu Beginn Corona-Krise sind viele Rom*nja einer besonderen Stigmatisierung ausgesetzt gewesen, denn diese wurden oft für die Corona-Pandemie verantwortlich gemacht. Einige Länder wie die Slowakei, Rumänien oder Bulgarien haben zusätzliche Maßnahmen für Rom*nja-Siedlungen ergriffen. Diese wurden präventiv unter Quarantäne gestellt oder polizeilich abgeriegelt. In Siedlungen in denen ohnehin kaum fließendes Wasser und keine Kanalisation existierte, sind dies ideale Bedingungen für die Ausbreitung von COVID-19.

Der Alltag vieler Sinti*zze und Rom*nja in Europa ist gekennzeichnet, von deutlicher Armut, schlechten Zugang in Bildung oder/und Arbeitsmarkt. Diese teils strukturell-rassistischen Hürden bewirken einen Teufelskreis für die Betroffenen und sorgen für eine sich nicht ändernde Situation der Betroffenen.

In diesem Zuge stellte die Europäische Kommission im Oktober 2020 einen neuen „Strategischen Rahmen der EU zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma (2020-2030)“ vor, um auf europäischer Ebene über politisch definierte Ziele der EU ihre Mitgliedsstaaten dazu aufzurufen, ihre „nationale Roma-Integrationsstrategien“ zu verabschieden bzw. anzupassen und bis September 2021 der Europäischen Kommission vorzulegen. Dieser Rahmen definiert verschiedene quantifizierte Mindestziele in sieben Kernbereichen, welche bis 2030 verwirklicht werden sollen. Diese umfassen u.a. die Bekämpfung und Prävention von Antiziganismus und Diskriminierung, die Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung, um die sozioökonomische Lücke zwischen Rom*nja und der übrigen Bevölkerung zu schließen, die Erhöhung des effektiven gleichberechtigten Zugangs zu qualitativ hochwertiger, allgemeiner Bildung oder der Erhöhung des effektiven gleichberechtigten Zugangs zu adäquaten, nicht-segregierten Wohnungen und grundlegenden Diensten. Im Zuge dessen ist es zu begrüßen, dass auf europäischer Ebene zumindest quantifizierbare Ziele formuliert wurden, welche eine dezidierte Erfolgskontrolle ermöglichen. Ebenso ist zu begrüßen, dass der Schwerpunkt bei der Bekämpfung von Antiziganismus gegen Sinti*zze und Rom*nja liegt und dass nicht, wie im vorherigen EU-Rahmen, die vielfach schlechte ökonomische und rechtliche Lage von Rom*nja, den von diesem Rassismus Betroffenen, angelastet wird. Weiterhin bleibt zu kritisieren, dass der Rahmen keinen Gesetzescharakter trägt und die Umsetzung allein den Mitgliedstaaten überlassen ist.[3]

Darüber hinaus ist Antiziganismus nicht nur ein Problem der EU-Länder, sondern zeigt sich tagtäglich in vielen anderen europäischen Ländern, aus welchen viele Rom*nja vor Diskriminierung und Verfolgung auch nach Deutschland geflohen sind, denn Antiziganismus ist nach wie vor tödlich!

[2] Vgl. https://katapult-magazin.de/de/artikel/jeder-zweite-zeitungsartikel-ueber-sinti-und-roma-ist-diskriminierend

[3] Vgl. Unabhängige Kommission Antiziganismus „Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation“, S. 562-574, 13.07.2021.

Gedenken

Spricht man über die Ermordung der Sinti*zze und Rom*nja während der NS-Herrschaft, ist oft vom “vergessenen Holocaust” die Rede. Die Bezeichnung der Sinti*zze und Rom*nja für den Völkermord ist Porajmos und wird daher auch in diesem Antrag verwendet. Sinti*zze und Rom*nja wurden von der Rassenpolitik im Nationalsozialismus diskriminiert, verfolgt und vernichtet. Die Rassenpolitik sorgte zunächst für Heiratsverbote und Zwangssterilisierungen von Sinti*zze und Rom*nja. Ab 1935 wurden Sinti*zze und Rom*nja in bestimmten Stadtteilen konzentriert und somit von der Gesellschaft weiter ausgegrenzt. Darauf folgten Berufsverbote und Zwangsarbeit. Durch den “Runderlaß zur Bekämpfung der Z-Plage” 1938 gab es Vorgaben zur Erfassung von Sinti*zze und Rom*nja. Hinzu kam eine “Reichszentrale zur Bekämpfung des Z-unwesens”. Mit dieser gesetzlichen und institutionellen antiziganistischen Struktur wurden zahlreiche Sinti*zze und Rom*nja verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Dort erlebten sie Gewalt, Zwangsarbeit, Hunger, Krankheiten und Folter und wurden ermordet.

