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N5 Solidarische Finanzierung des Rundfunkbeitrags

6.09.2021

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) ist ein elementarer und wichtiger Bestandteil der deutschen Medienlandschaft und dient insbesondere der Förderung des demokratischen Diskurses. Dafür wird der ÖRR unabhängig durch die Bürger*innen der Bundesrepublik in Form eines pauschalen Rundfunkbeitrags pro Wohnsitz finanziert. Dieser Beitrag stieg zuletzt, nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts trotz des Willens der Landesregierung von Sachsen- Anhalt, auf 18,36 Euro.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts hob damit nochmal die besondere Bedeutung des ÖRR hervor, mit der Begründung, dass durch: “[…] vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits.”, der ÖRR mit “[…] authentische[n], sorgfältig recherchierte[n] Informationen […]” die Bürger*innen unabhängig und ohne Verzerrung über politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Themen informieren muss.

Diesen Grundsatz eines ÖRR mit einem demokratischen Bildungsauftrags und einer unabhängigen Finanzierung unterstützen wir. Zeitgleich nehmen wir eine zunehmende Polarisierung und Unzufriedenheit mit der Pauschalisierung des Rundfunkbeitrags wahr und wollen dies durch eine einkommensabhängige Staffelung des Rundfunkbeitrags lösen. Anders als in anderen Ländern wie beispielsweise Norwegen oder Frankreich wollen wir es hier bei einem Beitrag, dessen Höhe weiterhin von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) festgelegt wird, belassen und sehen im Gegensatz dazu von der Erhebung einer Steuer ab. So lässt sich die Unabhängigkeit des Rundfunks, beziehungsweise dessen Finanzierung, von den politischen Mehrheiten im Parlament garantieren. Allerdings soll dieser Beitrag zukünftig haushaltseinkommensabhängig und weiterhin geräteunabhängig sein. Dadurch wollen wir die Kosten des Angebots des ÖRRs zu einkommensstärkeren Haushalten umlagern und unser Idealbild einer solidarischen Gesellschaft auf die Finanzierung des Rundfunks ausweiten.

Dass ein Beitrag nach bestimmten Maßstäben gestaffelt werden kann, zeigt sich bereits bei der aktuellen Erhebung des Rundfunkbeitrags bei Unternehmen, welcher nach Stärke und Mitarbeiterzahl der Unternehmen erhoben wird. Zudem fordern wir, dass Studierende als ganzes vom Rundfunkbeitrag befreit werden, egal ob sie BAföG beziehen oder nicht, genauso wie Auszubildende sowie Ableistende eines Bundesfreiwilligendienstes und eines freiwilligen sozialen, politischen oder ökologischen Jahres, da besonders für junge Menschen, die gerade erst ihre erste eigene Wohnung beziehen, gerade erst ihr eigenes Geld verdienen und zum ersten Mal auf eigenen Füßen stehen der Rundfunkbeitrag eine schwere finanzielle Belastung sein kann.

Für Menschen mit Behinderungen, die es ihnen nicht erlaubt, das volle Angebot des ÖRR zu empfangen, wie taube oder blinde Menschen, soll ebenfalls eine Befreiung erfolgen. Aktuell findet lediglich eine Absenkung des Rundfunkbeitrags für Besitzer*innen eines Schwerbehindertenausweises mit der Kennzeichnung RF (für Rundfunk) auf 5,83 Euro statt. Gruppen, die bereits vom Rundfunkbeitrag befreit sind, sollen dies auch weiterhin bleiben.

N4 Der Realität folgen - Markierung von Schönheitsverzerrungen in Social Media

6.09.2021

Es ist nicht neu, dass es in unserer Gesellschaft unrealistische Schönheitsideale gibt. Verstärkt wird dies allerdings vermehrt durch Social Media, wie zum Beispiel Instagram. Influencer:innen verzerren durch das Verwenden von Face- und Bodytuning das Körperbild und beeinflussen so auch die Wahrnehmung von Schönheit und das Wohlbefinden bei vor allem  jungen Menschen. Junge Menschen werden so angehalten einem Ideal nachzueifern, das nicht realistisch ist, welches die Influencer:innen selbst in der Realität auch nicht darstellen können.
Der Körperdruck, der dadurch bei jungen Menschen zunimmt, erhöht die Gefahr von psychischen Problemen oder führt eben zu diesen.
Die Studie von “Kinder und Medien 2020”, die von der norwegischen Medienbehörde in Auftrag gegeben wurde, zeigt ein klares Bild von Körperdruck auf Jugendliche durch Werbung in Social Media. Im Zuge dessen, stimmt das norwegische Parlament über einen Gesetzentwurf ab, der die Markierung von Werbe-Posts, -Videos und -Reels vorsieht, die durch Face und Bodytuning verändert wurden. Diese Transparenz soll jungen Menschen ermöglichen,  unrealistische Darstellungen wahrzunehmen und Werbetreibenden und Influencer:innen anhalten realistisch zu werben.

Wir fordern deshalb

die Einführung von Markierungen bei monetarisierten Videos, Reels und Posts auf Social-Media-Plattformen, die durch Face- und Bodytuning verändern wurden.

N2 Kinderrechte in sozialen Netzwerken durchsetzen!