Nach der NS-Herrschaft erfuhren Sinti*zze und Rom*nja, anders als viele andere Opfergruppen, keine Wiedergutmachung. Die Argumentation war häufig, dass Sinti*zze und Rom*nja nicht aus rassistischen Gründen, sondern wegen ihrer vermeintlichen “Asozialität” verhaftet und deportiert wurden. Damit fielen sie lange Zeit nicht in die zur Entschädigung und Wiedergutmachung berechtigten Gruppen. Anfang der 1960er Jahre wurde dies durch eine gerichtliche Entscheidung zwar geändert, aber Anträge auf Entschädigung wurden wegen der schlechten Erfahrungen und weil nur diejenigen, die schon einmal einen Antrag auf Entschädigung gestellt hatten, überhaupt entschädigungsberechtigt waren, kaum noch gestellt. Die Opferzahlen der Porajmos liegen je nach Schätzung zwischen 100 000 und  500 000.

Dass die Porajmos in der Geschichtsschreibung und Erzählung über den Nationalsozialismus oft untergeht ist Symptom und Ursache für den heutigen Antiziganismus zugleich. Darum fordern wir eine aktive Unterstützung und den Ausbau der Erinnerungskultur. Dies soll einerseits in unserem eigenen Verband geschehen. Wenn wir über Diskriminierung reden, dann wollen wir dabei auch aktiv über Antiziganismus reden. Genauso wollen wir das Gedenken an die Opfer der Porajmos in unserer Gedenkarbeit einbinden. Der 2. August ist von dem Europäischen Parlament als Gedenktag für die Ermordung der Sinti*zze und Rom*nja anerkannt worden. Der historische Hintergrund ist die massenhafte Ermordung von Sinti*zze und Rom*nja in Auschwitz in der Nacht von dem 2. auf den 3. August 1944. Auch wenn in Deutschland der 2. August inoffiziell schon als Gedenktag begangen wird fordern wir, dass auch die Bundesregierung den 2. August zum offiziellen Gedenktag macht, damit das Gedenken eine größere Sichtbarkeit erhält. Genauso fordern wir, dass die Porajmos in Politik und Medien thematisiert wird und für das Thema sensibilisiert wird. Außerdem fordern wir die Überarbeitung der Lehrpläne, sodass die Porajmos im Geschichtsunterricht behandelt wird.

Als Unterstützung der Erinnerungskultur wollen wir uns für Aufklärung, Gedenken, Mahnmäler und weitere mögliche Formen des Erinnerns einsetzen. Dabei sind wir solidarisch mit allen von Antiziganismus betroffenen Menschen, insbesondere mit dem Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland.

Sensibilisierung in der Gesellschaft

Leider spielt das Thema Antiziganismus im gesellschaftlichen Diskurs im Vergleich zu anderen Diskriminierungsformen eine nur sehr kleine Rolle und ihm wird so ein Platz im kollektiven Diskriminierungsbewusstsein verwehrt. Dies ist problematisch, da so alte Diskriminierungsmuster wissentlich und unwissentlich in allen gesellschaftlichen Bereichen (z.B. in Schulen, am  Arbeitsplatz, im privaten Bereich etc.) reproduziert werden.

Einen große Verantwortung für die gesellschaftliche Aufklärung tragen vor allem die Medien. Hier kommt es häufig zu einer voreingenommenen und unvollständigen Berichterstattung. Ein Beispiel ist die bereits erwähnte Berichterstattung des Attentats von Hanau 2020, bei der die Sinti*zze- und Rom*nja-Zugehörigkeit einiger Opfer unterschlagen wurde. Gleichzeitig zeichnen zahlreiche Filme und Dokus ein veraltetes Bild des Lebens von Sinti*zze und Rom*nja, was bestehende gefährliche Stereotype bestätigt und sogar verstärkt. Solch eine mediale Repräsentation schadet den Sinti*zze und Rom*nja, bringt diese in Gefahr antiziganistischer Gewalt und Diskriminierung und erschwert gleichzeitig massiv den gesellschaftlichen Austausch und Zusammenhalt. Im schlimmsten Falle werden als Folge von regelmäßig reproduzieren Vorurteilen gegen Sinti*zze und Rom*nja diese als Gesamtgruppe unter Generalverdacht gestellt, nicht zuletzt bei der Aufklärung von Kriminalfällen. So wurden beispielsweise die Ermittlungen nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 zunächst auf eine in der Nähe campenden Gruppe von Sinti*zze und Rom*nja beschränkt. Dies wurde von der Presse sehr publikumswirksam ausgeschlachtet und führte zu einer weiteren Verstärkung der Diskriminierung gegen Sinti*zze und Rom*nja deutschlandweit. Später stellte sich heraus, dass die Polizistin durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet worden war. Eine Entschuldigung seitens der Landesregierung gegenüber den Sinti*zze und Rom*nja hat es bis heute nicht gegeben.

Hinzu kommt sowohl in den Medien als auch im politischen Bereich ein häufig unsensibler Umgang mit Sprache. Das wohl aktuellste Beispiel hierfür ist eine Ausgabe der WDR Show “Die letzte Instanz”, in der deutschlandweit bekannte Personen wie zum Beispiel Thomas Gottschalk über die Umbenennung einer Soße in „Soße ungarischer Art“ diskutierten und dabei nicht nur die rassistische Fremdbezeichnung verwendeten, sondern auch den Zentralrat der Sinti und Roma ins Lächerliche zogen. Dies ist ein Paradebeispiel für die Unsensibilität gegenüber der Gruppe der Sinti*zze und Rom*nja, denn auch nach Kritik an der Sendung wurde hier vor allem über allgemeinen Rassismus gesprochen, als über die spezielle Diskriminierungsform des Antiziganismus aufzuklären.

Um negativen Stereotypen über Sinti*zze und Rom*nja entgegenzuwirken ist es deshalb wichtig, dass vor allem Medienschaffende und Politiker*innen auf einen sensiblen Sprachgebrauch achten. Außerdem sollte die stereotypische Darstellung von Sinti*zze und Rom*nja hinterfragt und vermieden werden.

Neben der Politik und den Medien ist es jedoch auch wichtig, einen gesamtgesellschaftlichen Austausch zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Sinti*zze und Rom*nja zu ermöglichen und zu fördern. Dafür braucht es zunächst eine umfassende Kinder- und Jugendarbeit in Schulen und Vereinen, sowie die Schaffung und Erhaltung von Begegnungsstätten und Kulturzentren. Nur so kann Antiziganismus langfristig entgegengewirkt werden.

Deshalb fordern wir:

  • die Formulierung qualitativer und quantitativer Ziele in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung und Wohnraum sowie den Dimensionen Gleichstellung, Inklusion und Partizipation sowie Bekämpfung von Antiziganismus, insbesondere strukturellem/institutionellen Antiziganismus, auch gegen zugewanderte Sinti*ze und Rom*nja, auf Bundesebene.
  • die Schaffung gezielter, unabhängiger Monitoring-Instrumente auf Bundesebene zur Überprüfung der formulierten Ziele
  • die Umsetzung des EU-Rahmens für den Zeitraum bis 2030 auf nationaler sowie europäischer Ebene eine hohe Priorität beizumessen und auch im Austausch mit anderen EU-Staaten und den (potenziellen) Beitrittskandidaten auf die Realisierung hinzuwirken.
  • die Beendigung der Abschiebungen von Sinti*zze und Rom*nja durch die Ausländerbehörden und Landesregierungen sowie die Anerkennung von geflüchteten Sinti*zze und Rom*nja als besonders schutzwürdige Gruppe.
  • die Beendigung der Staatenlosigkeit von in Deutschland lebenden Sinti*zze und Rom*nja
  • die Einrichtung und Förderung von Begegnungsstätten und Kulturzentren sowie die Unterstützung von Vereinen und Organisationen, die sich mit der Thematik Antiziganismus auseinandersetzen und zur Aufklärung beitragen
  • eine intensive Kinder- und Jugendarbeit in Vereinen und Schulen
  • die Sichtbarmachung sowie eine unvoreingenommene Darstellung von Sinti*zze und Rom*nja in den Medien, allem voran in der Berichterstattung
  • die Sensibilisierung von Medien- und Politikschaffenden sowohl in sprachlichen als auch in inhaltlichen Aspekten
  • den 2. August bundesweit als offiziellen Gedenktag zu etablieren
  • den Einbezug und die Berücksichtigung der Porajmos in unserer erinnerungspolitischen Arbeit
  • die Förderung der Forschung zur Porajmos und damit einhergehend Anerkennung und Entschädigung
  • Förderung der Forschung zur Geschichte des Antiziganismus und zur Geschichte der Sinti*zze und Rom*nja unter Einhaltung der communitybasierten Forschungsstandards
  • Zusammenarbeit mit den Communitys bei der Sammlung und Präsentation der Kunst der Sinti*zze und Rom*nja
  • aktive politische Bekämpfung von Antiziganismus auf Basis der Handlungsempfehlungen des Berichts der Unabhängigen Kommission Antiziganismus vom Innenministerium