3.09.2021

Können Eltern frei entscheiden, wie sie mit der Privatsphäre ihrer Kinder im Zeitalter der sozialen Medien umgehen? Dürfen bereits Kinder als Influencer tätig sein? Handelt es sich hierbei noch um ein Hobby oder schon um (regulierte bzw. zu regulierende) Arbeit?

Im Zusammenhang mit dem Auftauchen von Minderjährigen auf sog. Influencer-Kanälen verschmelzen mit dem Recht am eigenen Bild und dem Kinder- und Jugendarbeitsschutz zwei hochgradig grundrechtsrelevante, für eine gesunde kindliche Entwicklung bedeutsame Problemkomplexe. Trotz des Schlaglichts, welches die bereits länger geführte Diskussion um eine Verfassungsergänzung auf das Thema der Kinderrechte wirft, wird das Kind als Darsteller auf einem eigenen oder elterlichen Account in Recht und Politik bisher kaum adressiert, maximal ab und an z.B. durch Warnungen der Polizei. Jedoch: Mantra-artige Empfehlungen reichen nicht; professionelle, ausführliche Beratungsangebote, insb. in Schulen, Kitas etc. sind notwendig.

Kindliche Entwicklung schützen, Eltern aufklären
[Triggerwarnung: Sexuelle Gewalt gegen Kinder]

Prominente Beispiele, wie der YouTube-Kanal „Mileys Welt“ oder „Team Harrison“ zeigen, dass es im Zusammenhang mit Sharenting, Kinder-Influencing und Social Media massiven Aufklärungsbedarf gibt.
Insbesondere verschwimmen oft die Grenzen zwischen dem Kinderzimmer als Rückzugsort und dem Kinderzimmer als Arbeitsplatz. Das Kinderzimmer bzw. der kindliche Rückzugsort ist von besonderer Bedeutung für die kindliche Entwicklung, ein Eingriff in diesen Rückzugsort ist ein Eingriff in die Privatsphäre des Kindes, es gilt diesen Raum zu schützen und angemessen zu präsentieren, ein Eingriff ist sorgfältig abzuwägen.
Die Gefahr durch Sexualisierung von Kindern und Jugendlichen durch Dritte ist zwar etwas bekannter, allerdings sind sich viele Eltern nicht über die technische Funktionsweise von Social Media-Plattformen bewusst. Algorithmen, die vermeintlich „freizügige Inhalte“ belohnen und anderen Nutzer*innen somit häufiger anzeigen, sind häufig unbekannt, die daraus resultierende Gefahr, dass Bilder auf kinderpornografischen Plattformen gepostet werden, steigt in den vergangenen Jahren, das kann zur Traumatisierung und einer gestörten sexuellen Entwicklung des Kindes führen.
Ein dritter Aspekt umschreibt die Nutzung von Social Media für Kinder, hier ist wichtig zu betonen, dass die Nutzung von Social Media nicht den Status eines Hobbies oder einer Freizeitbeschäftigung überschreiten sollte, das bedeutet, dass es eine klare Reglementierung und Integration in den Alltag geben muss. Die Eltern sind angehalten, ihr Kind und sich zu überprüfen, ob es sich bei der Nutzung noch um eine Freizeitbeschäftigung handelt oder schon mit Arbeit zu vergleichen ist.
Außerdem gilt es für die Eltern sorgfältig abzuwägen, wie sie ihr Kind zeigen bzw. wie sich das Kind zeigt. Eltern sollten sich, insbesondere bei Kleinkindern, die Fragen stellen, ob sie die Privatsphäre des Kindes ausreichend schützen und die Gefahren abwägen können. Zeigen Sie das Kind eventuell in einer Situation die es als unangenehm empfindet oder die Schamgrenzen überschreitet? Diese Fragen sind besonders im Kontext der Beziehung zwischen Eltern und Kind in der fortschreitenden Entwicklung des Kindes von herausragender Bedeutung.

Damit Eltern in der Lage sind, eine angemessene kindliche Entwicklung zu gewährleisten und die Herausforderungen und Gefahren von Sharenting, Influencing und genereller Nutzung von Social Media einschätzen zu können, bedarf es die Unterstützung seitens der Politik, insbesondere der Institutionen, die der Staat als Begleiter*in kindlicher Entwicklung beauftragt hat, wie Kindertagesstätten, Schulen etc.

Deshalb fordern wir Aufklärungs- und Informationsangebote, die der Staat in Zusammenarbeit mit den Institutionen entwickeln soll. Diese sollen folgende Punkte umfassen:

  1. Herausstellen des Kinderzimmers als Rückzugsort von zentraler Bedeutung für die kindliche Entwicklung und des Bedarfs nach angemessener Abwägung bei Eingriffen in diesen, durch besondere Privatsphäre definierten Raum
  2. Aufklärung von Gefahren durch die Sexualisierung der Inhalte durch Dritte
  3. Die Notwendigkeit, die Rolle von Social Media im Alltag klar zu definieren, zu reglementieren und regelmäßig zu überprüfen
  4. Die regelmäßige (Selbst-)Überprüfung auf die Frage der angemessenen Darstellung, die die Privatsphäre und Schamgrenzen des Kindes achtet

Problemfelder erkennen und in Gesetzgebung und Verwaltung tätig werden

Wir fordern die Durchsetzung des Schutzes der Kinderrechte auch in sozialen Netzwerken, insbesondere im Zusammenhang mit dem Auftauchen von Minderjährigen auf sog. Influencer-Kanälen, sei es auf eigenen oder auf von den Eltern betriebenen. Dies ist die ganz praktische Umsetzung des Gedanken, der auch hinter der Kinderrechte-in-die-Verfassung-Debatte steckt: Kinder sind als Subjekte zu sehen, ihnen ist Beteiligung ermöglichen und ihr Recht auf eine offene Zukunft ist zu sichern.

Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG („Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvorderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“) enthält zweierlei: Das Recht der Eltern, ihre Erstverantwortung für das Kindeswohl auszuüben, dementsprechend alle Entscheidungen für das Kind zu treffen; aber auch das sog. Wächteramt des Staates, welcher (nur) im (Not-)Fall einer Kindeswohlgefährdung einschreitet. Das erwähnte Recht der Eltern ist jedoch, wie auch das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit mehrfach festgestellt hat, ein „dienendes“ Grundrecht, es wird durch seine Fremdnützigkeit für das Kind bestimmt. Eltern haben also bei ihren Entscheidungen die Rechte ihrer Kinder miteinzubeziehen, um ihr Bestes zumindest anzustreben.

Kinder sind Grundrechtsträger*innen, sie haben ein Recht auf (digitale) Entwicklung (Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 13, 17, 31 der UN-Kinderrechtskonvention) und auf Privatleben (Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention; Art. 7 EU-Grundrechtskonvention). Diese sind notwendigerweise zu schützen – um eine offene Zukunft zu gewährleisten und dem Kind zu ermöglichen, auch im digitalen Raum einen eigenen, sicheren Umgang mit der eigenen Privatsphäre und der anderer zu entwickeln.

Sie sind auch Träger*innen des Rechts am eigenen Bild als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Problem ist, dass nirgendwo explizit geschrieben steht, wer denn zuständig dafür ist, die Einwilligung in eine Bildveröffentlichung zu erteilen. Wegen der weiten Elternverantwortung liegt der Gedanke an die Eltern natürlich nahe; die Reife des Kindes (zur Selbstentscheidung) ist jedoch ebenso einzubeziehen wie das Spannungsfeld, welches sich im Kontext der Veröffentlichung auf elterlichen Accounts darstellt: Die Eltern erteilen die Erlaubnis sich selbst. In anderen (insb. finanziellen) Kontexten spricht man hier von einem sog. Insichgeschäft; Konsequenz ist, dass nicht die Eltern entscheidungzuständig sind, sondern vom Familiengericht ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist, der die Entscheidung trifft (z.B. ein vom Kind geerbtes Haus an die Eltern zu übertragen). In Fällen wie diesen, die für das Persönlichkeitsrecht relevant sind, wird dies jedoch leider oft übersehen. Dabei ist auch hier der Interessenkonflikt offensichtlich: Die Eltern sich zugleich Beschützer*innen als auch Manager*innen bzw. Unternehmer*innen gleichzeitig. Sie haben starke Eigeninteressen, die die Fremdnützigkeit ihrer Entscheidungen vielleicht in den Hintergrund treten lassen.

Zudem gilt das Verbot von Kinderarbeit und dem Kindeswohl abträglicher Ausbeutung (u.a. Art. 32 und 36 UN-Kinderrechtskonvention, Art. 32 EU-Grundrechtskonvention, Jugendarbeitsschutzgesetz). Kinder sind, schon wegen ihrer andauernden Entwicklung, auch in diesem Bereich besonders  zu schützen. Eine Ausbeutung in Form des „Mitverdienens“ des Familienunterhalts kann schädliche Rollenerwartungen und einen daraus resultierenden Druck auf das Kind ausüben; zudem besteht die Gefahr, dass entwicklungs- und zukunftsrelevante Tätigkeiten, wie der Schulbesuch, der Kontakt zu Peer-Groups, Hobbies etc. vernachlässigt werden. Das Problem ist jedoch im Kontext von Kindern im Influencer-Marketing das Folgende: Liegt hier eine „Arbeit“ vor bzw. eine „Beschäftigung“, die für die Anwendbarkeit des Jugendarbeitsschutzgesetzes vonnöten ist? Es handelt sich um eine komplizierte juristische Prüfung des Einzelfalls mit hinzutretenden praktischen Ermittlungsproblemen. Jedenfalls zeigen die Reaktionen der zuständigen Landesministerien auf eine Anfrage hin, dass sie die Lage der im Influencer-Marketing tätigen Kinder nicht wirklich auf dem Schirm haben und z.B. bei Kindern U3 – die besonders gefährdet sind (willenloses Objekt) – gar nicht erst eine Anwendbarkeit des JArbSchG annehmen (s. dazu z.B. auch – öffentlich zugänglich – LT-Drs. 17/10300 (NRW) sowie Lemmert, Die Vermarktung des Kindes im Influencer-Marketing, Buch im Erscheinen, vssl. Anfang 2022).