D1 Demokratieförderungsgesetz jetzt!

1.09.2021

Im Juni 2019 wurden tödliche Schüsse auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke abgefeuert. Bei einem antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge und einen Dönerimbiss in Halle im Oktober 2019 wurden zwei Menschen ermordet. 2020 wurde die „Gruppe S“ unter Anderem in Minden-Lübbecke daran gehindert deutschlandweite Anschläge zu verüben und nur wenige Tage später erschoss ein Anhänger rassistischer Verschwörungsideologien in Hanau zehn Menschen, weitere erlitten Verletzungen. Die radikale Rechte ist aktiv und sie ist gefährlich. Bereits 2018 hat sich die Große Koalition deshalb auf ein Demokratieförderungsgesetz geeinigt.

Damit sollten endlich ein rechtlicher Rahmen für die sehr wertvolle Arbeit vieler Initiativen in der Demokratiearbeit geschaffen werden. Neben einer Vervierfachung des Budgets bis 2023 auf dann rund 200 Millionen Euro, sollte auch die institutionelle Antragsstellung und dauerhafte Förderung von Initiativen ermöglicht werden. Doch seit drei Jahren blockiert das Innenministerium das Gesetzespaket. Wir finden: Es wird Zeit!

Die Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit zur Demokratiestärkung, gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Homo- und Transfeindlichkeit, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist eine staatliche Daueraufgabe. Die Krise des Asylrechts und die Corona-Pandemie haben als Katalysator für einen Riss in der Gesellschaft gesorgt. Die gesellschaftliche Lastenverteilung aus diesen staatlichen Stresssituationen zu Ungunsten der Schwächeren, machte es leicht für die radikale Rechte gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auszuspielen. Das gelingt ihnen besonders dort, wo andere Großinstitutionen wie Gewerkschaften, demokratische Parteien oder Kirchen an Bindung verlieren. Dabei zeigen antifaschistische Bürger:innenprojekte und Vernetzungsarbeit seit Jahren, dass ein entschiedenes Entgegentreten, das beste Mittel gegen Menschenfeindlichkeit ist. Leider sind viele dieser wichtigen Demokratieprojekte seit Jahren unterfinanziert oder haben keine dauerhafte Perspektive.

Deshalb braucht es einen Ausbau des Programms „Demokratie leben!“ in ein sogenanntes Demokratieförderungsgesetz, damit bewährte Strukturen und Partnerschaften lokaler Demokratieinitiativen auch ohne den Druck zeitlich begrenzter Projektarbeit ihre Ideen verwirklichen können. Begegnungsarbeit braucht Zeit und eine zweijährige Förderung schafft zwar den Aufbau von Strukturen, aber dann läuft zumeist ihre Förderung aus. Es kann nicht sinnvoll sein, dass kleine Initiativen auf jährliche Fördersummen hoffen, indem sie ihre bewährten Strukturen als ständig wechselnde Ideen verkaufen. So geht ehrenamtliches Engagement für Antragsstellung verloren.

Die demokratischen Werte eines Demokratieförderungsgesetzes müssen durch einen Konsens der demokratischen Parteien gestützt werden, damit Initiativen und lokaler Akteur:innen nicht zum Spielball wechselnder Mehrheitsverhältnisse werden. Die Bundesregierung muss eine Konzeption vorzulegen, um die Finanzierung von Strukturprojekten der Demokratieförderung von den bisher zeitlich begrenzten Programmlaufzeiten zu entkoppeln und auch ihre institutionelle Unterstützung zu ermöglichen. Bisher müssen Initiativen wie die Amadeu-Antonio Stiftung oder Aktion Sühnezeichen alle vier Jahre neue Konzepte einreichen, um eine Bundesförderung zu erhalten. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass die Förderung dauerhaft bewährte Projekte stützt.

Statt neuer Hürden sollte bei der Schaffung eines Demokratieförderungsgesetzes darauf geachtet werden bürokratiearme Antragsstellung zu ermöglichen. Es braucht keine mehrfache Gesinnungsprüfung und Bekenntnisse zur FDG, wenn bereits die Projekte und Initiativen demokratiefördernd sind. Statt das ehrenamtliche Engagement von Bürger:innen unter Generalverdacht zu stellen, sollten Projekte zum Mitmachen ermutigen. Voraussetzung dafür sind nachvollziehbare Vorgaben für Qualitätskontrolle, Wirkungsevaluation und finanzielle Rechenschaft durch die Gesetzgebung. Aber auch das darf nicht dazu führen, dass lokale Initiativen statt durch bürokratische Antrags- und Abrechnungsarbeit in ihrer eigentlichen Aufgabe gehindert werden.

Eine wichtige Säule des Demokratieförderungsgesetzes ist der präventive Ansatz. Deshalb muss ein solches Gesetz einen bildungspolitischen Schwerpunkt haben. Das Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ bietet hier schon einen guten Türöffner für die Arbeit. Dieses Netzwerk muss ausgebaut werden. Gerade junge Menschen müssen sich in ihrer politischen Entwicklung aktiv mit demokratischen Werten beschäftigen. Deshalb braucht es verstärkt einen Dialog zwischen geförderten Initiativen, rassistisch Betroffenen und Schüler:innen.

Doch Demokratieförderung muss auch online gedacht werden. Gemeinsam mit den Ländern muss der Bund attraktive und altersgerechte Medienbildungsangebote und unabhängige Beratungsangebote für alle Menschen auflegen, ausbauen und vernetzen, die eine demokratische Diskussionskultur im Netz fördern. Gleichzeitig muss der Staat sicherstellen, dass Initiativen vor verbalen Hassattacken oder gar tätlichen Angriffen sowie politischer Kriminalisierung geschützt sind.

Das demokratische Miteinander in den Herzen und Köpfen aller ist das Rückgrat einer wehrhaften Demokratie. Diese bestmöglich gegen demokratiefeindliche Bewegungen und Ansichten zu verteidigen ist auch Aufgabe des Bundes.

B12 Kulturelle Bildung für junge Menschen fördern

1.09.2021

Wir fordern den kostenlosen Eintritt von Menschen unter 30 Jahren in staatliche Museen. Andere europäische Länder zeigen uns wie es geht. In England verlangen beispielsweise öffentliche Museen seit 2001 keinen Eintritt mehr und konnten so die Besucher*innenzahlen um 20% steigern. In Frankreich ist der Zugang in Museen bis zum 26 Lebensjahr für alle EU-Bürger*innen gratis und in Italien ist der Besuch am ersten Sonntag im Monat kostenlos. Lasst uns von Europa lernen!

In den vergangenen 1 ½ Jahren sind es die jüngeren Generationen gewesen, die sich während der Pandemie solidarisch gezeigt haben. Allerdings ist Solidarität keine Einbahnstraße. Kinder und Jugendliche haben viel Zeit verloren. Sei es, dass man Bildungseinbußen hinnehmen musste oder sich in der eigenen Persönlichkeit nicht, wie gewohnt weiterentwickeln und partizipieren konnte, wie es vor der Pandemie möglich war. Die Pandemie hat die sozialen Verwerfungen in unserem Land, wie in einem Brennglas aufgezeigt. Aus dem Grund müssen wir alles daransetzen, diese sozialen Ungerechtigkeiten zu beseitigen und rückgängig zu machen. Kulturelle Bildung ermöglicht es eigene Stärken und Interessen zu entwickeln, die Perspektive zu wechseln, eine eigene Identität zu entwickeln, wie auch Unterschiedlichkeit kennenzulernen und als vielfältige Normalität zu akzeptieren. Zudem bietet es die Möglichkeit die Welt hinsichtlich ihrer historischen Zusammenhänge und der komplexen Zusammenhänge zu verstehen. Darauffolgend soll es dazu anleiten die Welt kritisch zu betrachten sich kritisch und kreativ mit dem kulturellen Erbe, der gegenwärtigen Situation und der Zukunft auseinanderzusetzen, um diese nachfolgend zum positiven verändern zu können.