Wir stellen fest, dass die derzeitige Rechtslage nicht hinreichend deutlich oder unzureichend ist. Dies steht in Konflikt zu geltendem Verfassungs- und Völkerrecht. Auch die exekutive Durchsetzung bestehender Gesetze lässt zu wünschen übrig: Insbesondere kontrollieren die Jugendämter und die Gewerbeaufsicht derzeit nicht proaktiv die Kindeswohlverträglichkeit bzw. die Einhaltung der Regelungen des Kinder- und Jugendarbeitsschutzes bei solchen Auftritten. Dies ist jedoch erforderlich: Angesichts der zunehmenden Verbreitung entsprechender Aufnahmen im Internet und der vielfältigen damit verbundenen Risiken, darf der Staat es nicht dem Zufall überlassen, ob er hiervon Kenntnis erlangt und auf Basis dessen seinem grundgesetzlichen Schutzauftrag nachkommen kann. Dies muss gerade in Anbetracht der quasi non-existenten Hindernisse für Sachverhaltsermittlung und -sicherung gelten, die durch die von den Accountinhabern selbst gewählten Öffentlichkeit und nahtlosen Dokumentation herbeigeführt werden.

Wir fordern die Erarbeitung eines Schutzkonzepts, welches die folgenden Aspekte umsetzt:

  1. Es ist angemessen in Rechnung zu stellen, dass die Eltern als natürliche Sorgeberechtigte unmittelbarer Akteur sind; vor dem Hintergrund des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG, aber auch der Tatsache, dass keine weitere, verlässliche Kontrollinstanz vorhanden ist (Verantwortungsdiffusion).
  2. Es gilt, das richtige Maß zu finden zwischen Kindesschutz sowie Sensibilisierung für die Gefahren der Veröffentlichungen und der Tatsache, dass das Kind für kommerzielle Zwecke vermarktet wird, auf der einen Seite und dem Belassen von genügend Freiräumen für kreatives Ausprobieren und für die Familie auf der anderen Seite.
  3. Hierfür muss die Basis sein, dass eine Abgrenzung des privaten und des (auch) kommerziellen Sharentings erfolgt; die Gefährdungslage ist nämlich unterschiedlich.
  4. Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen sich graduell an die Gefährdungslage anpassen – von (im Fall des rein privaten Sharenting) freiwilligen zu (bei zumindest auch-kommerziellen Sharenting) verpflichtenden Beratungsangeboten und Genehmigungserfordernissen bei gleichzeitiger proaktiver Überwachung.
  5. Denkbar sind folgende Maßnahmen:
    1. Anwendung des JArbSchG auf alle Gruppen der kommerziell im Internet auftretenden Kinder: als „Beiwerk“ elterlicher Account, als (vermeintlich) selbstständige Kinder-Influencer*innen und insbesondere auch Kleinkinder
    2. gesetzliche Klarstellung des Rechts auch des Kindes am eigenen Bild
    3. Sicherstellung des finanziellen Profits von rechtmäßigerweise als Influencer tätigen Kindern, z.B. durch Einführung eines Treuhandkontomodells
    4. Stärkung der Verantwortung der Plattformbetreiber, insbesondere Pflicht zur Kontrolle von Arbeitserlaubnis etc.
    5. Einführung eines (subsidiären) Verbandsklagerecht für Kinderschutzorganisationen

Dringlichkeit der Regulierung

Die Reaktionen der Landesregierungen und anderer Akteur*innen in der Vergangenheit zeigen, dass Digitalpolitik oft von Menschen gemacht wird, die sich kaum mit dem digitalen Raum auskennen, dies gilt insbesondere für den digitalen Kinderschutz, der bisher kaum als Problem anerkannt wird. So fehlen bisher konkrete Bemühungen, Kinderschutz im digitalen Raum zu gewährleisten und die Gefahren für Kinder zu minimieren, sowie Familien aufzuklären. Dabei ist das Internet schon lange kein „Neuland“ mehr.
Die Social Media-Plattformen versuchen weder technisch noch in der Kommunikation ihrer Verantwortung gerecht zu werden und verweisen konsequent auf selbstauferlegte, aber leicht umgehbare Altersgrenzen. Eltern und Kinder sind nicht hinreichend sensibilisiert oder es besteht ein Interessenkonflikt. Hier muss die Politik konsequent eingreifen und einen rechtlichen Rahmen schaffen und die Verantwortung der Plattformen einfordern.

Eine Reaktion seitens aller Akteur*innen ist notwendig, besonders in Situationen, in denen das Kinderzimmer nicht mehr Rückzugsort, sondern Arbeitsplatz ist, in denen das Kind für das Haushaltseinkommen mitverdient, in denen das Kind Gefahren, wie Sexualisierung oder Cyber-Mobbing ausgesetzt wird und in denen die Privatsphäre und Schamgrenzen des Kindes nicht geachtet werden. Die Hauptverantwortung liegt hier weiterhin bei den Eltern, jedoch sind Staat und Plattformbetreiber*innen angehalten, diese zu unterstützen, unter anderem durch Reglementierung, Gesetzgebung, Anpassung von Algorithmen, sowie Aufklärung und Information in den Räumen, in denen sich Eltern und Kinder bewegen.
Es gilt die kindliche Entwicklung digital zu denken und optimale Bedingungen zu schaffen.

N1 [zurückgezogen] Staatliche Digitalkompetenz: Der Weg zu ‚Public Money, Public Code‘

3.09.2021

Heutzutage gibt es für (fast) alles eine App. Wir als Jusos begrüßen, dass die zunehmende digitale Entwicklung es begünstigt, dass öffentliche Verwaltungen, Schulen und Anstalten öffentlichen Rechts immer mehr Software verwenden und digitale Dienste und Services anbieten. Das Neuland Internet soll schließlich erobert werden und für uns alle dazu beitragen, dass Verwaltungsakte einfacher, schneller und barrierefreier werden, dass in Schulen digitale Medien richtig beigebracht und genutzt werden können und dass  die staatlichen Medien auch für junge Menschen interessant und modern präsentiert werden. Ebenso selbstverständlich ist für uns der Grundsatz, dass diese Softwareanwendungen unter eine freie- und open-source-Lizenz gestellt werden; Public Money, Public Code eben.

Die Entwicklung der Corona-Warn-App hat allerdings gezeigt, dass die Bundesregierung mit der Umsetzung dieser Standards überfordert war. Dass der von kommerziellen Unternehmen neu entwickelte Teil der App unter die open-source-Lizenz gestellt wurde, haben digitale Aktivist:innen unter anderem von der SPD erwirkt. Dass die App vollständig und ohne proprietäre Komponenten von großen Digitalkonzernen zur Verfügung gestellt werden kann, hat dann aber erst ein Entwickler:innenteam um den Informatiker Marvin Wißfeld in ihrer Freizeit realisiert.

Dieses Beispiel zeigt vor allem, dass es bei der Softwareentwicklung für öffentliche Zwecke weniger daran hapert, dass die zu lösenden Probleme so kompliziert sind, sondern viel mehr, dass den Entscheider:innen das Wissen über Softwareentwicklung fehlt und sie so auch nicht dazu in der Lage sind, unter Umständen sogar sozialdemokratische Werte auf Software zu übertragen.

Deswegen fordern wir die Gründung einer Institution des Bundes, die Kompetenzen in der Informatik und Softwareentwicklung vereinigt und so staatliche Institutionen bei der Umsetzung der ‚Public Money, Public Code‘-Maxime unterstützen kann. Das hat den Vorteil, dass so grundlegende Software nicht doppelt und dreifach entwickelt werden muss. Zudem kann diese Institution Behörden bei der Umsetzung und Erstellung von Software beratend zur Seite stehen. Essentiell für eine solche Institution ist, dass sie in ihrem Aufbau und ihrer Infrastruktur zu dem Arbeitsumfeld von modernen Softwareentwickler:innen passen muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass es auch möglich ist, Kompetenzen in Bereich der Programmierung anzusiedeln.

Als eine konsequente Umsetzung der ‚Public Money, Public Code‘-Maxime fordern wir außerdem, dass eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen werden soll, dass der Quellcode staatlich finanzierter Apps unter die freie und open-source Lizenz gestellt wird. Darüber hinaus sollen diese Apps auch in einem von großen Digitalkonzernen unabhängigen App Store, wie zum Beispiel F-Droid, zur Verfügung gestellt werden.

M6 CO2 Produktionssiegel für PKWs

3.09.2021

Die Jusos Landeskonferenz möge beschließen dass:

Für PKWs ein neues CO2 Siegel eingeführt wird um darzustellen, wieviel CO2 bei der Produktion ausgestoßen worden ist.

M5 Grundwasserversorgung sicherstellen

3.09.2021

Die Jusos Landeskonferenz möge beschließen dass:

Die Grundwasserversorgung auf Einwohnerzahl gebundene Wasserspender in Städten und Dörfern erweitert wird.

M3 Das Ende der Verbrennungsmotoren zeitlich klar benennen – 2030!

3.09.2021

Die Jusos bekennen sich zu dem Ziel, dass in Deutschland nach 2030 keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr neu verkauft und zugelassen werden.

„In Zeiten von Dieselgate, konkreten Klimazielen, drohenden Fahrverboten, einer stärker werdenden ausländischen Konkurrenz im Bereich der alternativen Antriebe und der Suche nach einer Vision für die Mobilität der Zukunft scheint das Festhalten am Verbrennungsmotor eher rückwärtsgewandt. Der Diesel ist ein zunehmend europäisches Phänomen. Auf den internationalen Absatzmärkten ist der Verbrennungsmotor hingegen auf dem Rückzug. Das wirft die Frage auf, ob sich Autohersteller und Politik ihrer Verantwortung wirklich so bewusst sind.– Stefan Heimlich, Vorsitzender des zweitgrößten Automobilclubs Auto Club Europa e.V. (ACE).

In Deutschland verursacht der Verkehr rund ein Fünftel der Gesamt-Treibhausgasemissionen. Die vom Verkehr verursachten Emissionen sind 28 Prozent höher als 1990.

Damit Deutschland seinen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen gewährleisten kann, muss der Verkehrssektor seine Emissionen drastisch reduzieren. Insgesamt steht der Verkehrssektor global vor einem gewaltigen Umbruch, der schon im vollen Gange ist. Während sich einige Nachbarländer bereits klar zum Ende des Verbrennungsmotors positioniert haben – auch durch die Verabschiedung von Gesetzen – hängt Deutschland gewaltig hinterher. Ambitionierte Länder, wie Irland, Schweden und Großbritannien möchten 2030 Verbrennungsmotoren verbieten. Überlegungen zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor in Deutschland sind nicht neu. Markus Söder sagte schon 2007, dass er keine Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ab 2020 möchte. Vor einigen Monaten äußerte er sich, dass 2035 ein gutes Datum sei. Eine von Greenpeace veröffentliche Studie aus 2020 belegt, dass eine Verkehrswende schnellstmöglich vollzogen werden muss, damit der Verkehrssektor in Europa die Pariser Klimaschutzziele einhält. Demnach dürfen ab dem Jahr 2028 keine weiteren Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden.