Bislang sind es nicht gerade die Jugendlichen, die in die Museen drängen. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen Bedarf es einer besseren Zielgruppenansprache, auf der anderen Seite ist es eine soziale Frage, ob junge Menschen, die wesentlich weniger Geld zur Verfügung haben, dieses proaktiv für kulturelle Bildung ausgeben wollen.

Wir möchten diese Hürden beseitigen. Allen jungen Menschen soll hierbei Teilhabe ermöglicht werden. Die soziale Herkunft darf keine Rolle spielen. Kommunen müssen als Träger ihrer Museen vom Land entsprechend finanziell unterstützt werden, damit es zu keinen Einsparungen in anderen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge kommt.

B11 Abitur- und zentrale Abschlussarbeiten anonymisieren

1.09.2021

Bei Menschen – insbesondere bei Schüler*innen – jeder Herkunft, eines jeden Alters und aus den verschiedensten sozialen Schichten erscheint bereits allgemein bekannt zu sein, dass die tatsächliche Leistung von Schüler*innen in deutschen Schulen nur bedingt mit ihren Noten korrelieren. Oftmals prägt die soziale Herkunft die Karriere und die Noten von Schüler*innen.

Im Sinne der tatsächlichen Chancengleichheit ist zwingend erforderlich, dass schriftliche Aufsichtsarbeiten an Schulen in Nordrhein-Westfalen fernab von Sympathie, Ethnie oder sozialer Zugehörigkeit bewertet werden. Eine solche Bewertung der Aufsichtsarbeiten kann von Lehrer*innen nur geleistet werden, wenn und soweit die Aufsichtsarbeiten anonymisiert werden.

Daher fordern wir die Anonymisierung aller Aufsichtsarbeiten an Schulen unseres Bundeslandes.

Die wichtigsten Aufsichtsarbeiten sind als solche zu behandeln

Als die wichtigsten Aufsichtsarbeiten in der Schullaufbahn gelten die zentralen Abschlussprüfungen der zehnten und die Abiturprüfungen der zwölften bzw. dreizehnten Klassen. Durch den hohen Einfluss der Prüfungen auf die Gesamt-/Abschlussnoten und damit auf den Werdegang der Schüler*innen sind bei diesen sicherzustellen, dass die Bewertung neutral erfolgt. Daher fordern wir die Anonymisierung insbesondere im Bereich der genannten Abschlussarbeiten. Den Lehrkräften, welche die Aufsichtsarbeiten korrigieren, sollte keine Identifikation der Schüler*innen bis zum Abschluss der Notengebung ermöglicht werden.

Anonymisierung zum Schutz vor einer ungerechten Schulempfehlung

Ist ein Kind zehn Jahre alt, so trifft unser Schulsystem bereits die wohl wichtigste Entscheidung im Leben des Kindes – welche Empfehlung zur weiterführenden Schule wird dem Kind ausgestellt? Eine gerechte Entscheidung über die Zukunft des Kindes kann jedoch nur erfolgen, soweit auch seine Leistung unabhängig und gerecht bewertet wird. Deshalb fordern wir, auch und insbesondere die schriftlichen Aufsichtsarbeiten an Grundschulen im Rahmen der vierten Klasse zu anonymisieren. Dabei sollte hier ebenfalls den Lehrkräften bei der Bewertung der Aufsichtsarbeiten bis zur Vergabe der Note möglichst wenig Chance gegeben werden, den Ersteller der Aufsichtsarbeit identifizieren zu können. Erst nach Vergabe der Note ist es erforderlich, die Identität des Bearbeiters offenzulegen.

Die Anonymisierung unabhängig von – jedoch gestärkt durch – die Digitalisierung der Schulen

Die Anonymisierung der Aufsichtsarbeiten soll die Schüler*innen vor einer ungerechten und subjektiven Behandlung schützen. Ein Konzept ähnlich den Aufsichtsarbeiten an diversen Universitäten, bei dem die Studierenden lediglich ihre Matrikel-Nummer anstelle ihres Namens angeben, wäre an deutschen Schulen bereits ein Schritt, der dazu beitragen kann, Noten gerechter und objektiver zu machen. Durch die voranschreitende und unterstützenswerte Digitalisierung der deutschen Schulen sollte jedoch auch die Anonymisierung der Aufsichtsarbeiten praktikabler und effizienter werden. Denn die Schüler*innen haben naturgemäß ein enges Verhältnis zu ihren jeweiligen Lehrkräften. Vielfach lernen die Lehrkräfte durch den jahrelangen Umgang mit den Schülern ihre Handschrift und Schreibstile kennen. Eine Anonymisierung der Aufsichtsarbeiten macht daher am meisten Sinn, wenn und soweit die Aufsichtsarbeiten digital abgehalten werden. Wir sprechen uns daher auch für eine digitale Vorlage aus, welche sicherstellt, dass allen Schüler*innen ein digitales Endgerät zur Verfügung steht. Die schulischen Aufsichtsarbeiten sollen sodann in größtmöglichen Umfang auf digitalen Endgeräten bearbeitet und digital korrigiert werden.

B3 SoWi kommt wieder!

1.09.2021

Im Schatten der Corona-Pandemie entstanden im Schulministerium unter Yvonne Gebauer statt Ideen für ein gutes schulpolitisches Krisenmanagement vor allem Pläne, um neoliberale Ideologie zu Lasten politischer Bildung in unsere Schulen zu bekommen.

Nachdem durch die Schwarz-Gelbe Landesregierung bereits zum Schuljahr 2019/20 das Fach Sozialwissenschaften in der Sekundarstufe I aus dem Lehrplan der Gymnasien gestrichen und durch Wirtschaft/Politik ersetzt wurde und selbiges zum Schuljahr 2020/21 für alle weiterführenden Schulen galt, hat sie nun schließlich der politischen Bildung in NRW endgültig den Kampf angesagt: Das Fach Sozialwissenschaften wurde aus der Lehramtszulassungsverordnung des Landes restlos gestrichen und durch das Fach Wirtschaft/Politik ersetzt.

Interdisziplinäre Ansätze, soziologische Einordnung von Sachverhalten und kritisches Hinterfragen vorhandener Strukturen fallen als „Verbraucherkompetenzen“ verpackten neoliberalen Idealen zum Opfer. Schüler*innen sollen auf ein möglichst marktkonformes Leben und ihre Funktion im gesellschaftlichen Getriebe vorbereitet werden.

Die Ökonomisierung der Lerninhalte ist nach der Ansicht von Schwarz-Gelb offenbar nicht nur wichtiger als die Ausweitung politischer Bildung, sondern sie ist es sogar Wert, das wirksamste Mittel gegen antidemokratische Bewegungen und gesellschaftliche Radikalisierung – das in Zeiten von AFD und Querdenker*innen wichtiger als je zuvor seit dem Bestehen der Bundesrepublik ist – einfach mal zusammenzustreichen. Demokratie lebt von starken Demokrat*innen, die ihre Begeisterung dafür meist in der politischen Bildungsarbeit entdecken.

Darüber hinaus sind durch diese Entscheidungen Schüler*innen, Eltern, Lehrkräfte und Lehramtsstudierende vor vollendete Tatsachen und undurchdachte Konzepte gestellt worden: Pädagogisch macht die Auflösung der interdisziplinären Bearbeitung im Fach Sozialwissenschaften keinen Sinn, organisatorisch wurde mit lauter ungeklärten Fragen Verwirrung, insbesondere für Lehramtsstudierende gestiftet.

Wir als Jungsozialist*innen und Sozialdemokrat*innen lassen CDU und FDP diese Strategie auf Kosten der Grundlagen unserer Demokratie nicht durchgehen.

Es braucht mehr demokratische Bildung – NICHT WENIGER!

Deshalb fordern wir:

  • Die sofortige Wiedereinführung des Schulfaches Sozialwissenschaften als interdisziplinäres Fach in der Sekundarstufe I aller weiterführenden Schulen in NRW.
  • Die Abschaffung des Schulfaches Wirtschaft/Politik.
  • Eine entsprechende Anpassung in der LZV NRW.
  • Eine klare Übergangsregelung für die Schüler*innen und Lehramtsstudierenden, die von den Spielchen der Schwarz-Gelben Regierung betroffen waren.
  • Die Ausweitung der politischen und demokratischen Bildung in Schule.