„Die Studie zeigt, dass wir viel schneller als bislang aus dem Verbrennungsmotor aussteigen und gleichzeitig die Zahl der Autos insgesamt deutlich senken müssen, damit der Verkehr auf Klimakurs kommt.“ – Benjamin Stephan.

Ein weiteres Schweigen der deutschen Politik setzt tausende Arbeitsplätze aufs Spiel! Ein Ausstiegsdatum schafft hingegen Sicherheit und Klarheit für die Industrie. Die deutsche Automobilindustrie hat in der Vergangenheit fahrlässig gehandelt und die Abkehr von den Verbrennungsmotoren verschlafen. Diese kurzfristigen Gewinne hatten zur Folge, dass die deutsche Autoindustrie in den wichtigen Trends hinterherhinkt. Hersteller aus den USA und China haben aktuell einen technischen Vorsprung.

Das Festhalten am Verbrennungsmotor ergibt aufgrund der geplanten Verbote in anderen Ländern sowie das Fortschreiten des Klimawandels keinen Sinn und ist fatal. Neue Untersuchungen von Greenpeace belegen, dass die deutsche Automobilindustrie den Umbruch noch nicht ausreichend unterstützt. Demnach soll Volkswagen den Verkauf seiner E-Autos nicht genug fördern, weshalb die Händler*innen eher vom Kauf eines E-Autos abraten. Die Politik ist gefragt, den Wandel in der Automobilindustrie zu fördern und klar einzufordern! Ein weiteres Schweigen und Aussitzen gefährdet nicht nur das Klima und die Umwelt, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland.

„Ein Neuzulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2030 hält Knie für notwendig – die Autoindustrie, sagt er, brauche „einen engen Handlungsrahmen“, an dem sie sich „entlanghangeln“ könne. Selbst in der Ifo-Studie geht man davon aus, dass eine solche Vorgabe „den Handlungsbedarf der deutschen Autobauer zweifelsohne erhöhen“ würde. Für Knie steht fest: „Wenn jetzt nicht gehandelt wird und das Auto der Zukunft nur noch in anderen Ländern gebaut wird, dann stehen noch viel mehr von den 880.000 Arbeitsplätzen auf der Kippe.“ – Andreas Knie, Sozialwissenschaftler und Mobilitätsforscher.

M2 Pilotprojekt „Autofreie Innenstädte“

2.09.2021

Die Jusos setzten sich dafür ein, Pilotprojekte für autofreie Innenstädte am Beispiel von Bielefeld und Paris einzuführen. Es soll dazu beitragen die Attraktivität der Innenstädte zu erhalten und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Nach Beendigung der Pilotprojekte muss evaluiert werden, ob die aufgeführten Probleme verbessert wurden.

In Deutschland verursacht der Verkehr rund ein Fünftel der Gesamt-Treibhausgasemissionen. Die vom Verkehr verursachten Emissionen sind 28 Prozent höher als 1990.

Damit Deutschland seinen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen gewährleisten kann, muss der Verkehrssektor seine Emissionen drastisch reduzieren.

Insgesamt steht der Verkehrssektor global vor einem gewaltigen Umbruch, der schon im vollen Gange ist. Erst vor kurzem verurteilte der EuGH Deutschland wegen zu hohen Stickoxid-Werten. Die Pilotprojekte können diverse Vorteile mit sich bringen und bieten eine Chance zur Lösung der vorhandenen Probleme.

F7 [zurückgezogen] Gewaltschutz von Frauen und Mädchen – Frauenhäuser auskömmlich und nachhaltig finanzieren

2.09.2021

Die Zahl der Fälle von Gewalt an und Missbrauch von Frauen und Mädchen nimmt zu. Ein Trend, der sich seit Jahren fortsetzt. Diese Situation macht die Notwendigkeit von Unterstützungs- und Beratungsangeboten sowie von Schutzräumen für Betroffene umso wichtiger.

Bis heute besteht jedoch ein regelrechter Flickenteppich der Finanzierung von Frauenhäusern und bestehende Förderungen des Landes decken in der Regel nur einen Bruchteil der entstehenden Personal- und Betriebskosten. Mehr noch sind der Förderung auch formelle Grenzen, etwa für die Zahl förderfähiger Einrichtungen insgesamt oder für die geförderten Personalstellen einzelner Einrichtungen gesetzt.

Dies hat zur Folge, dass nicht nur keine ausreichende Finanzierung bestehender Einrichtungen gegeben ist, sondern auch, dass die Verfügbarkeit von Schutzräumen für von Gewalt und Missbrauch betroffenen Frauen und Mädchen dem tatsächlichen Bedarf keinesfalls decken kann.

Letztendlich bedarf es für eine auskömmliche Finanzierung der Einrichtungen des Gewaltschutzes endlich auch eindeutige Absprachen und Zuständigkeitsverteilungen zwischen Land, Bund, Kreisen sowie den Städten und Gemeinden.

Noch immer kommt es täglich vor, dass Frauen und ihre Kinder, die von Gewalt betroffen sind, auf der Suche nach Schutz abgewiesen werden müssen. Weil kein Platz frei ist. Oder weil die Finanzierung nicht gesichert ist, weil z.B. der Leistungsbezug nicht geklärt ist, die Frau zu viele Kinder hat oder weil sie behindert ist und die Häuser nicht barrierefrei sind.

Die Istanbul-Konvention verpflichtet Deutschland dazu, bedarfsgerechte Hilfsangebote zum Gewaltschutz von Frauen und Mädchen bereitzustellen, die selbstverständlich kostendeckend finanziert sein müssen. Von einem bedarfsgerechten Hilfsangebot, wie in der Istanbul Konvention vorgesehen, sind wir noch weit entfernt. Die bisherigen Bemühungen wirken angesichts der Pandemie und den sich zuspitzenden Situationen in den Familien wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Bestehende Einrichtungen sind nicht kostendeckend finanziert, obwohl sie mit ihren Aufgaben zur Daseinsvorsorge zählen sollen. Spendenakquise und Verwaltungsarbeiten für Fördernachweise der zahlreichen Projektförderungen binden wertvolle Zeitressourcen, die für die Arbeit in der Beratung fehlen. Hier braucht es endlich eine Kehrtwende und einen Systemwechsel in der Finanzierung des Gewaltschutzes. Wir treten langfristig für einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe auf Bundesebene ein, um den Systemwechsel zu vollziehen.

Hier ist die Landesregierung in der Pflicht, den Flickenteppich der Finanzierung von Frauenhäusern zu beseitigen und endlich eine auskömmliche Finanzausstattung sicherzustellen.

Daher fordern wir:

  • Die Landesregierung auf, die Finanzierung von Frauenhäusern auf eine nachhaltige und auskömmliche Basis zu stellen und zu gewährleisten, dass ein fortlaufender Betrieb der Einrichtungen möglich ist.
  • Den bedarfsgerechten Ausbau von Kapazitäten für den Gewaltschutz von Frauen zu unterstützen und bestehende (rechtliche) Hürden, die dem im Weg stehen, zu beseitigen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf bisher unterversorgte Regionen NRWs zu legen.
  • Unterstützungs-, Präventions- und Beratungsangebote finanziell stärker zu unterstützen, damit diese umfassend und in ausreichendem Maße bereitgestellt werden können. Hierzu zählt insbesondere auch die Unterstützung bei Personalkosten.

F3 Die Straßen denen die drauf laufen

2.09.2021

Problem:

Frauen erleben immer noch alltäglich nicht körperliche sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. Dies erfolgt durch anzügliche Kommentare, Pfiffe, Hupen etc.., zusammengefasst unter dem Begriff „Catcalling“.  Einen Schutz gegen diese Form von Belästigung bietet der Gesetzgeber bis jetzt nicht.

Rein verbale, sexistisch konnotierte Äußerungen werden über Delikte wie sexuelle Nötigung, sexueller Übergriff, Vergewaltigung, Bedrohung, Nachstellung, Exhibitionismus und sexuelle Belästigung im Strafgesetzbuch nicht erfasst. Die bisherigen Sexualdelikte knüpfen als entscheidendes Kriterium alle am körperlichen Kontakt an. Auch der Straftatbestand der Beleidigung wird in den meisten Fällen des Catcallings nicht erfüllt, da eine Herabsetzung der Betroffenen im Sinne des Gesetzes in den meisten Fällen ausbleibt.

Auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten findet sich keine Vorschrift, die ein solches Verhalten mit Bußgeld bedroht.

Eine solche Lücke ist nicht hinnehmbar. Ein Staat, der nicht verhindert, dass Frauen auf offener Straße belästigt werden, kommt seiner Funktion die öffentliche Ordnung zu sichern, nicht zu Genüge nach. Der bisherige stiefmütterliche Umgang mit diesem Thema, ist Ausdruck dafür wie selten es aufgrund von mangelnder Repräsentanz, sowie Mut- und Ideenlosigkeit gelingt die vorhanden feministischen Bestrebungen in echte Realpolitik umzusetzen. Diese Lücke gilt es schnellstmöglich zu füllen. Es ist unsere Pflicht als Jusos „Catcalling“ nicht nur aufs Schärfste zu verurteilen, sondern es auch effektiv zu bekämpfen. Dazu soll dieser Antrag beitragen.

Einordnung

Zunächst gilt es die grundsätzliche Frage zu klären, wie Catcalling innerhalb des deutschen Rechtssystems einzufügen ist. Dabei wird zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten unterschieden. Diese unterscheiden sich in ihrem Unrechtscharakter und in der Form der Bestrafung. Während Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern bestraft werden, können Straftaten auch zu Gefängnisstrafen führen. Zudem unterscheiden sich die Zuständigkeiten und das Verfahren. Wegen einer Ordnungswidrigkeit wird man gewöhnlich nicht verurteilt und ist in keinem Fall danach vorbestraft.

Catcalling ist nicht mit dem Anstandsgefühl einer modernen und gleichberechtigten Gesellschaft vereinbar. Es widerspricht ihrer grundsätzlichen Regel, Belästigung der Mitmenschen im Rahmen der eignen Freiheitsausübung zu unterlassen. Es kann nachweislich zu körperlichen und emotionalen Schäden bei den Betroffenen, bis hin zu Muskelverspannungen, Atembeschwerden, Schwindel und Übelkeit sowie starker Angst führen. Darüber hinaus fördert es Körperüberwachung und Selbstobjektivierung und es kann sogar zu einer Einschränkung der Mobilität von Betroffenen beitragen. Es vermindert nicht nur das Gefühl der Sicherheit und des Komforts der Betroffenen an öffentlichen Orten, sondern schränkt auch ihre Bewegungsfreiheit ein und nimmt ihnen die Freiheit und Sicherheit im öffentlichen Raum. Betroffene Frauen beurteilen ihre Umgebung, schränken die Wahl der Kleidung ein, entscheiden sich für Bewegung im Haus und meiden bestimmte Nachbarschaften oder Wege als proaktive Maßnahmen, um das Risiko, belästigt zu werden, zu verringern. Insgesamt führt Catcalling als gesellschaftliches Phänomen somit zu einer teilweise massiven Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen.

All diesen Folgen, bleibt jedoch gemein, dass sie mittelbar und nicht auf die einzelne Tat zurückführbar bleiben. Der unmittelbare Schaden und die Sozialschädlichkeit des Verhaltens des Einzeltäters bleiben dagegen, hinter denen der sonstigen Sexualdelikte weit zurück. Eine Einordnung des „Catcalling“ als Straftatbestand, würde entweder die dogmatischen und letztendlich verfassungsrechtlichen Ansprüche an ein Strafgesetz unterschreiten, oder ein Erheblichkeitskriterium enthalten, welches die Durchschlagskraft des Gesetzes nicht unwesentlich einschränken würde.

Ein solches Erheblichkeitskriterium für nicht körperliche Angriffe hat die Rechtsprechung bereits zur Beleidigung entwickelt, wonach der Täter durch seine Äußerung zum Ausdruck bringen muss, das Opfer würde einen seine Ehre mindernden Mangel aufweisen. Dies ist bei den meisten Formen des Catcalling schlicht nicht gegeben. Ein „Catcalling“ Paragraph im Strafgesetzbuch würde aber demselben oder zumindest einem sehr ähnlichen Kriterium unterliegen.

„Catcalling“ als Straftat würde nicht umfassend zu einer Verfolgung und Prävention all dessen, was unter „Catcalling“ verstanden wird, beitragen. Ein echter Mehrwert zu den vorhandenen Tatbeständen erscheint zweifelhaft. Ein Catcallinggesetz sollte aber aus unserer Sicht gerade dazu dienen, sexuelle Belästigungen, denen noch nicht die sozialschädliche Wirkung einer Straftat zukommt, Einhalt zu gebieten. Deswegen fordern wir, dass Ordnungswidrigkeitengesetz um einen „Catcalling-Paragraphen“ zu ergänzen.

Der „Catcalling-Paragraph“

Der „Catcalling-Paragraph“ soll jede Geste oder Verhalten gegenüber einer anderen Person im öffentlichen Raum umfassen, die dazu geeignet ist entweder die Würde des Gegenübers zu untergraben oder eine einschüchternde, feindselige, bedrohliche, hasserfüllte, missbräuchliche, abfällige oder verletzende Situation zu schaffen. Zu bestrafen ist die Ordnungswidrigkeit mit mindestens 250 Euro und einem Höchstsatz von 1500 Euro Bußgeld. Im Falle der Wiederholung ist die Mindesthöhe auf 500 Euro anzuheben.

Durch den Paragraphen erhalten Betroffene die Möglichkeit, entsprechendes Verhalten anzuzeigen und dem Staat stehen endlich die bekannten ordnungsbehördlichen Mittel zur Verfügung, um gegen diese Form der Belästigung vorzugehen. Die Verfolgung wird allerdings häufig aufgrund fehlender Identifizierung der Täter*innen oder nicht hinreichender Beweislage scheitern. Der Beistand des Staates für die Opfer darf und kann somit nicht mit Einführung des Paragraphen enden.

Wir fordern deswegen darüber hinaus:

  1. Einen umfassenden Jahresbericht über die Auswirkungen des „Catcalling-Paragraphen“, aus dem ersichtlich wird wo, wann und wie oft „Catcalling“ angezeigt wurde, wie viele Bußgeldbescheide aufgrund dessen erteilt wurden und welche weitergehenden Maßnahmen geplant und durchgeführt wurden, um Catcalling zu unterbinden.
  2. Eine Strategie der Ordnungsbehörden, um Catcalling zu verhindern und eigeninitiativ zu verfolgen. Diese muss einen höheren Präsenz von Ordnungsbehörden an Orten umfassen an denen häufig Catcalling angezeigt wird und darüber hinaus zumindest in größeren Städten Streifen, die schwerpunktmäßig nach Ordnungsverstößen bezogen auf den Catcalling Paragraphen Ausschau halten.
  3. Weitergehende staatliche Aufklärungsmaßnahmen wie Kampagnen etc., die über die Folgen und die Bedeutung von Catcalling informieren.